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[ox] HyperCard, was: Technik



Thomas writes:


Wahrscheinlich meinst du Hypercard. Der Name ist hier zumindest 
schon öfter im Zusammenhang mit Mac und Benutzerfreundlichkeit 
gefallen. Dummerweise habe ich nicht die geringste Vorstellung, 
was das sein soll.

Ich kenne nur den GEM Desktop vom Atari ST (und neuerdings auch 
noch die PC-Version). Dabei handelt es sich um den Clone eines 
sehr alten Apple GUIs. Von Hypercard o.ä. noch keine Spur.

Kann mir mal irgendjemand in drei Sätzen erklären, wie HC 
funktioniert hat, und was so toll daran war? 

Mit Vergnügen! 

HyperCard war eine Synthese (das ganze ist aber VIEL mehr
als die Summe seiner Teile) zwischen 

1.einer einfachen Datenbank (Karteikastenmetapher) mit Feldern,
die auch als "Aufbewahrungsort für Textstrings" charakterisiert
werden könnte. So primitiv das "flatfile"-System war, so ausgefuchst
die Möglichkeiten mit Zeichenketten und Variablen zu arbeiten.
2. einer leicht zu erlernenden, aber sehr mächtigen objekt-
orientierten Programmiersprache (HYperTAlk) mit interpretiertem,
das heißt offenen (!!) Sourcecode. Hypertalk war voll eingebunden
in die Objektwelt von Buttons, Fields, Cards, Backgrounds, Stacks*)
3.einer graphischen Benutzeroberfläche (Jeder Benutzer konnte hier
erstmals Buttons anlegen und mit Funktionen verknüpfen und alles
Denkbare steuern, von anderen Programmen bis hin zu MusikCDs.
Der Clou lag in der Mischung von graphischer/textlicher Darstellung
und damit verbundenen Steuerungsfunktionen, HyperCard war das 
erste und vielseitigste Multimedium, das die Welt je gesehen hat. Und
vor allem das erste breit eingesetzte "assoziative" Informationsmedium:
Hyperlinks, Graphik, Sound verknüpft mit Texten, der Möglichkeit diese
auszuwerten und interaktiv zu gestalten. So "nebenbei" war HyperPaint
(die Malpalette) ein unschlagbar einfaches und mächtiges Pixelmal-
programm, selbstverständlich automatisierbar und animierbar.

Was HC so praktisch-spanned machte war darüber hinaus die Verknüpfung
von graphischen Objekten mit den Programmen ("Scripts"). So konnte
man relativ leicht aus bestehenden Applikationen (*"Stacks", steht
für Karteikartenstapel, so hießen HC-Dokumente) Funktionalität
für eigene Applikationen verwenden. HC-Erfinder Bill Atkinson 
hat deswegen von einem "Softwarebaukasten" gesprochen. Ich halte
HC vor allem für Schulen und Einsteiger auch für das beste Lerntool,
das es je gab. Copy and Paste genügt, eine kleine Sprachlernanwendung
ist in 5 Minuten gebaut!

Interssant ist, daß es heute noch, fast 10 Jahre nach dem Tod von
HyperCard, sehr viele Menschen gibt die damit arbeiten. Das geht
so weit, daß sich die HyperCard User auch weiterhin als Community 
betrachten, die unter beträchtlichem persönlichen Einsatz alles in
Bewegung setzen, damit Apple seine Kindeswegglegung endlich beendet.

Es handelt sich vielleicht auch um ein psychologisches Problem: Immerhin
wurde HyperCard von Jobs-Nachfolger John Sculley als erste wirkliche
technische Innovation nach Steve Jobs Weggang präsentiert (1987).
Spekulationen en masse über die Einstellung der Entwicklung Ende
der Neunziger finden sich z.B. unter http://www.quibble.com/hclist/ 
man gebe unter "Subject" ein: Steve Jobs,Carbonise oder Carbonize, 
HyperCard 3 und QTi. Auch Argumente, warum Apple den Schulmarkt
unter anderem zu verlieren droht. Die sollte auch Steve Jobs verstehen.

Das ganze ist aber trotz technischer Brillianz aber schon viel früher,
nämlich am Ende der Achtziger  dem damaligen Apple-
Management sehr rasch unheimlich geworden. Als nämlich nach einem
Jahr, also 1988, der Open Source Geist zu voller Blüte erwacht war,
(eine Million benutzergeschriebene Programme verschiedenster Qualität
waren damals im Umlauf), begannen auch schon die ersten Prozesse um 
kommerzielle Verwertung und Urheberrecht. (Interactive Design
gegen Robertson R. Smith). 

Alles in allem eine kleinen Welt, die die große Welt des WWW und der
OpenSource schon Jahre zuvor vorwegnahm!!

Was die Usergroups betrifft, haben sie sich vor allem auf Ausstellungen
zu Wort gemeldet. Der letzte derartige Action war auf der AppleExpo in
Paris.
Die Standmiete, die Standgestaltung und das Standpersonal kommen alle
von den Usern...

Am 8.September02  erhielt ich die folgende Nachricht von Mark Schonewille,
dem Koordinator der Europäischen Benutzergruppen:

"Verehrte HyperCard Nutzer weltweit,

An diesem Montag wird unser eHUG Koordinator nach Paris fahren und die
Ausstellerausweise abholen. Am Dienstag morgen werden wir dann den iMac auf
unserem Stand anwerfen und Europa zeigen, was Sie alle mit HyperCard
entwickelt haben. Wir haben eine Sammlung extrem hochqualitativer Stacks 
usammengetragen, die wir der alten Welt präsentieren werden.

Einige der wirklich großartigen Demos sind u.a.: [disturbance]; Adventure
of
Fate; BOMBER III (DEMO); L'Atelier Musical; miXageBeta; Outside; Personal
Directory 2.2; Petits Mots 1.0d; The Die Cast; WildFire Presentation; und
XMedia 1.1.2. Natürlich haben wir noch viel mehr und alles zusammen ergibt
damit etwa 100 MB herausragende Stacks und HyperCard basierte Programme.

Auf der Expo treffen wir User Group Leiter, Software Distributoren,
Revolution
Vertreter und jemanden von Apple Europa. Selbstverständlich werden wir uns
auch mit einer großen Besucherschaft von ca. 80.000 Menschen über
HyperCard unterhalten.

Wir sind allen zahlreichen Spendern äußert dankbar. Jeder hat damit
gezeigt,
daß HyperCard offenbar noch eine Investition wert ist. Diese Tatsache für
sich
genommen sollte bei Apple wie eine echte Aufforderung wirken. Bleibt uns
also
nur noch, nach Paris zu fahren und Apple zu zeigen, was die HyperCard
Gemeinde
im Stande zu leisten ist. So weit ich weiß, sind sowohl die europäische als
auch die internationale HyperCard User Group damit einzigartig."

das glaub ich wohl auch. Ich empfinde die MacWelt ohne HyperCard als fad.

http://www.soft-id.de/eHUG/
http://www.iHUG.org 

HyperCard hat verschiedenste Nachahmer gefunden, die aber trotz allem 
nicht technisch voll überzeugen. Derzeit die Nase vorn hat das im Text
erwähnte
Revolution, das auch unter Linux läuft. (ABER PROPRIETÄR IST)
mehr (inkl. Probierversion) unter
http://www.runrev.com/ 
Revolution ist in vielen Kleinigkeiten wirklich gut weitereentwickeltes HC.

Ein Versuch, das ganze als freie SW zu machen gab es auch:
http://freecard.sourceforge.net/
Ist aber fast so tot wie unser OSCAR. Dennoch interessant zu lesen, wie
sie die GPL modifizieren wollten.

jetzt sind es doch mehr als 3 Sätze geworden!

Franz







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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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