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[ox] Freie Musix auf der 2. Oekonux-Konferenz (was: WOS2 Open Music Panel in der Presse)



On Wednesday 26 June 2002 08:12, Benni Baermann wrote:
Hallo!

On Wed, Jun 26, 2002 at 03:21:42AM +0200, Thomas Uwe 
Gruettmueller wrote:
Der zweite, IMHO noch seltsamere Artikel:
"Die Lizenz zum Klauen"
taz Nr. 6577 vom 18.10.2001, 239 Zeilen, VERENA DAUERER
http://www.taz.de/pt/2001/11/05.nf/isText.idx,9.ausg,is_2001
10

Der Artikel ist zwar seltsam, macht allerdings mitten in dem
ganzen Wust tatsächlich darauf aufmerksam worin IMHO der
Knackpunkt in der Diskussion besteht:

  "Da steht das fertige Musikstück als künstlerisches
Endprodukt einem Konzept des unfertigen Programms gegenüber,
das abhängig von seinen Bugs und den technischen Neuerungen
durch die ständige Weiterentwicklung in neue Versionen
perfektioniert werden muss."

Für mich besteht dieser "Knackpunkt" nicht. "Stabile" Versionen 
sind "fertige" und vice versa, bei Musik nicht anders als bei 
Software.

Weitergedacht bedeutet das, dass Freie Musik nur funktioniert
wenn die beteiligten eine andere Vorstellung davon kriegen,
was es heisst Künstler zu sein. Nur wenn man tatsächlich
willig und in der Lage ist das bürgerliche Kunstverständnis
des (mehr oder weniger) einsamen Genies, das ein - möglichst
ewiges - "Werk" schafft, hinter sich zu lassen, kann Freie
Musik oder auch jede andere Form Freier Kunst Erfolg haben.

Stimmt. Wenn der Künstler einer ist, der genial ist, und das 
Kunstwerk nur eine Dokumentation seiner Genialität, ist es 
quasi als Urkundenfälschung anzusehen, dieses 
weiterzubearbeiten. 

Anders, wenn der Künstler lediglich einer ist, der Kunstwerke 
erstellt, wobei "Kunstwerk" nicht bloß als "das Werk eines 
Künstlers" definiert ist. 

Interessant sind in diesem Zusammenhang Werke, deren 
Urheberschaft nicht bekannt ist, z.B. Skulpturen aus der 
Steinzeit oder im Bereich der Musik: vorurheberrechtliche 
Folklore. Bei diesen Kunstwerken ist völlig egal, wer der 
Künstler war; sie sind allenfals Zeugnisse einer genialen 
Menschheit.

Ebenfalls interessant ist, was im Falle eines allgemeinen 
Wechsels des Kunstverständnisses aus solchen Kunstrichtungen 
würde, die ausschließlich kommunikatives Handeln des Künstlers 
darstellen und deren Werke darüber hinaus keinen Inhalt haben.

BTW: Bei kopierbaren Werken sind ewige unveränderte Archivierung 
und Veränderbarkeit kein Widerspruch mehr, oder?

In einem gewissen Sinn trifft das übrigens auch für Freie
Software zu. Zum Beispiel wird die Vorstellung das man den
Beruf des Programmierers/Informatikers

Softwareschmied ;o)

was auch immer erst
lernen müsste und dann getrennt davon auf die Menschheit
losgelassen würde, wie es ja das klassische bürgerliche
(fordistische?) Modell von Ausbildung ist, zerstört. Die
Software wird - wenn sie frei ist - ebenso sehr zum Produkt
wie zum Ausbildungsmittel. Ja die Software weckt sogar bei
manchem dadurch dass sie Frei ist und man sie verändern kann,
wie man möchte, erst das Interesse am Programmieren.

Noch weiter gedacht, bedeutet dass schliesslich auch, dass das
Projekt von Freier Software als Keimform einer Freien
Gesellschaft nur gelingen kann, wenn die Vorstellungen davon,
was es heisst zu produzieren, zu konsumieren, ja letztlich zu
leben, sich ändern. Möglicherweise geschieht dies aber schon
längst, wer weiss.

:o)

cu,
Thomas
 }:o{#
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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