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Re: [ox] Boden(un)recht



Die nachholende Modernisierung auf diesmal neoliberaler Grundlage, die
uns Herr Pilch anempfiehlt, hatten wir ja schon; sogar der
Realsozialismus war ja eine solche, und was dazu zu sagen ist, hat
Robert Kurz im "Kollaps der Modernisierung" ausreichend analysiert
(wiewohl ich mit ihm bei Gott nicht in allem übereinstimme).

Ich hatte nicht vor, irgendeine Art der Modernisierung zu empfehlen. Auch
trete ich nicht für einen "Kapitalismus" oder sonstigen Systementwurf ein.
Erst indem man die Realität zu einer Utopie stempelt ("Kapitalismus" als
ein Systementwurf unter vielen), kann man die eigene Utopie realisierbar
erscheinen lassen.

Die heutige Form der nachholenden Industrialisierung ist auf
Exportorientierung der Schwellenländer aufgebaut, da entstehen
Produktionsinseln mit Steuervergünstigungen usw., aber die paar
Beschäftigten da verdienen äußerst schlecht und tragen zur
Binnennachfrage kaum etwas bei;

Sie tragen zur Entwicklung der Länder ziemlich viel bei.

aber erst derAufbau einer Kaufkraft im Binnenmarkt könnte diese nachholende
Industrialisierung zum Erfolg führen.

"Erfolg" kann man immer definieren, wie man es braucht.  Es ist auch
fraglich, ob hier überhaupt einigermaßen unabhängige und
entscheidungsfähige Nationalstaaten mit nationaler Volkswirtschaft
angestrebt oder erreicht werden.

Obendrein hatten die europäischen
Länder für ihre Industrialisierung viel mehr Zeit, und außerdem wurde der
nationale Markt durch hohe Zölle usw. abgeschottet. Die heutigen
Schwellenländer jedoch sind oft auf flüchtiges Spekulationskapital
angewiesen, das jederzeit wieder abgezogen werden kann, wie man während der
Asien-Krise überdeutlich gemerkt hat.

Immerhin ist Japan länger und nachhaltiger von der Krise geschüttelt als
die asiatischen Schwellenländer.

Auf dieser Grundlage kann man weder planen noch eine vernünftige
Politik machen. Der Erfolg von China beruht darauf, dass dort 1.) eine
äußerst autoritäre Regierung mit dem Holzhammer industrialisiert und
2.) rigide Kapitalkontrollen durchführt, ferner werden Joint-Ventures
mit ausländischen Firmen so gestaltet, dass sich die Chinesen das Heft
nicht aus der Hand nehmen lassen.

Die Regierung Chinas ist weniger autoritär und weniger effektiv, als viele
sich das vorstellen.  Die wesentlichen Bedingung für die derzeitige
wirtschaftlichen Entwicklungen sind m.E. vor allem

  (1) eine gewisse politische Stabilität in einem großen Raum
  (2) große Reserven an bitterarmen, fleißigen und intelligenten Menschen

Das sind nur wenige Punkte. Die sog. "Strukturanpassungsprogramme" vom
IWF habe ich jetzt total außen vor gelassen.

Du bist ohnehin weiter ins Detail gegangen als zur Bewertung meiner
Kernaussage nötig war.  Die lautet:

- Unsere Wohlstandsansprüche sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen
  Entwicklung, deren Voraussetzungen nicht mehr bestehen.
- Ergebnisse dieser Entwicklung, wie z.B. hohe Lohn- und Wohnkosten,
  werden wieder abgebaut werden.  Je langsamer, desto länger die Krise.

-- 
Hartmut Pilch, FFII e.V. und Eurolinux-Allianz            +49-89-12789608
Innovation vs Patentinflation                       http://swpat.ffii.org/
120000 Stimmen 400 Firmen gegen Logikpatente    http://www.noepatents.org/



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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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