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Re: [ox] Re: Repraesentation



Hallo Stefan und Liste,


Stefan Merten wrote:
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Hi Matthias und Liste!

Last week (7 days ago) Matthias Schulz wrote:

Ich schreibe jetzt auch mal was,


Welcome :-) .

Danke.


und das gleich zu so einem schwierigen Thema.


Ja, ein großes Rad, das wir hier drehen.


Ob das mal gut geht? ;-)


Klar :-) .


Am Sonntag, 1. Dezember 2002 15:20 schrieb Stefan Merten:

Last week (11 days ago) Olf Kaus wrote:

On Sun, Nov 17, 2002 at 02:52:51PM +0100, Stefan Merten wrote:

2 months (70 days) ago Stefan Meretz wrote:

[...]


Da es unmöglich für eine einzelne Gruppe
ist, für einen Menschen oder sogar viele Menschen zu sprechen...und
das ist keine Umdeutung, sondern Fakt.

Nun ist "für einen oder sogar viele Menschen" zu sprechen natürlich
ein dicker Hammer. Aber es geht ja gar nicht um diese Totalität
(jedenfalls nicht, wenn wir Staat / Gesellschaft / Multitude erstmal
außen vor lassen - was ich hiermit mal tue - auch weil ich da ja auch
meine Probleme habe).

Vielmehr geht es um *bestimmte* Interessen eines Menschen. Und du
wirst mir kaum widersprechen, dass du Interessen hast, die andere
problemlos für dich vertreten können. Und auch, dass du dich zu diesem
Zweck mit Gleichgesinnten zu einer Gruppe zusammenschließt.

Zu welchem Zweck?


Na, du gibst ihn doch selbst an:


Ich kooperiere mit Menschen um meine _eigenen_ Bedürfnisse zu erfüllen.


Im Modus der gegenseitigen Selbstentfaltung kann ich mir allerdings
auch indirekte Varianten vorstellen - d.h. du erfüllst andererleute
Bedürfnisse, um deren Selbstentfaltung zu steigern - und damit
indirekt deine eigene.

Genau. Ich erfülle auch andererleute Bedürfnisse, aber nur wenn ich es so will.


Nehmen wir
ein einfaches Beispiel und denken mal, dass du gerne Fußball spielst.
Wenn du das gerne tust, brauchst du ein paar MitspielerInnen - alleine
ist das wohl ein wenig fade. Außerdem brauchst du ein paar Utensilien,
zumindest aber einen Ball. Außerdem ein Gelände wo Fußballspielen
möglich ist.

Ok, ich suche Menschen, denen _je eigenes_ Bedürfnis es ist, Fussball zu spielen. Und wir suchen uns dann die Mittel dazu, aber aus je eigenem Interesse.


Ja, so meinte ich das.


D.h. aus deinem Bedürfnis nach Fußballspielen wächst eine bestimmte
Interessenlage. Diese Interessen kann doch problemlos jemensch anders
für dich vertreten - oder?

Ich denke, jemensch kann nur die eigenen Interessen vertreten.


Warum? Damit ist mensch sicherlich quasi auf der sicheren Seite - die
eigenen Interessen kennt mensch am besten. Aber es gibt 1000
Situationen, wo Menschen ganz legitimerweise andere als je eigene
Interessen vertreten.

Was verstehst du eigentlich unter "eigene Interessen"?
Mir ist doch bewusst, das ich meine Interessen nur gemeinsam mit anderen erfüllen kann (die meisten zumindestens). Also nehme ich doch Rücksicht auf die Interessen der anderen.


Was ist daran "böse Herrschaft", wenn sich
jemensch aus der FußballerInnengruppe aufmacht und einen Fußballplatz
besorgt?

Wenn dieser Mensch es zur Erfüllung eines eigenen Bedürfnisses tut, ist es nicht "böse".


DieseR Jemensch vertritt in diesem Moment aber gerade das
Interesse der Gruppe.

Nein, nur sein eigenes. Es stimmt zwar mit den Interessen der anderen überein, aber er vertritt nur sich selbst.


Na, das ist in der Praxis aber ein bisschen blöd. Die RepräsentantIn
kann ja eigene Interessen haben, die mit der Absprache nicht 100%
übereinstimmen. Wenn sie dann tatsächlich nur sich selbst vertritt,
wird sie von den anderen aber - zu Recht - was zu hören kriegen.
Tatsächlich repräsentiert sie dann nämlich nicht mehr das Interesse
der Gruppe.

Ok, da habe ich mich blöd ausgedrückt. Ich meinte mit dem übereinstimmenden Interesse das Fussball spielen. Aber angenommen sie möchte einen roten Fussball und die anderen einen weissen. Nun kann sie einfach einen roten besorgen. Dann sind aber die anderen vielleicht so böse mit ihr, das sie mit ihr kein Fussball mehr spielen. Also überlegt sie vorher, was ihr wichtiger ist. Ist ihr der rote Ball so wichtig, das sie dieses Risiko eingeht (Das hätte sie dann aber auch in der Absprache klar machen können, das sie nur mit einem roten Ball mitspielt)? Oder spielt sie lieber Fussball, und die Farbe des Balls ist nicht so wichtig? Sie wägt also ihre eigenen Interessen gegeneinander ab, sieht welche Möglichkeiten sie hat, und entscheidet sich dann.

Wenn dieseR Jemensch selbst nicht zu der
FußballerInnengruppe gehört - was ja denkbar ist -, dann vertritt
dieseR Jemensch bzgl. dem Fußballplatz nicht mal mehr ihr eigenes
Interesse.

Wieso sollte dieseR Jemensch es dann überhaupt tun?


Weil sie den FußballerInnen einen Gefallen tun will?

Genau, weil sie es so will. Also ist es doch ihr eigenes Interesse.

Die entfremdete Variante: Weil sie dafür bezahlt wird


Ein paar Gedanken:

In einer Gruppe schliessen sich Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen (in einem Bereich) zusammen.


Ja.


Vertritt ein Mensch seine eigenen Interessen, sieht es von außen so aus, als vertritt er die ganze Gruppe.


Hier gibt es unterschiedliche Rollen: Tritt der Mensch als
(ungebundenes) Individuum auf oder ist der Mensch Gruppenmitglied.
Wenn sie als Individuum auftritt - was ggf. explizit kenntlich gemacht
werden kann - dann ist die Vertretung in keinem Fall gegeben.

Ist ein Gruppenmitglied kein Individuum? Ab wann ist denn ein Mensch Mitglied? Ich möchte eigentlich immer ein Individuum bleiben und nicht ein Teil von irgendetwas sein. Ich weiss zwar, dass das Individuum sich erst historisch entwickelt hat, aber ich möchte es gerne behalten bzw. es weiter entwickeln. Individuum heisst für mich aber nicht, das ein Mensch nur für sich alleine lebt, also eine Monade ist oder sowas. Die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen von anderen Individuuen sind für mich doch wichtig. Ich kann mich in andere hineinversetzen, sie als Wesen wie mich selbst erkennen und ich kann mitfühlen. So kann ich ihnen dabei helfen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen, sich selbst zu entfalten und sich zu befreien. Nur dann kann ich auch frei sein!


Wenn er wirklich die ganze Gruppe vertritt (d.h. er empfindet es so), ist es tranzendent, ihm äusserlich.


Das ist eine interessante und legitime Frage die du da ansprichst.
Allerdings würde ich hier eher von Entfremdung sprechen. Ist das
wirklich so, dass nur meine je eigenen, bauchnabelorientierten
Handlungen nicht entfremdet sind? Kann ich nicht auch - bewusst und
gewollt - Rollen einnehmen, in denen ich nicht immer nur meinen
Bauchnabel vertrete? Ich denke, dass das ohne Entfremdung geht. Aber
ich würde dir recht geben, dass die Entfremdung da eine stete Gefahr
ist. Das kann beim Bauchnabel in der Tat per Definition nicht sein.

Ich weiss nicht so genau, was du mit dem Bauchnabel meinst. Aber wie oben erwähnt, sind die Interessen der anderen für mich von Bedeutung.


Damit bekommt die Gruppe ein eigenes Interesse und eine Identität.


Sagen wir: Eine Gruppe kann eine eigenständige Entität werden. Sie ist
von allen Individuen - auch ihren Mitgliedern - und von anderen
Gruppen und auch von der Gesellschaft unterschieden. Ersteres und
letzteres sind andere Kategorien.

Was unterscheidet eine Gruppe von allen Individuuen?


Es wäre aber m.E. zu kurz gedacht, diese Entitätsbildung erst im
Moment der Repräsentation anzunehmen. Eine Gruppe kann als
eigenständige Entität auch lange existieren, bevor eine Repräsentation
existiert. Vielleicht sogar ganz ohne.


Das Gruppeninteresse überformt dann die je eigenen Interessen der Mitglieder.


Es formt sie zumindest mit - wenn die Individuen als Gruppenmitglieder
auftreten.

Die Interessen von anderen Menschen formen meine Interessen mit, nicht das Interesse einer Gruppe. Eine Gruppe kann kein Interesse haben, es ist kein Subjekt.


In einer Gruppe ohne tranzendente Bezüge, kooperieren die Menschen nur über ihre Praxis miteineinader. Es gibt kein dem Individuum äusseres Interesse, das die Gruppe zusammenhalten müsste oder gar eine Richtung vorgibt.


Ja.


IMHO heisst das auch, das die Gruppe gar nicht existiert (im Sinne von keine Identität besitzt, nicht das "Wesen" ist), sondern nur eine Erscheinung ist, die aus der Praxis der Menschen entsteht.


Ich verstehe nicht ganz, wo da der Widerspruch ist. Eine Erscheinung
existiert ja auch - oder? Dass eine Gruppe die Folge von irgendetwas
ist, widerspricht dem ja nicht.

Ich meinte damit eigentlich nur, das es kein Gruppeninteresse, -standpunkt(swolke) gibt. Es gibt nur das Interesse von Menschen und die gibt es nur in individueller Ausführung, nicht in interindividueller. :-)

Meinst du, dass Gruppe als Begriff dann nicht zu diskutiert werden
braucht, weil es reicht die Praxis der Menschen zu diskutieren? Das
wäre für mich analog dazu, nicht vom Kapitalismus zu reden, weil es ja
genügt anzuschauen, wie die Menschen mit Geld umgehen.

Nein, bei diesen Diskursionen um Repräsentanz und Herrschaft frage ich mich sehr oft, was denn eine Gruppe eigentlich ist. Ich denke, dieser Begriff ist nicht klar (zumindestens mir nicht) und sollte vielleicht sogar zuerst geklärt werden.


Bis dann, Matti.

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Organisation: projekt oekonux.de


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