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Re: [ox] Re: Freie Bauplaene oder Freie Produktion



Hi Schmendrik!

4 days ago Schmendrik Zauberer wrote:
nehmen wir an, jemensch entscheidet sich für die position 1
(produktivkraftentwicklung), dann bleiben noch immer einige fragen offen: die frage danach,
wie die produktion herrschaftsfrei vonstatten gehen kann. oder die frage
danach, wie der austausch bzw. die verteilung der produkte herrschaftsfrei
vonstatten gehen kann.

Ach ja "herrschaftsfrei". Mehrere Punkte zu diesem Begriff von meiner
Seite:

* Solange wir nicht wenigstens einigermaßen klar haben, was Macht /
  Herrschaft eigentlich bedeutet / bedeuten soll, lasse ich die
  Begriffe mal lieber weg. Andernthreads ist die Diskussion ja
  immerhin scheinbar wieder in Gang gekommen.

* Rückfallposition für mich wäre hier die Gewaltfreiheit, was
  strukturelle Gewaltfreiheit einschließt. Ist auch schon haarig
  genug.

* All diese Kategorien sind ziemlich moralisch. Zumindest mir geht es
  aber bei dieser ganzen Diskussion hier zumindest nicht nur um
  moralische Kategorien. Mir geht es zunächst mal darum, eine
  Entwicklung zu analysieren, weiterzudenken und dabei auch auf ihren
  emanzipativen Gehalt abzuklopfen.

* Na ja, wenn ich nicht an ihr emanzipatives Potential glauben würde,
  wäre ich nicht hier ;-) . Aber was Emanzipation genau wann für wen
  bedeutet, finde ich alles andere als klar. Nationalstaaten waren
  auch mal emanzipativ - um ein historisches Beispiel zu bemühen.

und bei beiden drängen sich mir die lösungen der position 2
auf: technische details für alle freigeben  (internet?) und produktions- und
verteilungsstrukturen dezentralisieren.

Hier denkst du immer noch in der Kategorie, daß Verknappung einen
Gewinn für die VerknapperInnen bedeutet. Freie Software zeigt aber
genau das Gegenteil ("Die Selbstentfaltung aller ist die Voraussetzung
für die Selbstentfaltung der Einzelnen und umgekehrt").

D.h. zu Ende gedacht: Selbst wenn Menschen die Möglichkeit zur
Verknappung haben, schneiden sie sich ins eigene Fleisch wenn sie sie
nutzen. Diese Umkehrung der Interessenlage ist für mich überhaupt
einer der Kerngedanken eines Übergangs zu einer GPL-Gesellschaft.
Jetzt ist "nur noch" zu zeigen, daß dieser, aus der
Produktivkraftentwicklung gespeiste und in der Freien Software bereits
gut sichtbare (Keimform) Trend dominant werden kann.

Deine Sichtweise oben führt zu Ende gedacht zur Forderung nach
Autarkie, weil du nur so völlig unabhängig von möglichen Bösewichtern
bist. Und das wiederum bedeutet letztlich Subsistenz. Ich halte es
aber für völlig offensichtlich, daß das erreichte Maß an (u.a.
materieller) Lebensqualität, das uns die Industrialisierung zumindest
potentiell gebracht hat, in Subsistenz schlicht nicht zu erreichen
ist. Stahl kochst du eben nicht im Hinterhof - um ein einfaches
Beispiel zu bringen. Dezentralisierung kann unter sachlichen
Gesichtspunkten sinnvoll sein - ein Zwang zur Dezentralisierung ist es
sicher nicht.

oder gibt es hier tatsächlich die
position, die eine freie massengüterproduktion anstrebt?

Unter meinen obigen Überlegungen: Was spricht dagegen? Was ist gegen
eine zentrale Fabrik zu haben, die von einigen Fabrik-Hackern auf
Basis von Selbstentfaltung maintaint und optimiert wird und deren
Produkte durch ein Transportsystem an "Bedürftige" verteilt werden,
das seinerseits von einigen Transportsystem-Hackern maintaint wird?
Ich finde daran erstmal nichts Problematisches.

oder nehmen wir an,  jemensch entscheidet sich für die zweite position
(freie baupläne+dezentralisierung), dann bleiben ebenfalls einige probleme übrig:
denn in vielen fällen wird die produktivkraft der freien produktion super
gering sein. und hier braucht es dann eben eine produktivkraftentwicklung, die
tatsächlich für freie produktion nutzbar gemacht werden kann.

Ja. Zumindest ich sage nicht, daß die GPL-Gesellschaft das Zauberreich
ist, bei dem die Menschen nur mit dem Finger schnippen müssen. Auch
dann wird es Probleme und Konflikte geben. Es wäre allerdings zu
hoffen (und m.E. zu erwarten), daß diese Probleme und Konflikte unter
Nicht-Entfremdungs-Bedingungen weniger gewaltförmig - incl. "Gewalt"
gegen die Natur - ausgetragen werden als heute.

insofern würden sich mir immer noch  folgende fragen stellen:

- wie kann es möglich sein, die produktivkraft einzelner freier projekte zu
erhöhen?

Z.B. durch Automatisierung. Zumindest für den Bereich der (zunehmend
individualisierten) Massengüter exerziert uns der Kapitalismus ja
schon vor, was da geht.

- was bitte ist "fabber"?

Wirf mal einen Blick auf

	http://www.oekonux.de/projekt/links.html

und suche danach.

- wie sollten solche projekte sich entscheiden, wenn sie zwischen
unproduktiver eigenproduktion und entnahme aus der "unfreien" sphäre wählen dürfen?

Na, wie sie Bock haben natürlich. Wenn ich mich bei einer Tätigkeit
selbstentfalte kann es mir doch völlig egal sein, ob ich dabei - nach
welchen Kriterien eigentlich? - unproduktiv bin oder nicht.

- wann startet endlich das internetprojekt zur verbreitung von
bauanleitungen für espresso- und waschmaschinen?

Vielleicht, wenn du eine entsprechende Web-Site eröffnest ;-) .

fragen über fragen.

Nur so kommen wir weiter :-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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