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Moralische Abnutzung (was: Re: [ox] Fwd: Werthaltigkeit von Informationsguetern)



Hi Holger, Graham, Liste!

Ich nehme mir mal die Freiheit in Deutsch zu antworten :-) .

Das Thema moralischer Abnutzung [moral depreciation] kam auf der Liste
schon ein paar Mal. Ich habe den Eindruck, dass es hier noch was zu
lernen gibt.

Last week (7 days ago) Holger Weiss wrote:
* Graham Seaman <graham seul.org> [2003-10-03 18:57]:
So, thinking along those lines, it seems natural to me that where a
system based on exchange value is preceded and followed by systems not
based on exchange value, at the beginning and end it will be hard to
say exactly what has value and what does not.

Das möchte ich BTW nochmal unterstreichen.

You could say that Word 97 has had moral depreciation relative to Word
2000 - but it seems again that MS has to deliberately create this effect
by creating incompatibilities which force users to upgrade. This is not
the same as the 'real' moral depreciation of say a steam engine relative
to an electric motor, as can be seen from the fact that this tactic is
beginning to fail - users simply do not believe there has been moral
depreciation.

Actually, I believe them ;-) I don't know about Word 97 -> 2000

BTW: Habt ihr die Versionssprünge bemerkt? Was ist mit Word 1587? ;-)

specifically, and you're probably right that they are forcing users to
upgrade by creating incompatibilities.

Ok, es gibt so etwas wie moralischen Abnutzung. Ich würde damit
bezeichnen, dass der bei seiner Produktion intendierte Nutzen eines
Produkts zwar noch gegeben ist, aus Gründen, die von diesem Nutzen
entfremdet sind, diese Nützlichkeit aber nicht mehr von den
EigentümerInnen wahrgenommen wird. Im Endeffekt landen voll
funktionsfähige Güter auf dem Müll - oder in der Altkleidersammlung -
oder in /dev/null. Mode ist m.E. der Begriff, der dieses Phänomen
treffend beschreibt.

Bei materiellen Gütern tritt eine moralische Abnutzung aber nur - und
das ist mir wichtig - *neben* die stoffliche Abnutzung. Auch wenn
meine Jeans vielleicht nächstes Jahr nicht mehr hip sind, kann ich sie
dennoch in einigen wichtigen Funktionen weiter nutzen. Aber irgendwann
kommt der Point-of-no-Return und sie ist wirklich nur noch ein Lumpen.

Diesen Point-of-no-Return gibt es bei Software aber nicht. Der bei
ihrer Produktion intendierte Nutzen steht so lange zur Verfügung, so
lange ich ein Ausführungs-Environment zur Verfügung habe, in dem sie
läuft. (Das Ausführungs-Environment ist auch kein Argument, weil das
auch virtuell sein kann - wie zahllose Emulatoren älterer Computer
beweisen.)

Worauf ich hinaus will: Während die moralische Abnutzung bei
materiellen Gütern ein Add-On ist, das wegen der materiellen Abnutzung
letztlich verzichtbar wäre, ist es bei Software die einzig denkbare
Abnutzung überhaupt. Dieser Unterschied, der letztlich der Natur von
Informationsgütern geschuldet ist, scheint mir wichtig. Mehr kann ich
dazu allerdings momentan nicht sagen.

However, in general, software
depreciates morally to a much higher degree than most other products. I
don't see any fundamental changes in the technique of toasters,
televisions and so on over the last, say, twenty years, but many of the
software products I use do enhance noteworthy whithin, say, two years.

Ich denke, dass du das im historischen Kontext sehen musst. Software
ist ein *sehr* junges Gebiet menschlicher Tätigkeit und befindet sich
in einem Umfeld, in dem rasche Umbrüche von statten gehen, die oft von
Software selbst ausgelöst sind. Von daher finde ich es
nachvollziehbar, dass Software sich im Moment schnell wandelt.

Allerdings gibt es auch relative Ruhezonen. Einige wichtige Prinzipien
von Unix leben z.B. bis heute unverändert fort - z.B. in unser aller
Lieblingsbetriebssystem ;-) . Allerdings ist darauf nicht so oft der
Spotlight. Na ja, SCO zeigt uns ja gerade, dass Code in Linux (also
wirklich der Kernel) noch aus Unix System III o.ä. stammt, der in den
70ern, frühen 80ern entstanden sein dürfte. Danke SCO für diesen
wichtigen Hinweis ;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Organisation: projekt oekonux.de



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