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[ox] TELEPOLIS: Tod einer Kritik



Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org> gesandt.

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Dieser Artikel birgt eine interessante Überlegung, die im Kommentar
http://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=1938707&forum_id=308
68 ausgedrückt wird:
"Lustigerweise kann ich aus jeder Information jede andere Information 
gewinnen, wenn ich sie nur entsprechend dekodiere! Wenn man sich die 
Sache weiterdenkt, werden jegliche Copyright-Überlegungen ad absurdum 
geführt."


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 Tod einer Kritik
 
 Michael Thomas   27.06.2002 
 
 Walsers umstrittenes Buch als Perl-Script im Internet 
 
 Es gab ein langes Hin und Her zu Martin Walsers neuen Roman "Tod eines 
Kritikers": Zunächst hatte im Mai die Frankfurter Allgemeine Zeitung es 
abgelehnt, eine Vorabversion des Manuskripts abzudrucken, da die 
Hauptfigur des Romans eine allzudeutliche Ähnlichkeit mit dem 
bekannten, jüdischen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki aufwies, 
vor allem aber, weil der Roman ein "Repertoir antisemitischer 
Klischees" enthielt. 
 
 Eine wilde Debatte entspann sich nun in den Feuilletons der deutschen 
wie internationalen Medien, die daraufhin mit einer Kopie des 
Manuskripts vom Suhrkamp Verlag belieferte wurden. Dies geschah zum 
Teil über den Versand eines, wie sich zeigen sollte, verhängnisvollen 
PDF-Dokuments, was zur Folge hatte, dass nicht lizenzierte Kopien im 
Internet auftauchten. 
 
 Während sich der [1]Suhrkamp Verlag dann schließlich trotz 
"kontroverser Diskussionen und Bedenken, die im Haus bestehen", dazu 
entschloss, den Roman "Tod eines Kritikers" am 26. Juni 2002 vorzeitig 
zu veröffentlichen, war jedoch auch [2]textz.com auf das 
Walsermanuskript aufmerksam geworden. Als Pool für elektronisch 
publizierte, kritische Textproduktionen schien man hier jedoch nicht 
besonders von Walsers Werk angetan zu sein und beförderte auf der 
Website eine Datei mit dem Titel "walser.pdf" kurzerhand in den 
virtuellen Trashordner. Eine literaturkritische Randnotiz, die Folgen 
haben sollte. Denn kurze Zeit später erhielt textz.com von Anwälten des 
Suhrkamps wegen angeblichen Urheberrechtsverstößen eine [3]Abmahnung. 
 
 Pikanterweise verbirgt unter der verdächtigen Dateibenennung 
[4]walser.pdf nicht etwa das berüchtigte Walsermanuskript, sondern 
Bruce Sterlings Veröffentlichung "The Hacker Crackdown - Law and 
Disorder on the Electronic Frontier", ein von dem amerikanischen Autor 
als sogenannte "Literary Freeware" freigegebenes und autorisiertes 
E-Book, das sich mit den urheberrechtlichen Streitigkeiten und 
Grauzonen des elektronischen Publizierens auseinandersetzt. Die 
Betreiber von textz.com verstießen somit also keineswegs gegen die 
Veröffentlichungsrechte des Suhrkamp Verlags, dessen Rechtsabteilung 
schließlich nach einer kurzen Mailkorrespondenz auch nichts weiter von 
sich verhören ließ. 
 
    $z .= 
"64000a20212728292c2d2e2f303132333435363738393a3b3f4142434445464748494a4
b4c4d4e4f";
 $z .= 
"505152535455565758595a6162636465666768696a6b6c6d6e6f7071727374757677787
97a849293";
 $z .= 
"9697a9b4c4d6dcdfe0e1e4e7e8e9edf1f3f4f6fbfc0c022635474a40460a373c4850435
1103b5147";       
 
 Am 24. Juni führte textz.com nun diesen Literaturstreich noch einen 
Schritt weiter: Statt Walsers Manuskript, an dessen Verbreitung 
unabhängig von der eigentlichen Verlagspublikation nach wie vor mit 
Sicherheit ein großes öffentliches Interesse vorhanden ist, direkt als 
Textdatei zum Download anzubieten oder einen weiteren Link auf eine 
entsprechende Kopie zu setzen, hat textz.com den 10.000 Zeilen 
umfassenden Quellcode eines Perl-Scripts [5]veröffentlicht, das über 
einen entsprechenden Perl-Interpreter eine ASCII-Textversion zu Walsers 
"Tod eines Kritikers" generieren kann. 
 
 Ausdrücklich weist textz.com auf seiner Website daraufhin, dass dieses 
Skript nicht ohne die ausdrückliche, schriftliche Genehmigung des 
Suhrkamp Verlags in Frankfurt ausgeführt werden darf. Auch gehöre das 
"Reverse-Engineering der Schriften eines senilen deutschen 
Revisionisten nicht gerade zum Kerngeschäft von textz.com". Als freie 
Software unter der GNU General Public License der Free Software 
Foundation jedoch darf der Sourcecode frei verteilt und modifiziert 
werden. 
 
 Links 
 
 [1] http://www.suhrkamp.de
 [2] http://textz.com
 [3] http://textz.com/trash/walser.txt
 [4] http://textz.com/trash/walser.pdf
 [5] http://textz.com/trash/walser.pl.txt
 
 Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/on/12807/1.html 
 
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