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Re: [ox] Freiheit, Gleichheit und der ganze Rest



Hi Benni und alle!

3 days ago Benni B?rmann wrote:
Letztens hat Stefan ja auf diesen Text über den Slogan "Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit" und dessen Bezug zu FS von [ox-en]
aufmerksam gemacht. Ich hab dazu ein paar noch sehr ungeordnete
Gedanken, na mehr eigentlich Assoziationen:

- Freie Kooperation wurde ja von Christoph in "Gleicher als Andere"
quasi als Aufhebung des Widerspruchs von Freiheit und Gleichheit
dargestellt. Meine Frage speziell an Stefan Mn. wäre jetzt: Kann man
Deine Kritik an Freier Kooperation vielleicht so verstehen, dass Dir
sozusagen der dritte im Bunde, nämlich die "Brüderlichkeit" fehlt?

Ja, das könnte so gesagt werden. Das ist ein Teil meiner Kritik, der
dem Raum der Theorie der Freien Kooperation sozusagen immanent bleibt.

- In der ganzen Diskussion nach dem 11.9. war für mich dominant, dass
dort immer wieder ein Widerspruch zwischen Freiheit und Sicherheit
aufgemacht wurde. Dieses Thema schwelt eigentlich schon viel länger
(Seit der RAF? Seit der Wiederbewaffnung? Schon immer?) nur wird es
momentan wider massiv an allen Fronten gepusht.

Hier würde ich mich gegen den Neusprech wehren. Es geht - gerade im
Moment - ja nur in seltensten Fällen um auch nur in Spurenelementen
feststellbar höhere Sicherheit. Es geht um Überwachungsmaßnahmen und
vereinfachte Repressionen gegen (noch) bestimmte Gruppen.

Mit Sicherheit hat das alles aber nur sehr begrenzt zu tun. Das zeigt
sich schon daran, daß die Sicherheit, die angeblich erreicht werden
soll, schon mit den bisherigen Maßnahmen nicht erreicht wird - und die
sind ja auch schon nicht gerade von Pappe. Darüberhinaus sind viele
der vorgeschlagenen / durchgepeitschten Maßnahmen erwiesenermaßen
untauglich: Die Kronzeugenregelung hat genauso marginal Erfolge
gebracht wie die Rasterfahndung - um mal zwei Beispiele zu nennen.

Was stattdessen überhaupt nicht stattfindet, ist die Frage, wie wir
Sicherheit eigentlich definieren wollen und - wichtiger - wie wir sie
*wirklich* erreichen können. Wird diese Frage ernsthaft aufgeworfen,
kommen aber völlig andere Kategorien ins Spiel, die eher einen
Demokratieaufbau anstatt -abbau nahelegen. Mir scheint es jedenfalls
auf der Hand zu liegen, daß eine ständige Verkriegung der Gesellschaft
der Sicherheit den Todesstoß versetzt.

Zunächst scheint es
so, als sei das alles ziemlich Off-Topic für uns. Nur: Gibt es da
nicht vielleicht tatsächlich einen Widerspruch (oder einen
scheinbaren) und sind nicht tatsächlich beide, Freiheit & Sicherheit,
legitime Ansprüche?

Sie sind nicht nur legitime Ansprüche sondern sie gehören unabdingbar
zusammen. Nur wenn du eine gewisse Sicherheit hast, kannst du dich
überhaupt für Freiheit entscheiden. Nur wenn du dich nicht full-time
um den täglichen Überlebenskampf kümmern mußt, ist überhaupt Raum für
Selbstentfaltung.

Also bräuchte es nicht etwas wie es FK (IMHO) für
den "Widerspruch" zwischen Freiheit und Gleichheit gezeigt hat auch
für diesen scheinbaren Widerspruch?

Der Widerspruch ist m.E. von vorneherein konstruiert. Wenn du
Sicherheit auch als einen durch Vertrauen (in Personen, Prozesse,
Verhältnisse etc.) gekennzeichneten Zustand verstehen kannst - anstatt
einen, der deiner permanenten Kontrolle bedarf -, dann werden die
sicherheitsgefährdensten Maßnahmen in diesen Tagen vom Bundestag
beschlossen. (Noch dazu ist full-control BTW unbezahlbar. Die alte
Parole von "Schafft zwei, drei, viele Vietnams" machen die
Hegemonialmächte ja mittlerweile selbst...)

- Dies beides verknüpfend: Ist nicht "Brüderlichkeit" auch eine Form
von Sicherheit?

Nicht nur eine Form, sondern unter Bedingungen von Selbstentfaltung
die einzige. Alles andere tendiert zu full-control.

Ist nicht also vielleicht Stefan Mn. Kritik an FK ein
Einfordern einer Form von Sicherheit? Ich komme drauf, weil Du Stefan
immer so drauf rumreitest, dass bei FK ja jeder jederzeit jegliche
Bindung kündigen könnte und dass das letzten Endes in Gewalt enden
muss (also maximaler Unsicherheit).

Ein Einfordern von Sicherheit steht in meiner Kritik sicher ziemlich
weit vorne - ja. Wie diese Sicherheit hergestellt wird, kann
verschieden aussehen. Das bürgerliche Modell mit Verträgen und
Gewaltmonopol mag ich - als Entwurf - genauso wenig wie Christoph.
Eine Vertrauensbasis, die eben einerseits auch Sicherheit bräuchte und
andererseits Sicherheit schafft, sehe ich durch Konsensmodelle
befördert.

- Und zuletzt: Der Slogan "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" aus
der französischen Revolution ist ja eine urbürgerliche Parole. Wenn
also Christoph mit "Gleicher als andere" die Beziehung zwischen
Freiheit und Gleichheit offengelegt hat und Stefan Mn. mit seiner
Kritik daran auf einen dabei noch fehlenden Aspekt hingewiesen hat,
müsste dann das grosse vereinheitlichte Aufhebungsprojekt an dem wir
(oder manche von uns) ja hier rumdoktern nicht darüber noch
hinausgehen und für jede der Beziehungen in dem Dreieck "Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit" etwas ähnliches leisten, wie "Gleicher als
Andere"?

Hier würde meine dem Raum der Theorie der Freien Kooperation nicht
mehr immanente Kritik ansetzen. Diese kritisiert dann gleich schon die
Frage, auf die Christoph mit seinem Text eine Antwort geben wollte.

Sowohl Freiheit als auch Gleichheit als auch Brüderlichkeit im Sinne
der bürgerlichen Revolutionen gehört in einer neuen
Gesellschaftsformation positiv aufgehoben und damit überwunden.

Ich nutze mal die Gelegenheit um mal wieder einen Zwischenstand meiner
momentanen Gedanken dazu zu basteln.

* Freiheit

  Freiheit im bürgerlichen Sinne ist vor allem die Freiheit zur
  Wertverwertung. Dazu gehört - historisch - ein Abstreifen der
  feudalen Hindernisse (z.B. Privilegien) aber auch eine Befreiung der
  Menschen zu LohnarbeiterInnen.

  Gleichzeitig endet die bürgerliche Freiheit bekanntlich da, wo die
  des Nächsten beginnt. Die Menschen werden also als Monaden
  konstruiert, die quasi im Gefängnis ihrer durch die anderen
  gebildeten Freiheitsgrenzen sitzen.

  In unserem Diskurs fängt die Freiheit des Menschen aber geradezu
  erst da an, wo die Freiheit des nächsten beginnt. So wäre es ja zu
  betrachten, wenn die Selbstentfaltung der Einzelnen Voraussetzung
  für die Freiheit aller ist - und umgekehrt.

  Das würde für mich in Richtung einer positiven Aufhebung des
  bürgerlichen Freiheitsbegriffs gehen.

* Gleichheit

  Gleichheit im bürgerlichen Sinne ist vor allem die Gleichheit vor
  dem Gesetz. Auch hier spiegelt sich das Abstreifen feudaler
  Strukturen wieder und auch die Austauschbarkeit der Einzelnen zum
  Zwecke der abstrakten Verwertung ist hier eingelassen.

  Weiterhin gibt es die soziale Gleichheit, die eine wenigstens
  einigermaßen gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum zum
  Ziel hat.

  Beide Formen von Gleichheit gilt es aufzuheben. Die
  abstraktifizierende Form der Gleichheit wird durch das
  personal-konkrete anstelle des abstrakt-entfremdenden zumindest
  konterkariert. Soziale Gleichheit ist in einer Gesellschaft des
  Überflußes sowieso kein Thema mehr.

* Brüderlichkeit

  Das ist neu. Mal sehen.

  Brüderlichkeit so wie ich sie hier verstehe klingt mir sehr nach
  einer moralischen Forderung, die letztlich idealistisch begründet
  ist und die sich mir im Nationenkonzept fortzusetzen scheint.

  Wenn aber die Selbstentfaltung der Anderen meine Selbstentfaltung
  begünstigt, dann habe ich ein durchaus materiell unterfüttertes
  Interesse an der Selbstentfaltung der Anderen: Nur wenn es allen gut
  geht, geht es mir gut. Eine moralische Forderung braucht es dann
  also nicht mehr und somit wäre auch die Brüderlichkeit aufgehoben.

Na, das war ja einfach ;-) .

Na, kann damit jemand was anfangen?

Der Frage schließe ich mich mal nahtlos an ;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

PS: So, wohl die letzte Mail vor ein paar Tagen offline.

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