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Re: [ox] Rundschauartikel



Zitiere Benni Bärmann <benni obda.de>:
In der Frankfurter Rundschau von heute findet sich ein Artikel zu
unserem Thema. "Open Theory" und die WOS wird auch erwähnt, Oekonux
selbst allerdings nicht. Der Artikel ist zwar gut gemeint, strotzt
aber vor Fehlern und Mißverständnissen:

Allerdings. Insbesondere ist doch die Grundaussage im letzten Absatz als 
Begründung für die Behauptung in der Unter-Überschrift ist doch einfach Quatsch, 
oder? Die Frage, die der Autor aufwirft, ist aber trotzdem interessant: Was 
haben Urheber unter Verwertungsbedingungen von Freien Lizenzen?

Trotzdem bin ich für aufheben, deswegen poste ich den Artikel mal hier 
(verstösst so ein Mailinglisten-Archiv eigentlich gegen das Urheberrecht?), 
falls er bei der FR nicht mehr find-/linkbar ist:

http://www.frankfurter-rundschau.de/fr/200/t200002.htm

Das Modell Linux macht Schule 

Freie Lizenzen, wie sie die Softwarebranche entwickelt hat, könnten auch 
Künstlern und Autoren helfen

Von Michael Charlier 

Die moderne Industriegesellschaft begann - unter anderem - damit, dass Menschen, 
die über entsprechende Machtmittel verfügten, die früher allen zur Nutzung offen 
stehenden Allmende (Commons) einzäunten und zum Privatbesitz erklärten. Das half 
den Landlords, Reichtümer anzusammeln, mit denen sie Manufakturen und Fabriken 
aufbauten - und machte die armen Bauern noch ärmer, so dass ihnen wenig anderes 
übrig blieb, als sich als Arbeiter in diesen Fabriken zu verdingen. Dafür 
bekamen sie einen damals überaus kargen Lohn - alles, was in den Fabriken 
produzierte wurde, gehörte den Fabrikanten.

Das ist lange vorbei - wirklich ? In der entstehenden Wissensgesellschaft gibt 
es einen beunruhigend ähnlich erscheinenden Vorgang: Fabrikanten beanspruchen 
das Eigentum an dem in ihren Unternehmen produzierten Wissen. Die 
Digitaltechnik, vor allem das Internet, hat neue Elemente in den Streit 
gebracht. Einerseits ermöglicht sie in großem Maßstab originalidentische Kopien, 
was - siehe Napster alt - durchaus zu Problemen für die Urheber führen kann. 
Andererseits gibt sie Herstellern und Vertreibern Mittel an die Hand, nicht nur 
das Eigentum, sondern auch die Nutzung zu kontrollieren - etwa mit der 
Aktivierung von Windows XP, oder wenn das künftige Napster-Format Dateien 
liefert, die nur noch begrenzt abgespielt werden können. So, wie wir es von den 
Ländercodes auf Spielfilm-DVDs schon gewohnt sind. Dann verlieren Käufer und 
Nutzer Rechte, die ihnen bisher zustehen. 

Autoren als den eigentlichen Urhebern geht es selten besser. Besonders betroffen 
sind Lieferanten mancher Zeitungen und Zeitschriften. Viele Verlage höhlen das 
unveräußerliche Urheberrecht mit ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus. 
Wolfgang Schimmel von der Rechtsabteilung der Gewerkschaft ver.di erklärt: 
"Solche AGBs sehen in enger Analogie zum amerikanischen Copyright vor, dass der 
Autor gegen einmalige Honorarzahlung selbst auf buchstäblich alle Rechte 
verzichtet, während der Verlag sich ein umfassendes und teilweise sogar 
exklusives Nutzungsrecht reserviert - einschließlich des Rechts zur Veränderung 
des Texts, zur Einstellung auf Websites, zur Aufnahme auf CD-ROMs, zum 
Weiterverkauf an Contentverwerter und vieles mehr." 

Die Softwareschreiber sahen solche Entwicklungen schon früh. Deshalb schufen sie 
Mitte der 80er Jahre eine Bewegung für Freie Software, die einen Mechanismus 
entwickelt hat, der verhindert, dass andere sich die eigene Arbeitsleistung 
aneignen oder Nutzungsrechte beschränken. Herz der Bewegung ist die General 
Public License (GPL). Sie lässt sich in drei Punkten zusammenfassen: Die 
Software selbst wird nicht verkauft, sondern ist frei - abgesehen von einer 
Kostenerstattung für den Vertrieb. Software wird mit ihrem Quelltext geliefert, 
so dass erfahrene Anwender sehen, womit sie es zu tun haben. Und: Jeder darf die 
Software weitergeben und weiterentwickeln - solange die Quelle genannt und das 
Ergebnis wieder unter die Lizenz gestellt wird. Jeder andere Gebrauch ist 
untersagt. 

Die Lizenz gibt allen, die sie übernehmen, die Möglichkeit, wieder ein Stück von 
der alten Allmende herzustellen. Sie sichert das geistige Eigentum insoweit, als 
sie die Urheberschaft nachweist und eine Verfügung über das Nutzungsrecht 
vornimmt. So verhindert die GPL, dass jemand sich ein Stück der veröffentlichten 
Software als Privatbesitz einzäunt. Gleichzeitig eröffnet sie Freiräume: Nutzung 
und Weiterentwicklung stehen offen. Der Erfolg von Linux hat gezeigt, dass so 
etwas funktionieren kann, und deshalb wird immer wieder, wie jüngst auf der 
Konferenz "Wizards of OS", darüber nachgedacht, ob und wie man das Modell auf 
andere Bereiche übertragen kann. 

Für wissenschaftliche Texte sind die Bemühungen weit vorangekommen - es entsteht 
eine Public Library of Science (PLoS) mit einer eigenen Lizenz, die eines Tages 
vielleicht die gleiche Bedeutung gewinnen könnte wie die GPL für Software. So 
weit sind Musiker noch nicht, die sich von der Vermarktung ihrer Arbeit durch 
die Industrie befreien und ihre Stücke lieber als "Open Music" zu eigenen 
Bedingungen in Umlauf bringen wollen. Und bei den vielerlei Verfassern von 
Texten literarischer, journalistischer oder lehrreicher Art tut sich erst wenig.

Das hat seine Gründe. Software und Texte sind nun mal sehr verschieden - auch 
wenn das in aktuellen Wissenschaftsmoden gerne bestritten wird. Geschriebenes, 
das über technische Dokumentationen hinausgeht, lässt sich nicht so ohne 
weiteres in Module auflösen, die einzeln getestet, weiterentwickelt oder ersetzt 
werden können. Allerdings entstehen in den immer zahlreicher werdenden 
Web-Magazinen tatsächlich zunehmend Texte, die nicht nur inhaltlich hochwertigen 
Content bieten, sondern ihn auch noch in eine annähernd modulare Form bringen. 
Sie könnten durchaus zur Grundlage weiterer Bearbeitung und Fortschreibung 
dienen - wenn klare rechtliche Vorgaben verhindern, dass Contenträuber sich 
aneignen, was ihnen nicht gehört.

Ansätze dazu gibt es. Eher juristisch angelegt sind die GNU-Free Documentation 
Lizense und die Open Content-Bewegung oder hochgradig politisch argumentierende 
wie Open Theory. Ihr gemeinsames Ziel besteht darin, die Urheberschaft und das 
Urheberrecht derjenigen zu sichern, die wirklich Besitzer des "Intellectual 
Property" sind - der Schreiber. Gleichzeitig stellt sie klar, dass jeder die 
Texte verwenden kann, solange er sich an bestimmte Regeln hält. Übernommene 
Texte müssen gekennzeichnet und dürfen kommerziell verwendet werden. Auch die 
veränderten Werke stehen unter der offenen Lizenz.

Gelänge es, sich auf eine eindeutige und leicht handhabbare Regelung zu einigen, 
wären eine Menge Probleme gelöst, die jetzt die lockere Kooperation von 
Schreibern im Internet erschweren. Niemand mehr müsste auf den Gedanken kommen 
zu fragen, ob ein Link erlaubt ist. Auch Deep-Linking wäre kein Problem - wo es 
um Inhalte geht, sollen Verweise schließlich dorthin zeigen, wo es der 
Zusammenhang verlangt, und nicht auf irgendwelche Eingangsseiten. Selbst 
Inline-Links (die Fremde Inhalte in das eigene Layout integrieren) oder die 
Spiegelung von Seiten, deren Erreichbarkeit auf dem Server des Urhebers nicht 
gesichert ist, kämen aus der Grauzone.

Und auch das wäre explizit klargestellt: dass unter GPL ins Netz gerückte 
Inhalte kommerziell nur mit einer Vereinbarung genutzt werden dürfen - gegen 
angemessenes Honorar, versteht sich. 

Weitere Informationen

Wissens-Allmende:
www.mikro.org/Events/OS/interface5/wissens-almende.html#_1_2 

Bewegung für Freie Software: www.gnu.org/fsf/fsf.html 

GNU-Lizenzen: www.gnu.org/copyleft/gpl.html 

Wizards of OS: wizards-of-os.org 

Public Library of science: www.publiclibraryofscience.org

Open Music: www.heise.de/tp/deutsch/special/wos/9811/1.html 

Open Content: www.opencontent.org/openpub/ 

Open Theory: www.opentheory.org 

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2001 
Dokument erstellt am 03.12.2001 um 21:09:24 Uhr
Erscheinungsdatum 04.12.2001 

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