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[ox] heise online: c't aktuell: Ein steiniger Weg zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft



Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen
von "Stefan Merten <smerten oekonux.de>" gesandt.
Wir weisen darauf hin, dass die Absenderangabe nicht verifiziert
ist. Sollten Sie Zweifel an der Authentizität des Absenders haben,
ignorieren Sie diese E-Mail bitte.
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S. auch http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/14305/1.html
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c't aktuell: Ein steiniger Weg zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft



 Bis zum Jahr 2010 soll überall auf der Welt ein Zugang zum
Telekommunikationsnetz bestehen. Bis 2005 sollen alle Unis und
Krankenhäuser Netzzugang haben, bis 2010 alle weiterführenden und bis 2015
alle Grundschulen. Bereits 2010 soll jede Regierung per E-Mail erreichbar
sein und Mitte des zweiten Jahrzehnts sollen 90 Prozent der Weltbevölkerung
an ein Funknetz angeschlossen sein. Diese Zielvorgaben haben die Vertreter
internationaler Regierungen bei der zweiten Vorbereitungskonferenz des
UNO-Weltgipfels der Informationsgesellschaft (World Summit on the
Information Society, WSIS[1]) in ihren Entwurf für einen "Aktionsplan"[2]
geschrieben. Die Konferenz endete am Freitag in Genf, bereits im Juli will
man sich erneut in Paris treffen, um mit dem Aktionsplan und der
Erklärung[3] zur Informationsgesellschaft weiterzukommen, die auf dem
eigentlichen ersten Weltgipfel der Informationsgesellschaft im Dezember
verabschiedet werden sollen. 

 Beide Dokumente sollen im Dezember von den Staatschefs der Länder
unterzeichnet werden; noch sei man weit entfernt von einem
unterschriftsreifen Dokument, wie der Vertreter des Gastgeberlandes Schweiz
in der mehrfach unterbrochenen Abschlusssitzung betonte. "Wir sind noch
nicht glücklich mit dem Dokument", so das Schweizer Delegationsmitglied.
Dringend sollen nun das offizielle WSIS-Büro unter dem Präsidenten Adama
Samassékou und eine spezielle Arbeitsgruppe an den Dokumenten
weiterarbeiten. 

 Geduldsfaden

 Verfahrensdebatten darüber, wie stark die Arbeitsgruppe die jetzt
vorliegenden Entwürfe verändern darf, beschäftigten die Delegierten bis
weit in den Freitagabend hinein. Mehrfach mussten die Dolmetscher um eine
weitere Runde von Überstunden gebeten werden. WSIS-Präsident Samassékou
wurde es zwischendurch denn auch zu bunt: "Es gibt in diesem Prozess
keinerlei versteckte Agenda", verteidigte er die Arbeit des Büros und warb
um das Vertrauen der Delegierten. Allein mit der sinnvollen Redaktion der
in Genf entstandenden Patchworkdokumente dürfte das Büro bis zu der von der
UNESCO ausgerichteten Zwischenkonferenz in Paris beschäftigt sein.
Aktionsplan und allgemeine Erklärung überschneiden sich noch in einer
Vielzahl von Punkten.

 Von der "Global Digital Compact"-Kampagne -- zur besseren Zusammenarbeit
zwischen Regierung, Unternehmen und Zivilgesellschaft -- einem
"ICT-Development-Index" und einem geplanten
"Best-Practice/Success-Story-Handbuch" abgesehen wirkt besonders der
Aktionsplan noch überaus allgemein. Über weite Strecken versammelt er vor
allem die einschlägigen Vokabeln der Informationsgesellschafts-Debatte, von
E-Government über E-Health und E-Business bis zu E-Learning und E-Literacy.
Einige Sondervorschläge für eine Verbesserung des Einsatzes von
Kommunikationstechnologien auf dem afrikanischen Kontinent beinhalteten
etwa denVerzicht von Zollabgaben auf ICT-Güter bis zum zweiten WSIS-Gipfel,
der 2005 in Tuns stattfinden soll.

 Weiße Flecken

 Das Thema Sicherheit, für dessen Aufnahme in die Agenda sich ein Vertreter
der US-Delegation noch einmal in einer der Plenarsitzungen bedankte, ist
zwar noch prominent vertreten. Doch die Idee einer gemeinsamen Erklärung
für Sicherheit in den Netzen ist erst einmal einem Konzept einer "Globalen
Kultur der Sicherheit im Cyberspace" gewichen; die US-Vertreter hatten bei
der Konferenz die in Straßburg ausgearbeitete Cybercrime-Erkärung
allerdings noch einmal lobend erwähnt. Im Entwurf zur Erklärung heißt es
nun erst einmal: "Ein vielseitiger Ansatz ist nötig, um diesen
Herausforderungen und dem Phänomen Cybercrime an allen Fronten zu begegnen,
wobei der Schwerpunkt auf Prävention, nationalen Richtlinien und regionaler
und internationaler Kooperation liegen sollte".

 Fürs DNS-Root-Management[4] schlägt man sybillinisch eine internationale
Organisation oder internationale Regierungsorganisation vor. Mit
Glacé-Handschuhen haben die Regierungsvertreter auch die Reizthemen
Geistiges Eigentum, Patentierbarkeit von Software und Open Source
angefasst. Zwar wird eine "pulsierende Public Domain" als Voraussetzung für
die Wissensgesellschaft aufgefasst; auch der von US-Rechtsprofessor
Lawrence Lessig in die Diskussion gebrachte Begriff der Balance zwischen
Rechteverwertung und freiem Zugang wurde aufgegriffen. Allerdings sprechen
die Delegierten dem Schutz von Urheberrechten eine "vitale Rolle bei der
Innovation von Software, E-Commerce und damit zusammenhängendem Handel und
Investment" zu. "Es besteht die Notwendigkeit, eine faire Balance zwischen
dem Schutz des Geistigen Eigentums und den Interessen der Nutzer auf
Information zu gewährleisten", wobei die bestehenden internationalen
Verträge (TRIPS und WIPO) zu berücksichtigen seien. Open Source soll
immerhin "gefördert" werden.

 Fair Use

 Dies ist eine der Stellen, in denen die Empfehlungen der
Nicht-Regierungsorganisationen eklatant von der Position der Regierungen
abweichen. Sowohl in ihrer auf der Basis des Regierungsentwurfs
überarbeiteten Erklärung[5] zur Informationsgesellschaft als auch im
eigenen Aktionsplan[6] stechen die Punkte "offener Zugang zu
Informationen", "Open Software" und eine "stärkere Beteiligung von Frauen
an Entscheidungen und Planungen für die Informationsgesellschaft" heraus.
"Die Global Knowledge Commons und die Public Domain sind Eckpfeiler des
globalen öffentlichen Interesses. Sie sollten geschützt, ausgeweitet und
gefördert werden, insbesondere durch Open Source und kostenfreie Software",
heißt es in einer Ergänzung des Regierungstextes. Die NGOs hätten die
Regierungen nachdrücklich darauf hingewiesen, dass der Mensch im
Mittelpunkt stehe, sagte WSIS-Präsident Samassékou. 

 In ihrem eigenen Aktionsplan machen die NGOs mit Blick auf die von ihnen
gewünschte Balance von Informationsfreiheit und Schutz des Geistigen
Eigentums eine lange Reihe von Vorschlägen zur Informationsfreiheit:
Nichtkommerzielle Nutzung von Inhalten soll grundsätzlich als Fair Use
gelten, Kompilierungen in Datenbank sollen so keinem Copyright unterfallen,
Hyperlinking soll nicht behindert werden, wenn Quellen angegeben werden,
Bibliotheken sollen auch digitale Werke unbehindert verleihen können.
Peer-to-Peer- ebenso wie Open-Source-Software möchte man viel stärker
fördern sowie Software grundsätzlich von der Patentierbarkeut ausschließen.
Patente sollen an den ersten Erfinder und nicht dem ersten Patentanmelder
vergeben werden. Besonders setzt man darauf, Autoren dafür zu gewinnen,
ihre Werke auch auf eigenen Webseiten oder sogar über von der UN geförderte
Open-Access-Zeitschriftenportale zu vertreiben. Mit Blick auf die
Sicherheit mahnen die NGOs vor allem an, die Möglichkeiten von Überwachung
zu beschränken; staatliche Datenbanken und Projekte für ID-Smartcards
sollten mit großer Umsicht geprüft werden. 

 Trippelschritte

 Der gesamte Aktionsplan der Nicht-Regierungsorganisationen wirkt schon um
einiges konkreter als der Entwurf der Regierungen; Vorschläge betreffen
beispielsweise auch Dinge wie Elektrizität oder IP-Exchange-Punkte für
einen Kontinent wie Afrika, um kostspieliges Routing innerafrikanischen
Verkehrs über die USA zu verhindern. Doch so ganz haben die Regierungen die
Mitarbeit der Nichtkommerziellen -- die Unternehmen haben keine ähnlich
ausführlichen Vorschläge vorgelegt -- noch nicht akzeptiert.

 Am Freitag wurde von den Regierungen noch einmal ausführlich diskutiert,
ob zusätzliche Empfehlungen in das Schlussdokument integriert werden oder
aber in einen Annex kommen. "Zwei Schritte vor und einer zurück,"
beschreibt Wolfgang Kleinwächter, Völkerrechtler an der Uni Aarhus, den
Prozess. Sollten die Regierungen den Beitrag der NGOs nicht angemessen
berücksichtigen, dann erwägen die Vertreter der
Nichtregierungsorganisationen laut Kleinwächter ihre eigenen
Abschlusserklärung und auch ihren eigenen Weltgipfel der
Informationsgesellschaft zu veranstalten. (Monika Ermert) / (jk[7]/c't)

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 http://www.heise.de/ct/aktuell/data/jk-02.03.03-002/

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 [3] http://www.itu.int/dms_pub/itu-s/md/03/wsispc2/td/030217/S03-WSISPC2-030217-TD-GEN-0002!!MSW-E.doc
 [4] http://www.heise.de/newsticker/data/anw-20.02.03-007/
 [5] http://www.ngocongo.org/ngonew/WSIS-SCT-Principles-022703.doc
 [6] http://www.ngocongo.org/ngonew/WSIS-CS-ActionPlan-02272003.doc
 [7] jk ct.heise.de

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