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Re: [ox] Notizen zur Selbstentfaltung



Hi Benni und alle!

2 weeks (18 days) ago Benni Baermann wrote:
Im Rahmen meiner Vorbereitung für das kommende Wochenende in
Kaiserslautern ist der folgende Text hier entstanden.

Ich habe übrigens heute begonnen, die Aufzeichnungen zu
digitalisieren. Jetzt wo die neue 80GB-Platte da ist ;-) .

Ich würde mich
freuen, eure Meinung dazu zu hören und ganz besonders würde ich mich
freuen, wenn das noch vor dem Wochenende wäre ;-) Hinterher ist
natürlich auch noch schön.

Einige sehr interessante Stellen möchte ich zwar mit Verspätung aber
dennoch kommentieren. Ich zitiere die entsprechenden Passagen
ausführlich. Bevor mir's wieder entfleucht auch vor StefanMz'
Kommentare gelesen zu haben.

 Selbstentfaltung und Aufklärung

Das finde ich eine interessante Betrachtung, Selbstentfaltung zur
Aufklärung in Beziehung zu setzen!

Aufklärung wurde von Kant bezeichnet als ``die Befreiung des Menschen
aus selbstverschuldeter Unmündigkeit''. Das liesse sich durchaus auch
auf Selbstentfaltung anwenden.

Hmm... Die Mündigkeit klingt für mich erstmal nach einer Befreiung von
Herrschaft und evt. auch (Natur-)Notwendigkeit. Dabei bleibt's dann
aber auch stehen und der nackte Mensch mit seiner Freiheit im Regen.

Selbstentfaltung beschreibt für mich in diesem Raster mehr das, was
aus emanzipatorischem Denken der nächste Schritt sein müßte, nachdem
die Mündigkeit erreicht ist. Und das finde ich durchaus nicht a priori
klar.

Außerdem braucht man für eine
Gesellschaft, die auf Selbstentfaltung basiert, auch keinen Rückgriff
auf Götter, die natürlichen Feinde jeden Aufklärers, ja noch nicht mal
auf Moral, da es - ganz ähnlich wie im Liberalismus - jedes Menschen
Eigennutz ist, seiner Selbstentfaltung zu folgen.

Bingo! Die Moral brauchst du nämlich genau dann, wenn die Leute nackt
im Regen stehen!

Anders als im
Liberalismus wird jedoch die Selbstentfaltung der Anderen für mich
unmittelbar bedeutsam.

Und zwar - und das unterscheidet wirklich vom Liberalismus - in einer
*positiven* Rückkopplung.

Zunächst sieht es also so aus, als sei
Selbstentfaltung die Fortführung der Aufklärung.

Yep! Das ist ja eine faszinierende Perspektive :-) .

Doch stimmt das wirklich? Es handelt sich bei Selbstentfaltung ja um
eine Einstellung, die Menschen gegenüber ihren Beziehungen zu anderen
Menschen einnehmen und zwar eine empathische Einstellung. Das
verallgemeinerte Ich versucht in einem wie auch immer gearteten
kommunikativen Prozeß zu erahnen, was denn ein der Selbstentfaltung
des Anderen entsprechendes vorgehen wäre.

Hier würde ich widersprechen. Wieso so megamäßig empathisch? Wieso
kann mensch sich denn nicht verständigen darüber, was meine / deine /
unsere Selbstentfaltung begünstigt? Das ist doch vielmehr der Modus im
Kapitalismus, wo eben die ProduzentInnen die Vorlieben der
KonsumentInnen im Vorhinein erahnen müssen. Ein Prozeß, der durch die
zunehmende individuelle Massenproduktion im übrigen schon
konterkariert wird.

In der ``Dialektik der Aufklärung'' bezeichnen Horkheimer und Adorno

Noch was, was mir fehlt :-( .

Aufklärung meiner Interpretation nach als dem widersprechend, da sie
ein Prozeß der immer größeren Distanz zu den Dingen und letzten Endes
auch zu den Menschen ist: ``Ihr Ideal ist das System, aus dem alles
und jedes folgt.''

Vielleicht ist das ja auch nur der Überschwinger nach einer religiösen
Zeit?

Dann verwundert es auch nicht, daß eine aufgeklärte
Gesellschaft eine ist, die auf dem Individuum und seinem Eigennutz
basiert.

Ich finde das nicht naheliegend. Wie geht der Schluß?

Dem gegenüber steht der Mythos und die Zauberei., die mit
Nachahmung (Mimesis) sich versucht in das Objekt - ob Mensch, Tier,
Pflanze oder Ding - hineinzuversetzen um so die eigene
Handlungsfähigkeit zu verbessern.

Na ja, Anwendung von Naturgesetzen (vulgo: Technik) ist aber auch
nicht wesentlich vom Hineinversetzen unterschieden - eben in andere
Kategorien als bei vorherigen Wissenschaftssystemen.

Und genau das ist es ja, was
Selbstentfaltung als empathische Praxis versucht.

Hmm... Na ja, ein gewisses Hineinversetzen in die anderen ist
natürlich schon von Vorteil. Vielleicht ist das doch ein bißchen
empathisch. Na ja, das klingt für mich irgendwie so magisch /
intuitiv. Aber wahrscheinlich ist es in vielen Fällen auch technisch.

Ist Selbstentfaltung also eine magische Praxis? Wenn man sich anguckt,
in welchem Kontext das Wort noch gebraucht wird, wird man sehr viele
doch ein wenig esoterisch anmutende Quellen finden. Nach obiger
Erkenntnis wäre das dann ja auch kein Zufall. Fairerweise sollte man
aber erwähnen, dass dort das Wort meist ohne die von uns verwendete
Erklärung auskommt.

Auch das alte christliche ``Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!''
ist ja nicht so weit entfernt vom Selbstentfaltungsgedanken.

Da ist was dran.

Wie verhält sich also Selbstentfaltung zu Aufklärung und Mythos? Ich
sage es ist ein Versuch Aufklärung weiterzutreiben und dabei deren
Dialektik zu berücksichtigen um den Umschlag in Barbarei, wie er in
der ``Dialektik der Aufklärung'' beschrieben wird, zu verhindern.

Dem könnte ich mich anschließen :-) .

Zu den vertrauteren Sachen von wegen Ausstieg und so enthalte ich mich
mal zur Abwechslung.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan
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Unread: 84 [ox], 33 [ox-en]

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Organisation: projekt oekonux.de


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