Re: [ox] Re: Reichtum
- From: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
- Date: Tue, 8 Jun 2004 22:16:44 +0200
Ist ja mal wieder typisch ox: wochenlang mau und nun die Mailflut;-)
On Tuesday 08 June 2004 12:36, Holger Weiss wrote:
Das mit dem Müllbeispiel lass ich mal weg, sondern nehme mal gleich das
hier:
Was ist mit der Atomrakete, die auch ihren Gebrauchswert hat?
Einwandfrei Teil des Reichtums, solange sie tatsaechlich einen
Gebrauchswert hat.
Das bestreite ich und schaff's hoffentlich, das zu begründen.
Reichtum als moralische Kategorie macht fuer mich keinen Sinn.
Ack.
Wo liegt die Grenze, wenn ich den Reichtum an den Folgen
seines Gebrauchs bewerte? Ist ein Auto Teil des Reichtums? Oder nur der
Zug, weil er pro Nase weniger Energie verheizt? Was ist mit Alkohol?
Das ist der Punkt: Es gibt keine objektivierbare Grenze in dem Sinne, wie
der gute alte Gebrauchswert ein objektiver Begriff ist: Der fasst nämlich
den Gebrauch als solchen, völlig egal welchen Inhalts.
Aber selbst wenn wir hier irgendeine Grenze ziehen, z.B. alle
Gebrauchswerte rausschmeissen, deren Gebrauch unter allen Umstaenden
ausschliesslich destruktiv ist, waere m.E. kein sinnvoller Begriff
gewonnen. Was haetten wir denn _begriffen_?
Was soll aus meiner Sicht begriffen werden? Es soll begriffen werden, dass
Reichtum, Gebrauchswert und Wert drei verschiedene Dinge fassen. Das mit
dem GW und W ist mal unter uns Zweien und ein paar anderen nicht so sehr
strittig. Bleibt der Reichtum: Ist Reichtum = Summe aller Gebrauchswerte?
Solange die Atomrakete
einen Gebrauchswert hat, macht's natuerlich Sinn, sich anzuschauen,
warum das so ist. Da hilft aber nicht weiter, ihr qua Setzung
abzusprechen, Teil des Reichtums zu sein, den die Gesellschaft
produziert hat.
Das ist eine Frage der analytischen Perspektive. Gucke ich mir diese
verrückte kybernetische Maschine mit Namen Marktwirtschaft (aka
"Kapitalismus" - da glaube ich der Deutschen Bank) an, dann kann ich den
objektiven und objektivierenden Prozess der Marktwirtschaft mit
ebensolchen objektiven Begriffen verstehen - wenn ich mich einer gewissen
Anstrengung unterziehe und nicht nur auf Erscheinungen abfahre. GW und W
u.a. sind z.B. die Begriffe dazu.
Anders mit Reichtum. Binden wir Reichtum an den objektiven (und
objektivierenden) Prozess, so "abstraktifizieren" wir ihn, entkoppeln wir
ihn von unseren je konkreten Bedürfnissen. Der Gebrauchswert ist nicht an
die je konkreten Bedürfnisse gebunden, sondern an ein "Bedürfnis
schlechthin", das die Ware verkaufbar macht. Mehr interessiert nicht, und
alle Folgen ebensowenig.
Konkreter Reichtum geht von den konkreten individuellen Bedürfnissen aus,
wie sie Franz sehr schön formuliert hat. Es geht also nicht um "einen
objektiven Reichtum für alle", sondern um "viele konkrete Reichtümer für
alle". Was für andere Reichtum bedeutet, muss es nicht für mich bedeuten.
Paradigmatisch in der Freien Software: Was für irgendwen ein nützliches
Programm ist, muss es nicht für mich sein. Trotzdem steigt mit der
allgemeinen vielfältigen Verfügungbarkeit vieler nützlicher Programme der
allgemeine gesellschaftliche Reichtum. Dieser Reichtum ist dann in der
Tat ein anderer als der "objektivierte Reichtum", der an die Wertform
gebunden ist. Er ist allgemeiner, konkreter Reichtum.
Das Problem, wie denn konkräre Reichtumvorstellungen gesellschaftlich
reguliert werden können, ist mit durchaus bewusst - ich klammere es hier
mal aus. Mir geht's hier um den Unterschied zwischen einem
abstrakt-allgemeinen und einem konkret-allgemeinen Reichtumsbegriff
(der als solcher im übrigen wiederum einen objektiven Charakter hat).
IHMO entspricht ein solcher konkret-allgemeiner Reichtumsbegriff viel eher
der gesellschaftlichen Realität, in der immer noch massenweise konkreter
Reichtum jenseits der Wertform, also jenseits von GW und W, produziert
wird. Nicht nur Freie Software.
Ciao,
Stefan
P.S. Hochachtung für deine Argumentationsversuche mit den Freiwirten.
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