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Entwicklung des Projekts als Keimformphaenomen (was: Re: [ox] ox-wiki: Ist da eine Nutzung geplant?)



Hi Liste!

3 days ago Thomas U =?iso-8859-1?q?Gr=FCttm=FCller?= wrote:
Am Freitag 04 März 2005 15:51 schrieb Karl Dietz:
klar, stefan mn. hat ecken und kanten -

Sicher.

und auch er macht sicher fehler -

Ganz bestimmt. Ich brauche das Korrektiv der Gruppe, weiß das und
suche das. Jeder der in [pox] mal ein bisschen rumstöbert, wird das
feststellen können.

ABER jeder hier ist doch freiwillig
in OX.

Das siehst du zu einfach. Benni und ich sind schon sehr lange dabei.

Stimmt. Gründungsmitglied - wie jemensch vermutet hat - ist aber
keiner von beiden.

Das
heißt:

1.) Es ist auch unser Projekt. Wir haben es inhaltlich mitaufgebaut, und
    Oekonux ist ein wichtiger Teil unseres Lebens. (Erzähl doch mal Stefan,
    daß er freiwillig hier ist, dann rastet er bestimmt aus.)

Ach, Thomas, deine Sicht auf mich ist manchmal wirklich zum
Schmunzeln. Glaubst du nicht, dass es Momente gegeben hat, wo ich
alles hinschmeißen wollte? Glaub' mir: Mehr als genug.

Und natürlich bin ich freiwillig hier. Ich kann genauso gehen wie
jedeR andere. Und ich kann mich für die Weiterentwicklung von Oekonux
einsetzen. Bisher habe ich mich für letzteres entschieden.

Aber all das nur BTW. Wichtiger ist, was ThomasUG hier anspricht, weil
es auch praktisch-theoretisch interessant ist:

2.) Wir haben noch eine Zeit miterlebt, in der die Dinge in Oekonux anders
    liefen als heute. Zu Anfang war Oekonux einfach eine Mailingliste, auf
    welcher sich Gleichgesinnte versammelten, um gemeinsam über ein bestimmtes
    Thema zu diskutieren. Das Klima war freundlich und tolerant, und es gab
    auch keine erkennbare Hierarchie unter den Teilnehmern! Als du hier das
    erste Mal gepostet hast, war diese Zeit schon lange vorbei...

ThomasUG hat völlig Recht: Aus der Embryonalform der Diskussionsrunde
bei der WOS1 ist über mehrere Zwischenschritte etwas anderes geworden.
Die deutsche Mailing-Liste war sicher die Geburt, dann kam Web-Site
und englische Liste und dann auch die internationalen Konferenzen.
Aktuell läuft z.B. eine komplette Umstellung der technischen
Infrastruktur.

Doch neben den inneren Entwicklungen gab es auch den Effekt, dass
Menschen außerhalb des Projekts auf Oekonux aufmerksam wurden. Ich bin
nach wie vor fest davon überzeugt, dass die Wirkung von Oekonux auf
die Welt **bei Weitem** größer ist, als alles was ich vorher gemacht
habe und ich schätze mal, dass das für praktisch alle hier gilt. Das
ist ein Verdienst von allen und etwas worauf wir alle gemeinsam stolz
sein können und sollten. Besonders wichtig dabei ist mir auch, dass
wir mit unserem Diskurs Kreise erreichen, von denen ich in meinem
früheren, linken Leben nicht mal zu träumen gewagt hätte.

Aber die erwähnten Veränderungen sind natürlich nicht ohne Folgen für
das Projekt geblieben. Es ist doch völlig klar, dass eine einfache,
spontan gebildete, praktisch unbekannte Mailing-Liste andere Stukturen
hat und braucht, als wenn z.B. eine Infrastruktur gepflegt oder gar
eine Konferenz organisiert werden soll.

Wichtig ist mir, dass das, was ThomasUG erwähnt hat, "eine
Mailing-Liste, auf welcher sich Gleichgesinnte versammelten, um
gemeinsam über ein bestimmtes Thema zu diskutieren" erhalten bleibt.
Das ist für mich immer noch der Kern von Oekonux - wobei die
Technologie Mailing-Liste ja wahrscheinlich bald durch ein Wiki
ergänzt werden wird. Das bedeutet aber eben auch, dass die Diskussion
über organisatorische Details - Wie besorgen wir das Essen für den
Samstag der Konferenz? Wie gestalten wir die Kontaktmöglichkeiten zum
Projekt (aktuelle Debatte auf [pox])? - auf dieser Mailing-Liste
nichts zu suchen hat: Das ist eben nicht das, was versprochen ist.

Andererseits sollten die Leute, die sich um diese Fragen kümmern
*wollen*, aber natürlich auch den Raum haben, das in der Weise zu tun,
die ihnen gemäß ist. Im Internet ist das glücklicherweise einfach:
Eine weitere Mailing-Liste - mal vorausgesetzt, dass die Organisation
ebenso partizipativ und offen laufen soll wie die Diskussionslisten.
Erschwerend kommt im Übrigen die Sprachbarriere zwischen den beiden
Listen hinzu, die eine ständige Diskussion über organisatorische
Fragen auf den Diskussionslisten zum kommunikativen Alptraum werden
lässt.

Was erleben wir hier? Ich würde sagen, dass es sich um eine
Differenzierung einer sozialen Gruppe handelt. Während im Urschleim
noch alle irgendwie völlig gleich waren, gibt es im Laufe des
Wachstums eine Differenzierung. Insbesondere: Nicht jedeR mag sich
über die organisatorischen Sachen unterhalten. Eine solche
Differenzierung birgt natürlich immer Entfremdungspotential - es gibt
eben den Urschleim nicht mehr. Andererseits scheint mir die
Differenzierung bei einer Orientierung an den Bedürfnissen der
TeilnehmerInnen aus den genannten Gründen aber auch unabdingbar. Eine
Nichtanpassung der Strukturen an solche Entwicklung hätte das Wachstum
nicht zugelassen und damit den Erfolg verhindert.

Ja, das hat wohl was mit Keimformen und deren Entwicklung zu tun. So
wie Freie Software als Ergebnis innerkapitalistischer Entwicklung die
Fesseln der kapitalistischen Produktionsweise sprengt, so gibt es in
der Entwicklung von Oekonux Kräfte, die alte Hüllen sprengen.
Natürlich kann mensch diese Entwicklung bedauern - vielleicht weil die
hinzu gekommenen Ziele oder Formen nicht mehr zu den eigenen passen.
Natürlich kann mensch den alten Hüllen nachweinen. Macht für mich
keinen Sinn. Lieber konzentriere ich mich auf das was ist und versuche
eine positive Weiterentwicklung zu befördern. Das ich dabei genauso
fehlbar bin wie alle bedarf aus meiner Sicht keiner besonderen
Erwähnung, da es einfach selbstverständlich ist.

Natürlich muss das Entfremdungspotential im Auge behalten werden. Das
sehe ich als ständige Aufgabe und das ist auch nicht immer ganz
leicht. Transparenz gehört m.E. unabdingbar dazu und das [pox]-Archiv
und die Offenheit von [pox] ist dazu ein wichtiges Mittel.

Aber es ist auch klar: Es gibt durch die Differenzierung eben eine
niedrige, immerhin aber vorhandene Grenze und sobald eine Grenze da
ist, gibt es auch Grenzfälle - das ist doch völlig klar. Es ist eben
nicht so sonnenklar, was von [pox] als Debatte hierher getragen werden
muss, weil es von so großer Bedeutung für das Projekt ist, dass es ins
Plenum gehört und was nicht. Aber nochmal: Hätten wir wegen dieser
Schwierigkeit diese Grenze nicht gezogen, wäre nach meiner Überzeugung
das Wachstum von Oekonux nicht möglich gewesen. Die Differenzierung
scheint mir der Preis zu sein, den wir für den Erfolg und das Wachstum
einfach zahlen müssen.

BTW: All diese Effekte gibt es auch in Freien-Software-Projekten. So
institutionalisieren sich viele große Freie-Software-Projekte z.B.
auch - Apache Software Foundation z.B.

Na, mal so weit. Ich denke in der Tat, dass ein Teil der Konflikte
genau aus diesem Wachstum und den Veränderungen kommt, die damit
einher gehen. Wer welche Konsequenzen daraus zieht, muss jedeR für
sich entscheiden.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

--
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and send out in the evening of the day it is written. It
does not take any information into account which may have
reached my mailbox since yesterday evening.

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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