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[ox] Glasperlenspiel



Hallo liste,

  Aufgrund von Franz Nahradas Antwortmail machte ich mich vor kurzem mal
  auf, um in meinen alten Büchern das Glasperlenspiel von Hermann Hesse
  wieder auszukramen. Ich habe mal versucht das Buch im Zusammenhang
  mit Linux und der heutigen Welt in Zusammenhang zu bringen und bin
  doch irgendwie sehr bewegt von Hesses Utopie gewesen. Der Inhalt des
  Buches ist schwer darzulegen, man sollte es schon gelesen haben.
  Einen kurzen Abriss, so wie ich es sehe, möchte ich trotzdem
  versuchen hier darzulegen.
  Im wesentlichen geht es um einen jungen Mann, der einen magischen
  Moment in seinem Leben hat, als er einem Meister der Musik begegnet,
  der für ihn das höchste erreichbare Ziel und den Sinn seiner Studien
  darstellt. Er hat daraufhin das Glück in eine Eliteschule namens
  Kastalien aufgenommen zu werden, wo auch das Glasperlenspiel
  beheimatet ist, eine Art Universalsprache, die das gesammelte Wissen
  der Menschheit beheimatet. In ihr können Musik und Geschichte oder
  Mathematik codiert in ein Gesamtwerk 'gespielt' werden. In dieser
  Provinz namens Kastalien kann nun jeder sein Wissen erweitern und
  sich seinen Studien hingeben, ganz wie es ihm beliebt. Man ist
  befreit von weltlichen Leidenschaften oder Geldsorgen, man dient
  lediglich der kollektiven Struktur Kastaliens. Der Schüler, der hier
  beschrieben wird, versucht allerdings am Ende eine Synthese zwischen
  der Welt mit all ihren Hindernissen (Vita activa) und dem geistigen
  Prinzips Kastaliens (Vita contemplativa) zu erreichen.
  Er sieht in dieser Vereinigung, in diesem Fall zwischen Lehrer und
  Schüler, die höchste Anforderung eines Meisters der Wissenschaften.
  Das kann natürlich nur ein kurzer Abriss dieses vielschichtigen
  Buches sein.
  Nun zu meinen Ideen.
  Was mir an der heutigen Gesellschaft auffällt, ist das Fehlen eines
  magischen Momentes. Indem ich mich in der Welt umschaue, erlebe ich
  eigentlich eine gewisse Resignation, was Veränderungen angeht. Man
  scheint das Ziel erreicht zu haben, wo es den Menschen am besten
  geht. Die Demokratie ist erreicht, man hat (jedenfalls in Europa)
  eine gewisse Synthese zwischen Sozialismus und Kapitalismus erreicht
  und der Konsum erreicht ungeahnte Höhen. Die letzten Wehen eines
  Umbruchs habe ich eigentlich nur in den 70 und frühen 80ern erlebt,
  als die Musik und Literatur etc. experimentellen Charakter annahm.
  Ich traf mich damals zum Beispiel irgendwo mit Leuten und man machte
  Musik, ob man ein Instrument konnte oder nicht. Irgendwann ergab
  sich aus dem Zusammenspiel tatsächlich ein hörbares Erlebnis.
  Das letztemal, als ich so eine Wirkung verspürte, war auf dem
  Linuxtag, ein Grund warum ich hier mal poste, irgendwie eine
  Synthese zwischen Akademie und Welt. Das ist auch der Punkt, der
  mich an GNU/Linux so begeistert. Es geht mir dabei nicht darum, ob
  dieses System in irgendeiner Weise den geschäftlichen Modellen eines
  Officepaketes entspricht oder ob die Quellen was kosten oder nicht,
  sondern der spielerische Moment, wie dieses System entstand.
  Das ganze gibt einem das Gefühl an etwas beizutragen, wobei ich
  nicht zu den begnadeten Kodierern gehöre, und eine gewisse Hoffnung
  an ein System, das nicht sofort in geschäftliche oder militärische
  Ideen einzubinden ist, sondern vielleicht einen gewissen 'magischen
  Moment' verspricht.
  Ich möchte es hier mal dabei belassen, vielleicht ergibt sich ja eine
  Diskussion.
-- 
Bis denn,
 Uli H.                          Uli.ho gmx.net

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