Re: [ox] Freie materielle Gueter (was: Re: [pox] LinuxTag und Oekonux)
- From: RAUNHAAR aol.com
- Date: Sat, 2 Mar 2002 15:09:23 EST
In einer eMail vom 02.03.2002 19:19:34 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt
b.fallenstein gmx.de:
<< Thema: Re: [ox] Freie materielle Gueter (was: Re: [pox] LinuxTag und
Oekonux)
Datum: 02.03.2002 19:19:34 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit
From: b.fallenstein gmx.de (B. Fallenstein)
Sender: oekonux-admin post.openoffice.de
Reply-to: liste oekonux.de
To: liste oekonux.de
Sehr geehrte Frau Haarmann,
<<(brauchen wir das Sie+Nachname unbedingt?)>>
P.H.: Ich bin ganz froh, daß sowohl meine Mutter- als auch meine Vatersprache
diese Möglichkeit der verschiedenartigen personalen Annäherung vorsehen.
Dieses abstrakt-egalitäre Du+Vorname verhindert m.E. eher, daß frau/man eine
Idee davon bekommt wie was gemeint ist. Aber ich bestehe nicht drauf. Kann
auch sein, daß das den Listengrundsätzen widerspricht (hab ich nicht
nachgesehen).
Bevor ich auf Ihre mail antworte, eins vorweg-- mein Vorschlag von
gestern war nicht ein großer Entwurf, wie es unbedingt sein muss,
sondern einfach eine Idee, die mir an dem Abend (von Oekonux angestoßen)
durch den Kopf ging. Sicher nur als Denkanstoß brauchbar und nicht als
fertiges Konzept. Alles, was vielleicht anders klang, war reine
Selbstironie ;-)
P.H. Och, ich war ganz froh, daß mal was zum Thema des Projekts Oekonux
gekommen ist. Ich habe ja auch kein "Gegenkonzept" entworfen, sondern nur
angemerkt, was mir "beim ins Verhältnissetzen" durch den Kopf gegangen ist.
Was in Zukunft sein "soll" ist auch gar nicht mein Anliegen.
RAUNHAAR aol.com schrieb:
1. woher kommt denn das Geld für die zu bezahlenden "Dienstleistungen" (aus
der Notenpresse?)
Mir ist nicht klar, worauf die Frage zielt (leider bei mehreren Ihrer
Anmerkungen der Fall, sorry). Geht es um die Frage, wo in einer
GPL-Gesellschaft überhaupt Geld herkommt? Dann ist meine Antwort: Es
geht mir nicht darum, wie eine GPL-Gesellschaft einmal aussehen könnte,
sondern um den Weg dahin. Ich stelle mir die Frage, wie eine Keimform
ähnlich der freien Software bei den materiellen Gütern aussehen könnte.
Geht es darum, dass die Dienstleistungen teuer sind und sich nicht alle
sie leisten können? Das ist wahr, ist aber im Kapitalismus immer so. Um
das zu überwinden, brauchen wir eine durch die ganze Ressourcenkette
freie (hier: kostenlose) Produktion. Die möchte ich gerne sehen, aber
ich frage mich, wie wir dahin kommen können.
P.H. Meine Frage zielte darauf, wo in der Gesamtheit das Geld zur Bezahlung
der Dienstleistungen herkommen soll, wenn die Wertschöpfung in der Produktion
perspektivisch "lahmgelegt" werden soll. Wo keine Wertschöfung, da kein
Geld. Und Dienstleistungen "schöpfen" in der Regel keinen Wert.
2. Die Waren werden zu Nicht-Waren, die Ware Arbeitskraft bleibt aber Ware?
Bei den "Dienstleistungen" ja; bei der freien Produktion, die davon
gefördert werden soll, nein. Hier ist die Analogie zur freien Software
übrigens ziemlich direkt: da ist die Arbeitskraft ja auch die selbe wie
bei proprietärer Software, daran ändert die andere Lizenz gar nichts.
*Teilweise* wird diese Arbeitskraft nun als Ware veräußert (z.B. die von
RedHat angestellten Kernel-Entwickler verkaufen ihre Arbeitskraft).
Teilweise wird FS aber auch unter echten Selbstentfaltungsbedingunngen
(und nicht in einem Arbeitsverhältnis) produziert.
P.H. Das mit der "Selbstentfaltung" i.S. eines sich evelutionsmäßig
entwickelt habenden ontischen Menschen, die/der jetzt nach all den
Jahrtausenden der Unterdrückung und "Selbstunterdrückung" selbst entfaltet,
will heißen "zu sich selbst kommt", wäre gesondert zu diskutieren. Ich möchte
einfach hier nur die innere Logik des von Dir Vorgestellten entwickeln. Die
ginge wie folgt: Die Wertschöpfung durch Produktion wird zunehmend
ausgeschaltet. Dennoch bleiben die Individuen daran gebunden, die
"Dienstleistung" anderer durch Geld, also durch Selbstverkauf an anderen
Stellen des Systems, zu "erwerben". Der "Erwerb freier Güter" ist an die
"Selbstveräußerung" gekoppelt. Abgesehen davon, daß es Wert=Geld dann sehr
schnell nicht mehr in nennenwerter Menge gäbe, hieße dies, daß dem Nehmen
"freier Güter" weiter Selbstentäußerung für fremde Zwecke vorangestellt wäre,
nämlich um die jeweils anderen Individuen für Ihr Tun zu "entlohnen" (damit
diese dann die Tätigkeiten wieder anderer Individuen erlangen könnten usw.).
Von der nicht vorhandenen Grundbedingung (keine Inwertsetzung der Produktion)
einmal abgesehen, was würde sich am Verhältnis der Menschen untereinander, an
der Form ihrer Gesellschaftlichkeit ändern?
3. Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie annehmen im bürgerlichen
(wertförmigen) Recht hätten Sachen, die einem Veräußerungsverbot
unterliegen
keinen Wert?
Nein. Über das bürgerliche Recht nehme ich gar nichts an; ich nehme noch
nicht einmal an, dass sich eine Lizenz, wie ich sie vorgeschlagen habe,
darin verwirklichen lässt. Ich weiß einfach zuwenig über Jura, um das
beurteilen zu können...
Was ich meinte, und worauf Sie sich wohl beziehen, ist, dass eine Sache
durch ein Veräußerungsverbot ihren Tauschwert verliert: Tauschwert in
dem Sinne, dass sie gegen andere Sachen gleichen Tauschwerts
eingetauscht werden kann. Den hat sie in meinem Verständnis nicht mehr,
weil sie ja eben nicht mehr gegen andere Sachen eingetauscht werden
*kann* (darf).
Liege ich damit falsch? (Ich gebe ja durchaus zu, dass ich die genauen
Bedeutungen von "Wert" und "Tauschwert" nur erahne, aber immer noch
nicht klar verstanden habe...)
P.H. Recht ist Ausdruck eines bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhangs,
einer Vergesellschaftung. Das hat mir Jura erst mal wenig zu tun, da sich
Juristen mit dem "positiven Recht" beschäftigen, also dem Recht wie es ist
und seine Voraussetzungen ignorieren bzw. ontologisieren. Sicher, fällt's
vielen irgendwann mal auf. Vielleicht ist das der Grund warum es in diesem
Berufszweig soviele Zyniker gibt. Veräußerungsverbot bedeutet, daß der mit
diesem Belegte den Tauschwert der Sache nicht realisieren darf. Das nennt man
eine "Beschwer". Der Wert respektive Tauschwert bleibt davon unberührt.
Frau/man ist ja gerade beschwert, weil sie/er nicht denselben realisieren
darf.
Das würde in der Tat ganz neue Möglichkeiten in der
Vertragsgestaltung eröffnen, leider jedoch nur bis zum ersten
Gerichtsverfahren oder notariellen Antrag ans Gericht. Danach wäre es
Angelegenheit der Haftpflichtversicherung die "geprellte" Partei für die
fehlerhafte Beratung und Geschäftsbesorgung zu "entschädigen".
Das verstehe ich nicht (was für Möglichkeiten? was für Gerichtsverfahren
oder notarielle Anträge?). Wie gesagt, ich kenne mich im Recht wirklich
nicht aus.
P.H. Das sollte nur heißen, daß wenn wir "so" berieten sowohl das Finanzamt
als auch die Gerichtskasse sehr wohl und ohne allen Federlesens den Wert
ermitteln würden und entsprechend veranlagten bzw. die Gerichtskosten
berechneten. Insoweit hat sogar das elterliche Besuchsrecht wenn es in die
juristischen Mühlen gerät einen "Wert".
4. Die unentgeltliche Übereignung erzeugt Werlosigkeit? Wie kommt es dann,
daß es im "Kapitalismus" Schenkungssteuer, Erbschaftssteuer und dgl. gibt?
Mein Eindruck ist, dass es hier um die unentgeldliche Übereignung von
Dingen geht, die Tauschwert besitzen, d.h. weiterveräußert werden
könnten. -- Eine Lizenz nach meinem Vorschlag wäre ja aber-- rechtlich
gesehen-- wenn überhaupt doch nur so zu machen, dass die Sache im Besitz
des jeweiligen ProduzentIn bleibt, oder? D.h., dass sie nur "verliehen"
wird. Wenn die Person, die sich die Sache "geliehen" hat, diese dann
weitergibt, wäre das doch keine "Übereignung", sondern eine Änderung des
Vertragspartners für die Person, die die Sache ursprünglich "verliehen"
hat-- oder?
P.H. Da kommt darauf an, nämlich ob der Erwerber der vom unmittelbaren
Besitzer die "unmittelbare Gewalt" über die Sache erhalten hat gutgläubig war
oder nicht. Da der unmittelbare Besitzer (der Leiher) die Sache dem Entleiher
ja nicht gestolen hat, sondern ein Recht zum Besitz hatte, dürfte der
gutgläubige Erwerber Eigentümer geworden sein. Dann hat der Entleiher einen
Anspruch auf "Wert"ersatz gegen den Leiher. Ich denke, daß Du Verträge und
Sachenrecht "in eins" setzt. Die ganze "angeklebte" Wertlosigkeit in der
Erwerberkette funktioniert sowieso nicht, weil Bedingungen, Auflagen etc. nur
beim ersten Vorgang (in Deinem Fall Compi an Benutzer) "angeheftet" werden
können. Für weitere Erwerbsvorgänge ist die Bestimmung irrelevant.
Übrigens ist es gerade umgekehrt: Eine "wertlose" Sache kann gar nicht
Inhalt
einer Schenkung sein bzw. für solche Übereignungen/Weitergaben ist kein
"Rechtsschutz" vorgesehen. Dann kann dann auch keine "Lizenz" greifen.
Es geht ja nicht um eine in diesem Sinne (wie ich Sie hier verstehe)
_wertlose_ Sache. Für die Person, die die Sache "verleiht", hat sie ja
durchaus Wert. Wenn nun die Person, die die Sache "geliehen" hat, diese
an das InhaberIn zurückgeben würde, könnte das InhaberIn sie ja durchaus
für Geld weiterveräußern. Nur die Person, die die Sache geliehen hat,
dürfte das laut Vertrag halt nicht (und das InhaberIn dürfte die Sache
laut Vertrag nicht einfach zurückfordern; ich weiß wie gesagt nicht, ob
das rechtlich geht, aber das wäre natürlich notwendig, wenn die Sache
überhaupt Sinn machen soll).
P.H. siehe eins vorher
5. "Sachenrecht" im Unterschied zu "Schuldrecht" (Vertragsrecht) ist im
"Kapitalismus" nicht abdingbar.
Ich weiß nicht, was das bedeutet. Ich weiß noch nicht einmal, was
"Sachenrecht" eigentlich ist.
Sicher, frau/man kann den Weg durch "die
Institutionen" antreten und versuchen, das Recht inhaltlich zu ändern (Es
bliebe dann übrigens immer noch "Recht" und damit Ausdruck einer
"unsichtbaren politischen Ökonomie). Das hat schon immer nicht
funktioniert,
da sich die Institutionen damit selbst genau ihre Existenz- und
Geschäftsgrundlage entzögen. Sozusagen "Aufhebung" des Kapitalverhältnisses
durch die Vollzugsinstanzen des Kapitalverhältnisses. Scheint mir doch sehr
unwahrscheinlich und undurchführbar.
Das wäre auch sinnlos. Wenn das nötig wäre, würde das Ganze auf keinen
Fall was bringen. Der Vorschlag könnte nur dann sinnvoll sein, wenn er--
wie die GPL-- das existierende bürgerliche Recht benutzen könnte, um
eine Keimform für eine andere Gesellschaft zu schaffen.
P.H. eben
6. ... "gehört dann mir". Soviel Knappheit muß schon sein, oder? War da
nicht
was mit Bedürfnissen?
Hier ist mir wieder nicht klar, was Sie meinen. Zitieren Sie mich mit
den Worten in Anführungsstrichen, oder paraphrasieren Sie, ist das von
Ihnen oder eine hypothetische Aussage von jemand ganz anders? Was meinen
Sie mit Ihren Fragen dazu?
P.H. War nicht ironisierend gemeint. Es geht mir um das Verhältnis des
Einzelnen zum Gesamtprodukt. "Gehören" "gehört" in die Welter unserer
politischen Ökonomie und weist nicht darüber hinaus.
7. Fazit: Die Produktion erfolgt gesellschaftlich (das ist auch im
Kapitalismus so),
Moment. Es geht in meinem Vorschlag doch um den Kapitalismus? Bzw. um
eine Keimform, die im Kapitalismus funktionieren kann. Oder meinen Sie
"im Kapitalismus, so wie er normalerweise funktioniert" (so wie wir
manchmal vereinfacht die freie Software dem Kapitalismus
gegenüberstellen, obwohl freie Software im Kapitalismus funktioniert)?
P.H. Das setzt aber voraus, daß die freie Software den Kapitalismus
überwinden kann. Das ist meine Auffassung nicht.
der Zurechnungszusammenhang jedoch wird über geldwerte
Äquivalente, welche durch Einsatz der Ware Arbeitskraft "erworben" werden
in
Ansehung der "dienstleistenden" Individuen hergestellt.
Ich weiß nicht, was der Zurechnungszusammenhang ist oder worüber er in
Ansehung wessen hergestellt wird. Ich möchte aber noch einmal
unterstreichen, dass es mir nicht primär um das Dienstleistungs-Drumrum
geht, sondern um die Produktionsprozesse, die unter
Selbstentfaltungsbedingungen und ohne Arbeitsverhältnis stattfinden. Ich
denke nur halt (wie andernmails angesprochen), dass es Firmen möglich
sein muss, irgendwie damit Geld zu verdienen, damit das Ganze ins Rollen
kommt-- es darf ihnen dabei aber *nicht* möglich sein, die kostenlos
hergestellten Produkte einfach zu verkaufen. Das Ganze ist eine Analogie
zu dem, was bei freier und "nichtkommerzieller" Software
passiert/passiert ist.
P.H. Mein Sohn sagt gerade "time is up" und will an den Rechner. Ich melde
mich diesbezüglich später. Bedürfnisse geht halt vor.
Der "Wert" der
einzusetzenden Ressourcen bleibt "im Dunkeln", denn beim "Aneignen" soll es
schon irgendwie nach "Recht und Gesetz" zugehen.
Verstehe icch wieder nicht. :-(
Tut mir Leid, dass ich so wenig von Ihrer mail verstanden habe. Ich habe
mich bemüht, aber habe weder in Bezug auf die Rechtswissenschaft noch in
Bezug auf Marx und seinen Wertbegriff mehr als ein bisschen Laienwissen.
Liebe Grüße,
- Benja
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