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Re: [ox] Die sinkenden Grenzkosten der Information



Lieber Erich,

Erich Turnwald-Kurtz wrote:
Ich glaube jeder Mensch hat Fähigkeiten die ihn zu einem wertvollen Mitglied 
unserer Gesellschaft machen. Er muß nur ermutigt werden sich einzubringen.

Zustimmung. Jeder Mensch ist allein schon durch sein Menschsein was
"wert". In einer Gesellschaft, in welcher "wert-sein" in Geld
ausgedrückt wird, müsste also jede(r) schon aus diesem Grund ein
garantiertes Existenzgeld bekommen. Lasst uns darum ringen und zunächst
einmal Widerstand gegen die Zumutungen der Arbeitsämter gegenüber ihren
"Kunden" mit organisieren und unterstützen.

Das klappt heute aber nicht wenn wir Arbeitslose als Schmarotzer betrachten, 
nur weil ihnen der ökonomischen Produktionprozess keine Arbeit mehr anbietet.

"Wir"? Wer ist das Subjekt, die Quelle einer solchen "Wertschätzung"?
Allein diese Frage zu stellen heißt die Zwecksetzung entlarven. Und was
ist das für ein Subjekt: "der ökonomischen Produktionprozess"? Wo kommt
ein so naturrechtlicher Zungenschlag her? Wollen wir nicht "alle
naturwüchsigen Voraussetzungen zum ersten Mal mit Bewußtsein als
Geschöpfe der bisherigen Menschen behandeln, ihrer Naturwüchsigkeit
entkleiden"? (MEW 3, S. 70)

Übrigens muß man sich schon auch mal klarmachen, daß ein großer Teil der 
Arbeit die sich der Mensch macht dazu angetan ist, sich eben dieser Arbeit zu 
entledigen. Die Produktion von Maschinen und deren Automatisierung dient 
nichts anderem. 

Der große Irrtum einer produktzentrierten Denke. Wir müssen alle
freigewordene Potenz in die Beherrschung dieser Produktionsmaschine
stecken, wenn wir nicht wie Goethes Zauberlehrling enden wollen. Und wir
können dabei weder auf das Eingreifen eines "Meisters" noch eines
"strengen Winters" (M. Bulgakow: Die verhängnisvollen Eier) hoffen. Aus
dieser Perspektive ist "Kommunismus = die Produktion der Verkehrsformen
selbst" nicht nur eine Hoffnung, sondern wir sind dazu - bei Strafe des
Untergangs der Menschheit - verdammt.

2.Arbeitsbereich:
Jedoch wäre es sinnvoll z.B. mehr Pflegepersonal in einem Altenheim zu haben. 

Vielleicht wäre es ja auch sinnvoll, das Prinzip "Altenheim" überhaupt
in Frage zu stellen?

Wenn Du jetzt sagst "Arbeitslosigkeit kommt nicht von Mangel an Arbeit", dann 
muß ich hier widersprechen. Im ökonomischen Bereich der Arbeit wird durch 
Automatisierung und Rationalisierung die menschliche Arbeitskraft immer 
weniger gebraucht. Was die gesellschaftlich sinnvolle Arbeit angeht gebe ich 
Dir allerdings Recht. Die fehlenden Ressourcen die Du ansprichst sind 
schlicht das Geld das fehlt. 

Da drehst du die Kausalität um. Fehlendes Geld ist Ausdruck der
fehlenden Bereitschaft, für diese Bereiche gesellschaftliche Ressourcen
zu allokieren. Also ein zutiefst politisches Problem, wenn man mal
Politik als die Sphäre versteht, in welcher in einer zivilisierten
Gesellschaft um Gesamtproportionen gerungen wird. Dazu ist allerdings
zuerst einmal die Emanzipierung des Politischen von Ökonomischen zu
erreichen, also das Gegenteil neoliberaler Logik (die übrigens vor allem
aus diesem Grund zunehmend weniger aufgeht; "the dogma of bourgeois
property comes into active conflict with the dogma of bourgeois freedom"
- Moglen)

Wenn wir wirklich in der "GPL-Gesellschaft" angekommen sind, dann hat sich 
unsere Denkweise so geändert, daß wir eher eine Schenkungsökonomie haben 
werden.

Das werden wir dann sehen. "Schenkungsökonomie" hat die kulturelle
Bedeutung der Wertform in einer historisch beschränkten Etappe nicht im
Blick, siehe mein Statement anderenmails.

Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe

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Kontakt: projekt oekonux.de



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