Re(2): [ox] Welt - Gewalt - Ordnung - oder wozu Soziologie taugt
- From: f.nahrada magnet.at (Franz J. Nahrada)
- Date: Tue, 25 Mar 2003 11:56:30 +0100
liste oekonux.de schreibt:
Das alles _der_ Soziologie in die Schuhe zu schieben finde ich
natuerlich ein bisserl fies. Ich mein, wenn es Wissenschaften gibt,
die sich schonmal verantwortungsbewusst und aufgeklaert zu sich selbst
und der Gesellschaft verhalten haben, dann gehoert die Soziologie
sicher dazu. Dass das eher an den Raendern stattfindet versteht sich
dabei von selbst.
Wir standen vor 25 Jahren vor der selben Frage wie heute: inwiefern
hilft uns die Wissenschaft dabei, die von uns wahrgenommenen
Probleme, Schwachstellen, Fehler oder Charakteristika der Gesell-
schaft zu erklären und unserem Handeln Sinn, Richtung, Inhalt
und Perspektive zu geben.
Dabei kamen wir drauf, daß die Wissenschaft bestenfalls den
Tatsachen hinterherhinkt, und dies aus strukturellen Gründen.
Der Charakter ihrer Theoriebildung ist zugleich unpraktisch und
immanent fehlerhaft; die sieht von den Besonderheiten ihres
Gegenstandes ab und verwandelt ihn in den Ausdruck ihrer
Fragestellungen.
Damit will ich nicht sagen daß es nicht verantwortungsbewußte
und aufgeklärte Wissenschafter gibt und auch nicht, daß es
nicht auch gute Soziologie gibt. Aber das sind diejenigen, die
ihren Methodenapparat vergessen und trotz der soziologischen
Abstraktionen zur Realität vordringen.
Ich wollte aber mit diesem Posting drastisch deutlich machen,
daß in Sachen Herrschaftsdebatte diese Wissenschaft eben nichts
wirklich konstruktives beiträgt, und das in einem Moment, wo
wir die gewaltfreie Alternative schon mit Händen greifen können,
dank den Fortschritten auf vielen Gebieten, Ökologie, Technik,
Kommunikation.
Stefan hat sehr verdienstvoll das Herrschaftsproblem in seiner
soziologischen Fassung hier reingebracht. Nach dem Motto "Woran
sollen sich die Menschen denn orientieren", was ist gesellschaftliche
Synthesis, gerade wenn Herrschaft wegfällt!
Meine Antwort ist, daß sich die Menschen am Sachzwang orientieren
müssen, daß sie auf einem räumlich und ressourcenmäßig beschränkten
Planeten leben, daß aber dieser Planet zum Paradies werden kann, wenn
seine geistigen Ressourcen dazu eingesetzt werden, eine möglichst große
Vielfalt an menschlichen Lebensräumen und Lebensmöglichkeiten zuzu-
lassen. Das ist schlechterdings durch ein Gewaltregime nicht zu erreichen.
Aber wir müssen, wenn wir nicht die kriegerische Lösung wollen, auch
erkennen, daß es ohne eine umfassende Mobilisierung, ohne Training,
Forschung, Lernen auch nicht geht. Es muß, wenn Du so willst, ein Krieg
gegen den Krieg geführt werden.
Soziologie ist eine kontemplative Afterwissenschaft, die uns dafür keine
Handlungsanleitungen gibt. Sie kann uns nicht einmal sagen, wie gewalt-
freies Handeln geht.
Franz
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de