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[ox] Re: Freie Baupläne oder Freie Produktion, was: Re: [ox] Duesseldorf Bericht



hallihallo!

ich habe mir jetzt mal längere zeit gedanken über die zwei positionen
gemacht, die franz beschrieben hat. (mail hängt unten dran.) dabei leuchtet mir
nicht ganz ein, wieso die zwei positionen nicht zueinander passen sollten. also
für mich zumindest stellt sich die situation wie folgt dar:

nehmen wir an, jemensch entscheidet sich für die position 1
(produktivkraftentwicklung), dann bleiben noch immer einige fragen offen: die frage danach,
wie die produktion herrschaftsfrei vonstatten gehen kann. oder die frage
danach, wie der austausch bzw. die verteilung der produkte herrschaftsfrei
vonstatten gehen kann. und bei beiden drängen sich mir die lösungen der position 2
auf: technische details für alle freigeben  (internet?) und produktions- und
verteilungsstrukturen dezentralisieren. oder gibt es hier tatsächlich die
position, die eine freie massengüterproduktion anstrebt?

oder nehmen wir an,  jemensch entscheidet sich für die zweite position
(freie baupläne+dezentralisierung), dann bleiben ebenfalls einige probleme übrig:
denn in vielen fällen wird die produktivkraft der freien produktion super
gering sein. und hier braucht es dann eben eine produktivkraftentwicklung, die
tatsächlich für freie produktion nutzbar gemacht werden kann.

insofern würden sich mir immer noch  folgende fragen stellen:

- wie kann es möglich sein, die produktivkraft einzelner freier projekte zu
erhöhen?
- was bitte ist "fabber"?
- wie sollten solche projekte sich entscheiden, wenn sie zwischen
unproduktiver eigenproduktion und entnahme aus der "unfreien" sphäre wählen dürfen?
- wann startet endlich das internetprojekt zur verbreitung von
bauanleitungen für espresso- und waschmaschinen?

fragen über fragen.

bunte grüße

schmendrik



die Diskussionen um die Problematik gab es schon, aber wir sind noch zu
keinem
wirklich konsensualen Resultat gekommen. Insoferne ist Schweigen die
nichtadäquate
Reaktion.

So wie ich sehe gibt es immer noch zwei scheinbar diametral
entgegengesetzte Positionen
in Oekonux (obwohl sich die nie wirklich extrem äußern)

Die eine Position setzt auf die "Nichtknappheit materieller Güter durch
 
Produktivkraftentwicklung". Dazu paßt die Suche nach
Automationstechnologien 
wie Fabber etc. - nennen wir sie einfach "Freie Produktion".

Die Position hat viel für sich, denn tatsächlich ist das Potential
materieller 
Produktion durch Wissenschaft und Technik enorm gewachsen. DAs hat immer
 weniger mit stofflichem Output zu tun, immer mehr auch mit der Ressource
n-
effizienz. Wir erleben es handgreiflich, daß die Produkte selber immer
billiger
werden, weil die gesellschaftliche Durchschnittsproduktivität steigt. D
As
Resultat
ist, daß zunehmend künstliche Differenzierungen an den Produkten
hergestellt
werden, die Kids an Marken gewöhnt werden etc.

Die andere Position, die ich dezidiert vertrete, setzt auf die
"Verbreitung freier
Baupläne" und auf die Dezentralisierung der Produktion. NAtürlich nic
ht
der 
Waschmaschine, aber sozusagen als Generalthema. Maschinen sollen möglic
hst
dezentrale Stoffkreisläufe am Laufen halten, die sich selbst "ernähre
n",
dann
ist auch die Unterhaltung globaler Städte als Inkubatoren und Supporter
solcher
Prozesse kein Problem mehr. Aber zunehmend werden MAschinen mit Hilfe von
Maschinen gebaut, und eine rationelle Produktion würde weniger auf
Kaffemaschinen
und Waschmaschinen beruhen als auf der Produktion von Modulen (z.B.
Motoren,
Rührwerken, Mahlwerken) die sich lokal zusammenbauen und kombinieren
lassen.

Hinter dieser Position steht auch die Einsicht, wie viel an der zentralen
Produktion
auf Verarmung und Verelendung der Peripherien beruht, auf die regelrechte
Abschaffung jeder Subsistenzmöglichkeit als Voraussetzung der
unbeschränkten 
Erpressungsverastaltung, die sich Weltwirtschaft nennt.

DAs Schöne ist daß die Positionen eben nur scheinbar diametral
entgegengesetzt
sind, mir hat das Posting von Stefan Merten mit den Containern unlängst
sehr
gut gefallen. Die Lösung ist sicher in der Mitte, daß die Monopolisie
rung
zentraler
und kooperativer Ressourcen als ein gewaltiger Irrweg erkannt werden wird
und in einem Gegenschlag zum Neoliberalismus sich eine neue Strömung in
der Gesellschaft herausbilden wird. Nur wird diese Strömung eben nicht 
mehr
von nationalstaatlichen Strukturen und Denkweisen ausgehen können. Der
Nationalstaat und die Form des Politischen sind Auslaufmodelle, sie haben
bei
der Organisation kooperativer Ressourcen historisch versagt.

Wir sind momentan in einer verdammt blöden Situation, denn auf der
Makroebene 
zeichnen sich keine wirklich brauchbaren Strukturen ab. Auch die Freie
Software ist noch nicht an dem Punkt angelangt, den sich viele wünschen.

Aber das war immer so vor Revolutionen. Als sich die Bürger versammelte
n,
nannten sie sich "der Dritte Stand" und definierten sich in bezug auf die
anderen
gesellschaftlichen Kräfte. Heute heißt das eben der "Dritte Sektor".
Jenseits
von Markt und Staat, wie damals jenseits von Kirche und König.

Aber das war eine Abschweifung. Du siehst, wir wissen relativ wenig übe
r
die
Form wie sich kooperative Ressourcen in Zukunft organisieren lassen. Du
selbst
mit Deinen Beiträgen bist ein Teil der Lösung. Ergreife Partei für 
eine
der beiden
Positionen, schaffe eine dritte, zeige kleine gute Beispiele auf die sich
verallgemeinern
lassen. Erst am Ende wird alles so ausschauen, als sei es immer schon
prädeterminiert
gewesen.

Franz Nahrada


PS: ot: mir fällt grad auf, daß der größte Wahnwitz der Geschicht
e ist,
daß der
Neoliberalismus es geschafft hat, die Totalmonopolisierung kooperativer
Ressourcen
als "Entmonopolisierung" zu bezeichnen. Aber jeder hat sich eben als
kleiner
Bill Gates gesehen und als Teilhaber der New Economy und so fiel der
Wahnsinn
nicht weiter auf. Heute wissen wir: eine derartige Verarmung und Beraubun
g
hat es
in der gesamten Geschichte nicht gegeben - nicht nur absolut, sondern auc
h
und vor allem im Vergleich zur Entwicklung der Produktivkräfte. Der
Neoliberalismus
steht zunehmend nackt und ohne Kleider da, und wenn es jemand wagt über
diese "Entmonopolisierung" zu lachen, dann wird sich dieses Lachen zu ein
em
Donner verdichten.


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