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Re: [ox] Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



Rudolf Sponsel <praxis-irs web.de> schrieb am August 13 2005 14:46

Vielleicht sollten sich die Definitionsmotivierten ersteinmal 
darüber klar werden, wie definieren 'geht'. Am Anfang sollte hier 
immer stehen, daß der Definitionsmotivierte erklärt, *wozu* er 
*was* definieren will. Besonders gut wäre, wenn er gleich noch
mitlieferte, wie denn festgestellt werden soll, ob der Definitionszweck 
erreicht wurde.
Die Welt würde sich dann viel blabla erssparen.

[ El Casi <quasi utopix.net> antwortete darauf am 14.08. 2005 14:07
..
Wenn wir endlich beim Resultat anfingen, ersparten wir uns einen
Haufen zeit- und kraftraubender (Erkenntnis-)Prozesse.

Und nach den Anfangs-'Erklärungen' sollte übrigens der sofortige
Abbruch einer Diskussion 'stehen', falls Differenzen zwischen
diesen Erklärungen erkennbar sind.  Das Diskutieren von
Differenzen zwischen dem, was definiert werden soll, ist nämlich
keineswegs Bestandteil einer Diskussion, sondern nichts als
blabla.

Hmm, da wurde Sponsel meiner Meinung nach aber gründlich missverstanden. 
Was hier zu diesem Topic abläuft hat streng genommen tatsächlich wenig mit
einer Diskussion zu tun. Eine Diskussion besteht nicht nur aus der Absonderung
von Meinung. Eine Diskussion braucht auch immer einen methodischen und
konzeptionellen Rahmen, damit sie nicht nur Selbstzweck bleibt (oder eben
blablabla...). Ein solcher methodischer und konzeptioneller Rahmen kann sich
natürlich im Laufe der Diskussion auch immer verändern, wichtig ist jedoch,
dass sich die Teilnehmer der Diskussion auf einen solchen Rahmen verständigen
und sich dieses Rahmens auch immer wieder vergewissern. 

Kurz gesagt: Ich bin sehr dankbar, dass mal jemand etwas deutlicher auf diesen
Punkt hinweist. Denn meine Andeutungen in diese Richtung wurden bisher
konsequent ignoriert bzw. als solche nicht verstanden. Dabei habe ich
beispielsweise in meiner letzten Mail nochmal darauf hingewiesen:

[meine Mail vom 12.08.2005 21:13] 
---------------------------------

/Zitat/
"...möchte ich dann noch mal in Erinnerung rufen, dass wir uns hier nicht
völlig zweckfrei mit dem Informationsbegriff beschäftigen. Wir beschäftigen
uns mit diesem Begriff vor dem Hintergrund der Frage: "Informations- und/oder
Wissensgesellschaft". Damit wäre der Bereich, um den es uns geht doch klar
umrissen: Gesellschaft."
/Zitatende/

Ergänzend sollte im Anschluß an dieses Zitat vielleicht noch hinzugefügt
werden: "Gesellschaft sowie gesellschaftliche Veränderung/Entwicklung und ihre
Ursachen". Soweit sind wir uns doch sicherlich alle einig, oder? 
Ausgehend von dieser Feststellung, in der wir uns - denke ich - alle einig
sind, habe ich dann angedeutet, in welche Richtung ein Definitionsversuch
meiner Meinung nach gehen müsste, damit wir bei dem weiterkommen WOZU wir die
Begriffe Information und Wissen überhaupt definieren wollen:

/Zitat/ 
Informationsbegriffe, die für andere Bereiche adäquat sein mögen (aus Gründen,
die ich in einer früheren Mail skizziert habe) bringen uns hier einfach nicht
weiter - weder der Informationsbegriff, der für Biologen hilfreich sein mag,
noch ein Informationsverständnis aus der Informatik.
/Zitatende/

Dabei handelt es sich nun aber - wie gesagt ? nur um meine Meinung/Position.
Andere haben dazu offensichtlich eine andere Meinung. Bei diesem Punkt sollten
wir uns aber wohl zunächst mit den Argumenten der unterschiedlichen
Standpunkte auseinandersetzen, bevor wir uns weiter so ganz ohne Bezugspunkt
und damit einigermaßen sinnfrei die unterschiedlichsten Paradigmen um die
Ohren hauen: 

/Zitat/
"Es ist mir völlig klar, dass man intuitiv gerne anders denkt (z.B. weil ja
digitale IKT für die gesellschaftliche Entwicklung eine wichtige Rolle
spielen), daher müssen wir diesen Punkt vielleicht zunächst in einem eigenen
Sub-Thread klären?"
/Zitatende/

Ich hatte dies in dieser Mail nochmals erwähnt, weil ich genau ein solches
systematischeres Vorgehen schon einige Tage zuvor vorgeschlagen habe:


[meine Mail vom 02.08.2005 03:48]
--------------------------------

Der Ausgangspunkt meiner Argumentation war damals eine im Grunde sehr simple
Beobachtung:
 
/Zitat/
"AUSGANGSPUNKT meiner Argumentation ist die Feststellung, dass das, was für
ein menschliches kognitives System eine Information darstellt, für ein
digitales IKT-System oder eine Zelle keine oder doch zumindest eine qualitativ
völlig andere Information, NIE aber dieselbe Information darstellt (Beispiel:
Der Ausschnitt einer DNS kann für ein menschliches kognitives System eine
Information darstellen ? jedoch qualitativ in VÖLLIG anderem Sinne und mit
völlig anderen Konsequenzen, als dies für eine biologische Zelle der Fall ist).
/Zitatende/

Vielleicht gibt es in Bezug auf diesen Punkt noch Verständnisprobleme? Falls
ja, dann sollten wir zunächst einmal diesen Punkt noch etwas genauer erörtern?
Das wäre dann, wenn wir endlich mal etwas systematischer zu Werke gehen
wollen, ein zweiter Subthread, in dem wir erst mal die Positionen und
Argumente klären, um dann zu überlegen, wie wir am sinnvollsten weiter verfahren. 
WENN man aber diesen im Grunde sehr einfachen Sachverhalt anerkennt, dann
ergeben sich daraus meiner Meinung nach die folgenden beiden Konsequenzen:  

/Zitat/
"Daraus ergibt sich ERSTENS: Die Frage (a) OB etwas eine Information ist, und
falls ja: (b) WARUM und auf welche Weise etwas eine Information ist, lässt
sich nur mit Blick auf einen bestimmten Typus eines Bezugssystems sinnvoll
beantworten.

Daraus leitet sich aber auch ZWEITENS ab, dass die Auseinandersetzung mit dem
Begriff Information auf zwei grundsätzlich verschiedene Weisen geführt werden
kann, die hier leider immer wieder durcheinander geraten: 
(1) Wir können uns fragen, was das gemeinsame ist, das Entitäten für die
unterschiedlichsten Typen von Bezugssytemen (ob biologische Zelle oder
digitales IKT-System oder ein menschliches kognitives System) ganz allgemein
zu einer Information macht. 
(2) Oder wir können uns fragen, auf welche Weise bestimmte Entitäten für einen
bestimmten "Typus Bezugssystem" (etwa für menschliche kognitive Systeme) zu
Information werden." 
/Zitatende/

WENN aber die Auseinandersetzung mit dem Begriff Information auf zwei
grundsätzlich verschiedene Weisen geführt werden kann, dann...

/Zitat/
"...drängt sich natürlich die Frage auf, ob BEIDE Fragen in unserem
Zusammenhang wichtig sind, oder ob nur eine der beiden Fragen relevant ist."
/Zitatende/

Das heisst: wir müssten uns erst einmal alle darüber im Klaren sein, WARUM und
inwiefern es sich dabei um zwei grundsätzlich verschiedene Methoden zur
Entwicklung eines begrifflichen Konzepts handelt. Denn das scheint allem
Anschein nach nicht jedem hier klar zu sein (und gerade deshalb kann ein so
unsystematisches Aneinanderreihen von verschiedenen Definitionen und
Paradigmen, wie wir es bei Capurro finden, mehr Verwirrung stiften, als dies
zur Klärung beiträgt...).

Bezüglich dieser Frage (ob BEIDE Fragen in unserem Zusammenhang wichtig sind)
  habe ich dann meinen persönlichen Standpunkt kurz skizziert - wiederum
verbunden mit dem Appell, notfalls erst einmal hier die eventuell
unterschiedlichen Positionen zu diskutieren und aufzuarbeiten:

/Zitat/
"Ich persönlich bin der Meinung, dass für die Frage "Wissens- und/oder
Informationsgesellschaft" ganz klar nur (2) von Bedeutung ist... 
Falls es hinsichtlich dieses Punktes gravierende Meinungsverschiedenheiten
gibt, so wäre es für die weitere Diskussion meiner Meinung nach wichtig, die
unterschiedlichen Positionen klar zu machen und aufzuarbeiten, denn dadurch,
dass beide Fragedimensionen immer wieder durcheinander geworfen werden, kommt
es leider immer wieder zu Missverständnissen und Konfusion."
/Zitatende/

Genau diese Art systematischer Vorüberlegungen habe ich ursprünglich bei der
Diskussion vorausgesetzt. Als mir klar wurde, dass es diese Vorüberlegungen
eigentlich nicht wirklich gibt, habe ich begonnen sie hier erst einmal
einzufordern. 

Denn es macht überhaupt keinen Sinn INNHALTLICH von einem "state of the art"
zu reden, oder ein solches "state of the art" gar einzufordern (indem man als
gemeinsamen Ausgangspunkt das Lesen und Anerkennen von ?ein-zwei einschlägigen
Paper? einfordert).
solange man entlang solcher systematischer Vorüberlegungen nicht  geklärt hat,
welchen Weg man gemeinsam gehen möchte beim Versuch, ein begriffliches Konzept
für einen gemeinsamen Zweck zu entwickeln. 
Es mag daher ? womöglich ? hilfreich sein, Capurro,  Klemm, Janich und
Fuchs-Kittowski gelesen zu haben (ja, ich hab unter anderem auch diese Autoren
gelesen ? und würde ihnen in meiner persönlichen ?Hitliste? zu diesem
Themenbereich eher einen Platz im unteren Mittelfeld zugestehen wollen), aber
sie entbinden uns nicht der Pflicht selbst du denken und uns entlang solcher
systematischer Vorüberlegungen (siehe oben) darüber zu verständigen, was für
uns denn überhaupt ein sinnvolles Vorgehen sein kann, wenn wir gemeinsam ein
begriffliches Konzept entwickeln wollen, das uns als Mittel zum Zweck dabei
weiterhilft, wenn wir uns die Frage stellen ?Informations- und/oder
Wissensgesellschaft?? 

---

Mein Vorschlag für ein systematisches Vorgehen wäre also folgender:

Motivation:   (=> unser ?eigentliches Erkenntnisinteresse?)
##########
Wir können vermutlich immerhin schon einmal den Zweck festhalten, zu dem wir
ein begriffliches Konzept für das entwickeln wollen, was wir in der weiteren
Diskussion als ?Information? bezeichnen:
(a) Ein gemeinsamer Begriff  für ?Information? soll uns bei der Diskussion
?Informations- und/oder Wissensgesellschaft?? weiterhelfen. 
(b) Unser Untersuchungsgegenstand ist demnach: Gesellschaft, sowie
gesellschaftliche Veränderungen und ihre Ursachen?


Erster zu klärender Punkt wäre demnach:
#######################################
Wollen wir davon ausgehen, dass es
(a) bestimmte Eigenschaften von Entitäten sind, die diese Entitäten zu
Informationen machen? Können wir also alleine dadurch, dass wir Entitäten und
ihre Eigenschaften betrachten, (i) diese Entitäten in Informationen und
Nicht-Informationen klassifizieren, sowie (ii) bei den Entitäten, die wir als
Informationen klassifiziert haben, alleine aufgrund ihrer Eigenschaften sagen,
um was für Informationen es sich dabei handelt? 

Oder wollen wir davon ausgehen, dass
(b) NICHT von den Entitäten selbst abhängt, ob es sich bei der Entität um eine
Information handelt oder nicht (und falls ja: um was für eine Information es
sich dabei handelt), sondern es sich hierbei um eine relationale Eigenschaft
handelt: Ob eine Entität eine Information ist oder nicht (und falls ja: was
für eine Information) lässt sich für diese Entität nur in Relation zu einem
Bezugssystem sinnvoll beantworten. 

Nicht ganz uninteressant in diesem Zusammenhang wäre die Frage, welche
Anhaltspunkte uns für die Standpunkte (a) und (b) denn eigentlich die Empirie
liefert?  ;)

FALLS wir uns in diesem Punkt darauf verständigen könnten, dass und warum die
Antwort sinnvoller Weise (b) lauten muss, wäre die nächste zu klärende Frage

Zweiter zu klärender Punkt:
###########################
Ausgehend von der Annahme, dass von einer relationalen Eigenschaft die Rede
ist, wenn im Zusammenhang mit einer Entität von ?Information? gesprochen wird:
Welche sinnvollen Vorgehensweisen sind ganz grundsätzlich denkbar, um das
begriffliche Konzept ?Information? zu präzisieren?

Mein Vorschlag wäre hier folgender:
Ganz grundsätzlich lassen sich zwei aufeinander aufbauende Vorgehensweisen
unterscheiden, entlang derer das begriffliche Konzept ?Information? präzisiert
werden kann:
(a) Man kann analysieren, auf welche Weise bestimmte Entitäten für einen
bestimmten "Typus eines Bezugssystems" (etwa für eine biologische Zelle, ein
kognitives System oder ein IKT-System) zu Information werden kann.
(b) Man kann diese Analyse, die unter (a) beschrieben wurde, für alle
verschiedenen Typen von Bezugssystemen durchführen und dann versuchen, aus
diesen Analysen allgemeine Aussagen abzuleiten, die (i) auf alle
unterschiedlichen Typen von Bezugssysteme zutreffen und (ii) auf die
unterschiedlichen Prozesse zutreffen, die in den unterschiedlichen Typen von
Bezugssystemen ablaufen, durch die Entitäten für diese Systeme jeweils zu
Informationen werden.
Unter Umständen gäbe es hier aber noch alternative Vorschläge, die zu erörtern
wären??

Dritter zu klärender Punkt:
###########################
Welche der oben skizzierten grundsätzlich möglichen und grundsätzlich
sinnvollen Vorgehensweisen  ist für UNS HIER AUF DER LISTE überhaupt sinnvoll,
wenn man ?unser eigentliches Erkenntnisinteresse?  berücksichtigt (wenn  man
also das berücksichtigt, weswegen wir uns um einen gemeinsamen
Informationsbegriff bemühen)? 
(A) Ist es sinnvoll nur auf der Ebene vorzugehen, die oben unter (a)
vorgestellt wurde? Falls dem so wäre, ergäbe sich daraus automatisch die
nächste Frage: (1) Gibt es einen bestimmten Typus von Bezugssystemen, auf das
wir uns - vor dem Hintergrund unseres eigentlichen Erkenntnisinteresses ?
konzentrieren können/sollten? (2) Sind es verschiedene Typen von
Bezugssystemen, die für uns ? vor dem Hintergrund unseres eigentlichen
Erkenntnisinteresses ? relevant sind [anders gesagt: Wenn wir uns ? vor dem
Hintergrund unseres eingentlichen Erkenntnisinteresses ? mit dem Begriff
Information beschäftigen, ist dann letztlich nur die Auseinandersetzung mit
menschlichen kognitiven Systemen relevant (zur Analyse der Frage, auf welche
Weise Entitäten für menschliche kognitive Systeme zu Informationen werden),
oder  müssen wir uns beispielsweise auch mit IKT-Systemen auseinandersetzen?]
(B) Ist es ? vor dem Hintergrund unseres eigentlichen Erkenntnisinteresses ?
sinnvoll, auch auf der Ebene vorzugehen, die oben unter (b) vorgestellt wurde?

Erst dann, wenn wir diese Punkte durchgearbeitet haben, und dabei jeweils zu
gemeinsam vertretbaren Positionen gekommen sind, ist die Auseinandersetzung
mit vielen Punkten überhaupt sinnvoll, die derzeit bereits völlig bezugslos in
die Runde geworfen werden: Erst dann können wir uns beispielsweise sinnvoll
damit auseinandersetzen, ob für uns die Trias ?Daten ? Information ? Wissen?
überhaupt Sinn macht und warum bzw. warum nicht?

Natürlich ist diese Vorgehensweise nur ein Vorschlag von mir. Wer einen
besseren Vorschlag hat, sollte diesen jedoch auch gut begründen können. 


-- 
Stephan Eissler
Institut für Politikwissenschaft
Lehrstuhl für politische Wirtschaftslehre
Melanchtonstraße 36
72074 Tübingen
Telefon 07071-309124
www.wissen-schaft.org


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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