Re: [ox] Zukunftsprojekte aus der Vergangenheit, Artikel im "Freitag"
- From: Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net>
- Date: Tue, 26 Nov 2002 07:14:50 +0100
Hi, Bernd!
On Monday 25 November 2002 14:57, tian075 gmx.net wrote:
ein sehr interessanter Artikel. Ich denke auch, dass eine
Dekommodifizierung der Kultur die kapitalistische Logik in der
Gesammtgesellschaft zurückdrängen könnte. Hierfür wäre auch
eine Zurücknahme der Verschärfungen des Copyright notwendig,
etwa in der Legalisierung von P2P-Netzwerken, was übrings auch
das Webspaceproblem im Umsonstladenthreat lösen könnte.
Peer-to-Peer-Netze SIND legal. Das ganze Internet ist nichts
weiter als ein riesiges P2P-Netz, in welchem z.B. jeder
beliebige Rechner ein FTP- oder Webserver sein oder man Mails
von jedem zu jedem Rechner schicken kann, im Gegensatz zu BTX¹,
AOL, CompuServe und diversen Mailboxen mit der dortigen klaren
Unterscheidung zwischen Server und dummem Terminal.
Problematisch ist nur, daß nur wenige eine Standleitung mit
fester IP-Adresse haben. Bei Systemen wie Gnutella etc. geht es
IMHO nur darum, die Macken der degradierten Internetzugänge so
gut es geht auszubügeln.
Das Problem ist nicht die Legalität, sondern eher der Grad der
Zuverlässigkeit solcher Systeme. Angenommen, ich biete jeden Tag
von 17--22 Uhr GMT die Datei so-und-so mit Gnutella an, dann
erfährt davon jemand, der das System immer nur von 10--12 Uhr
benutzt, nichts. Ob er, wenn er zur selben Zeit wie ich online
ist, erfährt, daß ich es auch bin, ist ebenfalls nicht sicher.
Ebenfalls problematisch scheint mir die Effektivität. Gnutella
rödelt die ganze Zeit mit der vollen ISDN-Bandbreite rum, und
das nicht etwa, um irgendwelche tollen Inhalte
zwischenzuspeichern, sondern lediglich, um Suchabfragen
weiterzuleiten.
Jedoch stellt sich dann die Frage, wie die kulturelle
Produktion etwa von Software oder z.B. von Musik finanziert
werden soll, wenn sie nicht mehr als Waren verkauft werden
können.
Also, erstmal wird nicht die Software, bzw. Musik, sondern der
Daten- bzw. Tonträger verkauft. Der Inhalt wird dadurch zwar
zugänglich gemacht, aber geht nicht in das Eigentum des
"Käufers" über. Somit ist es IMHO nicht richtig, von "Verkauf"
zu sprechen.
Freie Software kann z.B. durch Garantie-, Wartungs- oder
Supportverträge finanziert werden. Auch auftragsgefertigte FS
ist möglich.
Bei Musik denke ich, daß die Frage der Finanzierung total
unsinnig ist. Die Musikindustrie produziert seit Mitte der 80er
nur noch grauenvolle Ohrenfolterungen, und Hobbymusik braucht
kein Geld.
Nach Lage der Dinge kann dies meiner Meinung nach in
breitem Masstab nur durch öffentliche Gelder geschehen, etwa
durch höhere Pauschalgebühren auf Computerhardware oder durch
Steuererhöhungen. Dazu ist aber kaum jemand bereit.
Die Einnahmen aus Pauschalabgaben dienen nicht der Förderung
freier Software oder Musik. Sie dienen überhaupt nicht als
Anreiz, sondern fließen direkt in die Schallplattenfirmen.
Eine Finanzierung aus Steuergeldern wäre sicher sinnvoll.
Momentan ist daran aber nicht zu denken, da im Moment ein
möglichst hoher Anteil der Steuern für die Tilgung der
Staatsschulden verwendet wird. Von daher wäre auch eine
Freie-Software-Steuer Blödsinn, zumal sie eh nicht für freie
Software verwendet würde. Im Übrigen werden ja demnächst Gelder
frei, die vorher in proprietäre Software gesteckt weurden und
jetzt in freie fließen KÖNNTEN.
Lieber werden Freiheitseonschränkungen wie bei
TCPA / Palladium hingenommen.
Diese Freiheitseinschränkungen dienen nicht der Förderung freier
Software oder Musik. Sie werden also nicht freier Software zu
Auch stösst das Open Source Modell, wo
ProgrammiereInnen nach Feierabend zusäzlich quelltextoffene
Programme entwickeln, meiner Meinung nach langsam an sein
Grenzen. Denn hier werden nur Programme entwickelt, die für
die ProgrammierInnen selbst wichtig sind, dies sind nicht
unbedingt solche, die von vielen Usern gewünscht werden.
(Beispiel: EMACS vs. nur rudimentär vorhandene Grafikprogramme
unter Linux)
An welche Sorte Grafikprogramme denkst du? Pixelgrafik ist IMHO
mit GIMP ziemlich gut abgedeckt. Bei Vektorgrafik sieht das
schon anders aus, aber wird die von vielen Usern gewünscht???
Egal... Bezahl einfach, zusammen mit ein paar anderen Usern, die
sone Programme brauchen, einen Programmierer.
cu,
Thomas
}:o{#
¹) BTX scheint es nicht mehr zu geben, aber alte Zeitungsartikel
darüber sind auch heute noch lustig.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de