Re: [ox] Konkreteres zur Freien Gesellschaft?
- From: ulifrank <ulifrank t-online.de>
- Date: Wed, 07 Dec 2005 14:19:28 +0100
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Christian Siefkes schrieb:
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Hallo allerseits,
angeregt durch eigene Überlegungen zu dem Thema und einige Gespräche beim
lezten GNU-Stammtisch (http://www.jansson.de/seminar/infos.html --
hallo, ihr ;-), würde mich mal interessieren, wie es hier mit etwas
konkreteren Vorstellungen zur Freien Gesellschaft (bzw. GPL-Gesellschaft,
um den Namen geht's mir hier weniger als um die Sache) aussieht..................
....
Hallo Christian,
danke für deine "Prinzipien"! Ich glaube auch, dass die relativ geringe
öffentliche Resonanz auf unsere Ideen daran liegt, dass wir zwar gute
Analysen aber zu wenig Antworten auf praktische Fragen zu bieten haben.
(christoph Spehr erzählte mal von einem Vergleich: Kapitalismuskritische
Literatur reiche aufgestapelt bis zum Mond- aber Bücher mit neuen Ideen
und praktischen Beispielen gerade mal bis zum Knie).
Ich finde deine Kriterien sehr schön und hilfreich. Das Problem bleibt-
wie kommen wir praktisch weiter...
Ich verwende immer weniger Zeit auf die Frage, wie "das" neue System
aussehen könnte (du machst ja auch den kritischen Einwand), sondern was
heute schon möglich ist - nicht im Sinne von Pragmatismus und Anpassung,
sondern von Schritten in die richtige Richtung.
Ich kritisiere auch nicht mehr die himmelschreiend ungerechte Verteilung
oder die Unverträglichkeit des Kapitalismus mit ökologischen Kriterien.
(das wird bereits relativ häufig thematisiert)
Mich interessiert vor allem der "Sozialcharakter" der Menschen dieses
gefährlichen Systems: Wie möchte ES die Menschen haben, wie SOLLEN sie
funktionieren. Und dann frage ich mich bei jeder konkreten Antwort,
inwieweit ich es schaffen kann, mich konkret ANDERS zu verhalten (oder
zu denken, zu fühlen usw.) Die FS-Bewegung ist für mich dabei natürlich
ein wunderschönes Beispiel.
Vielleicht lässt sich diese Methode weiter ausbauen, vielleicht hat auch
noch jemand Lust dazu:
1) Konkrete Zumutungen des Systems 2) konkrete Möglichkeiten, diese
konkreten Zumutungen des Systems in MEINEM Kopf, in meinem Leben
partiell ab/umzuschalten.
Das klingt zwar etwas subjektivistisch, politisch unkorrekt, wenn man
vom GROSSProjekt "Kapitalismuskritik" ausgeht, aber es ist m.E. das
beste, was wir zZt. machen können. Theoretische Arbeit (Wertkritik,
Oekonux usw) macht mir zwar weiterhin großen Spaß, aber ich glaube, dort
ist jetzt alles Wichtige gesagt worden. Der entsprechende Beitrag ist
(lobenswerterweise) in die Welt gesetzt.
Jetzt käme es darauf an zu erzählen, wie wir selber im Leben
weiterkommen (auf dem Weg, den du mit deinen Prinzipien umreißt)
Wer Nerv hat, kann auch den ganzen Text lesen - ich hänge ihn mal an.
Aber mir geht es vor allem um die konkreten Punkte hinter den
Nummerierungen im zweiten Teil als Beispiel für meine Vorgehensweise.
Wäre schön, von euch was dazu zu hören!
Uli
*Hört auf zu rechnen ! (...und zu tauschen!) (...und und...)*
Wir wissen heute genug über Kapitalismus, jedenfalls genug, um uns auf
den Weg zu etwas besserem zu machen.
Es mag wissenschaftlich spannend sein, die Zumutungen des Kapitalismus
immer wieder neu zu skandalieren, das verhängnisvolle Wesen des Systems
immer genauer zu analysieren und seine Wirkungen in alle Verästelungen
hinein zu verfolgen. Aber es muss uns doch auffallen, wie wenig sich die
Leute dafür interessieren. Obwohl viele sagen: "So kann es nicht
weitergehen!", werden wir Linken kaum zu Rate gezogen. Das liegt
sicherlich nicht an unserer theoretischen Schwäche, sondern daran, dass
wir offensichtlich keine attraktiven Lösungen zu bieten haben: weder
Strategien für einen Paradigmenwechsel, noch emanzipatorische Modelle
für den Alltag ("Die Christen sehen mir nicht erlöst genug aus" soll der
Atheist Nietzsche mal spöttisch gesagt haben).
Es lohnt gegenwärtig nicht, sich zu viele Gedanken über die "Abschaffung
des Systems" zu machen. Das System funktioniert erschreckend zuverlässig
weltweit. Wer nicht an Verschwörung glaubt, hat keine Lösung für einen
grundlegenden Wechsel. Das traditionelle Klassenkampf- Modell wird
zusehends uninteressant: Es gibt keine Klasse (mehr), die für die
"Revolution" prädestiniert wäre. Auch eine "Aneignungsbewegung" ist
nirgendwo in Sicht: Wer soll wem was wegnehmen? Und außerdem: die
Strategie, von oben das System zur ändern und dann die Menschen in das
neue System hinein zu sozialisieren , hat sich ja als historischer
Irrtum erwiesen. Und es wäre kontraproduktiv: wir wollen den Menschen
keine neue Struktur auf oktroyieren und sie belehren; wir, Kinder der
bürgerlichen Freiheit, wollen selber nicht mehr funktionalisiert werden
und andere funktionalisieren.
Wir müssen und können also nur dort anfangen, wo wir selber stehen. Wir
können Experimente machen, Räume schaffen für neue Erfahrungen, neue
Denk- und Verhaltensmuster versuchen und diese auswerten und austauschen.
Wie viel Theorie ist nötig, um Kapitalismus zu begreifen ? Haben wir
genug verstanden, wenn wir uns klar darüber werden, dass unser Denken,
Handeln und Fühlen seit 400 Jahren in einem Zwangs- und
Verführungssystem gefangen ist, nämlich in dem Gefängnis der *Geld-
Logik*. Um 1600 herum schloss sich dieser Käfig, an dem die Menschen
schon seit Jahrhunderten gebaut hatten. Von Europa ausgehend breitete
sich ein neues Lebensgefühl aus, aber nicht zufällig: In dieser Zeit
bekam das Alltags- Leben eine neue unerbittliche Grundlage, nämlich die
endgültige und evidente Abhängigkeit aller Menschen vom Geld. Das neue
Lebensgefühl besteht in der unausweichlichen Erfahrung, dass ab jetzt
alles etwas kostet, dass das Leben der Menschen auf der Logik ständiger
Berechnung, unerbittlich auf Leistung und Gegenleistung beruht, dass
gesellschaftliche Teilhabe individuell "verdient" werden muss. Diese
neue Erfahrung hat sich in alle Tiefen der menschlichen Lebensäußerungen
eingegraben, sie lässt sich in der Philosophie, der Mathematik, sogar
der Musik usw. nachweisen. Und das verhängnisvolle daran ist, dass diese
Prägung so erfolgreich ist, so selbstverständlich und völlig natürlich
erscheint, dass man sich eine Alternative nicht einmal mehr vorstellen
kann. Dass alles etwas kostet, seinen Preis hat, sich lohnen, sich
rentieren muss, dass man alles in das unsichtbare Koordinatensystem des
"Werts" einsortieren muss, ist seitdem derart normal geworden, dass
unser Denken regelrecht blockiert ist. (vergl.: /Eske Bockelmann: im
Takt des Geldes/)
Aber: genau dieser Zustand der Phantasielosigkeit und Lähmung ist es, an
dem wir politisch ansetzen müssen. Alles, was uns aus der neoliberalen
Misere TINA (There is no Alternative) herausführen könnte, ist das
Programm. Jeder Ansatz, jede Erfahrung, jedes Experiment, das die
Selbstverständlichkeit der Geldlogik praktisch in Frage stellt, soll uns
willkommen sein, irgendeine neue Erfahrung von vorn herein
auszuschließen würde uns ärmer machen. Wir wissen nicht den richtigen
revolutionären Weg, also empfiehlt es sich, mit den Erfahrungen der
anderen konstruktiv umzugehen und nicht immer wieder in den alten Fehler
der Linken zu verfallen sich im "Kampf um die richtige Linie" auf zu reiben.
Wenn wir auch zur Zeit keinerlei Chancen haben, das System als ganzes
um/abzuschalten, so können wir doch etwas tun, nämlich anfangen, das
System im Kopf ab/umzuschalten. Wir können den vom System erzeugten/
unterstützten Sozialcharakter beeinflussen, abändern, indem wir uns
selber zu verändern versuchen:
Es gibt z.B. Leute, die bewusst ihre Arbeitszeit reduzieren, auf
bestimmte Aufdringlichkeiten unserer Wirtschaft verzichten- z.B.
Fernsehen, Auto -, die unspektakulär neue Wohnformen ausprobieren (Öko-
Siedlungen, Wohn-, Hausgemeinschaften), die Veranstaltungen, Treffpunkte
organisieren, Selbsthilfegruppen, Interessengemeinschaften, Initiativen
gründen usw.).
Außerdem gibt es offensichtlich eine Menge künstlerisch - kultureller
Initiativen vielfältigster Art (z.B. Die evolutionären Zellen in
Frankfurt, die neulich ein Preisausschreiben für " selbst beauftragtes
Gestalten von Gesellschaft" veranstalteten, das Büro für integrative
Kunst in Nürnberg/ Erfurt, die sich gerade mit dem Problem schrumpfender
Städte befassen, Otium in Bremen, ein Verein ehemaliger
Entwicklungshelfer, die ein anderes Zeitgefühl reflektieren usw.)
Fast automatisch kommen diese Initiativen und ExperimentatorInnen früher
oder später an die Grenzen der Geld-/ Verwertungs Logik, geraten in
Konflikt mit ihr und müssen sich so auch mit dem Problem der
Grenzüberschreitung beschäftigen. Viele, fast alle dieser (hoffentlich!)
ganz unterschiedlichen Ansätze und Experimente werden ihre spezifischen
neuen Erfahrungen machen, zu deren Vernetzung wieder andere beitragen
könnten, so dass ein immer größerer Schatz an Bausteinen für eine neuen
Welt entsteht. Entscheidend ist, dass diese Bausteine unser Bewusstsein,
unsere Umgebung und damit die Gesellschaft zu ändern beginnen.
Versuchen wir das alte System Schritt für Schritt im Alltag
abzuschalten, nicht aus moralischen Gründen, aus Pflichtgefühl, oder um
der Welt etwas beweisen zu wollen, bewusst, vom Kopf und unseren klaren
Gefühlen aus. Tun wir das, was uns freier und zufriedener macht, was uns
Anerkennung und Liebe derer verschafft, an denen uns liegt. Warten wir
nicht auf bessere Zeiten, neue Parteien, allerneueste wissenschaftliche
Ergebnisse oder gar den Zusammenbruch des Systems!
Es geht darum, die eigene Handlungsfähigkeit (/Klaus Holzkamp-
Grundlegung der Psychologie/) auszubauen, Schritte zu gehen, die aus den
Zwängen und Verführungen des Systems herausführen, Spielräume,
Vernetzungen, eine neue *Kultur der Großzügigkeit*- selbstbeauftragt,
antipädagogisch und antipolitisch zu schaffen, z.B.
1.
"_unter_ seine Verhältnisse" leben. Dieser scheinbare Verzicht auf
einen Teil dessen, was man kaufen könnte, "was einem zusteht",
soll nicht Askese glorifizieren oder Ablehnung konkreten
gesellschaftlichen Reichtums bedeuten, sondern die Zwänge und
Abhängigkeiten verringern, die durch die Bedienung der Geldlogik
entstehen (Beschaffungsprostitution, Schulden, Erpressbarkeit,
Arbeitsstress). Der Abstand zwischen Rücken und Wand läßt sich
vergrößern, auch wenn die Wand wie Beton steht.
2.
Das gesellschaftliche Korsett der ständigen gegenseitigen
Berechnung (Leistung/ Gegenleistung, Äquivalent- Tausch) mag
historisch notwendig oder sinnvoll gewesen sein. Jedenfalls ist es
kein Naturgesetz und wird objektiv (angesichts der
explosionsartigen Steigerung der Produktivität) immer unsinniger
und hinderlicher. Wir haben die Voraussetzungen, erste Schritte in
eine menschenwürdige Kultur der _Großzügigkei_t zu wagen. Warten
wir nicht, bis "die Wirtschaft" uns das erlaubt oder nahe legt.
Unserer Wirtschaftssystem lebt von "Knappheit": freie Güter lassen
sich nicht verkaufen, alles _muss_ etwas kosten. Also können nur
wieder wir selber umschalten, im eigenen Interesse: Großzügigkeit
erleichtert das Leben, verschafft Anerkennung, macht attraktiv,
stärkt Freundschaften, verändert unsere Umgebung, trägt also durch
ihre Ausstrahlung zu einem neuen Lebensgefühl bei.
3.
_Emphati_e entwickeln, d.h. zu fragen aufhören, wie ich den
anderen für mich nutzen kann, sondern ihn gleichberechtigt in das
eigene Leben respektvoll einbeziehen (oder auch nicht: seine
Bedürftigkeit ist nicht wichtiger als meine eigene). Der
Liberalismus sieht den Menschen als Einzelwesen, dass sich nur aus
Eigennutz mit anderen vergesellschaftet. Versuchen wir statt
dessen, die Unterstützung, Hilfe, Anregung durch die anderen zu
entdecken. Wie spannend und bereichernd kann gerade die
Eigenwilligkeit, Unbrauchbarkeit der anderen für mich sein.
Natürlich achte ich auch auf mich selbst: wer mit sich selber
zufrieden ist, kann es auch den anderen gut gehen lassen.
4.
_Bedürftigkeit_ zulassen und ausdrücken. Das liberale Spiel geht
so, dass ich nicht offen von meinen Bedürfnissen und Interessen
rede: Das könnte die Preise für mich verderben. Ich soll ich mich
wie ein erfolgreicher Geschäftsmann verhalten, der sein
Geschäftsgeheimnis hütet und zu pokern lernt. Beginnen wir mit dem
Gegenteil: Aufgeben der typisch männlichen Herrschafts- und
Überlegenheits- Attitüde. Verletzlichkeit, Dankbarkeit,
Abhängigkeit zeigen, nicht alles beherrschen und technisch lösen
wollen, eigene Bedürfnisse nicht über juristische Ansprüche und
die Zwangslogik des Geldes regeln.
5.
_Kommunizieren_. Unbehagen äußern, sich abgrenzen lernen,
Ansprüche zurückweisen, Respekt und Toleranz lernen,
Selbstwertgefühl entwickeln usw.- Verhaltensweisen, die heute für
den Intimbereich "Familie", Freundschaft usw reserviert sind oder
in Crash-Kursen zur Mitarbeiter- Schulung im Interesse der Firma
an-trainiert werden. "draußen herrscht Krieg" nannte das mal ein
Banker in einer Kirchentags- Diskussion. Fangen wir an, diese
Aufteilung der Welt in Geschäft und Privatsphäre zu durchbrechen
und auch dann freundlich und zugewandt zu sein, wenn es "nichts
einbringt" (also kein Geld, keinen Vorteil). Dann können wir über
alles offener reden, auch über unsere Schwächen, Zweifel,
Enttäuschungen, können Ermüdungs- Phasen bewusst wahrnehmen,
analysieren und Erfahrungen ernsthafter austauschen.
6.
"_Guten Umgang_", Kontakte pflegen. Suchen wir uns unsere
Verwandschaft selber aus (Handy/ Internet helfen dabei): wir sind
als Menschen auf andere angewiesen, sie machen uns erst zu dem,
was wir sein können! Deshalb brauchen wir nicht zu allen nett zu
sein oder ständig daran denken, welche "Beziehungen" uns mal
nützlich sein könnten. Überhaupt könnten wir damit aufhören,
Kontakte unter die Frage der Äquivalenz und Berechnung zu zwingen,
"was haben wir davon?", "was bringt's?" Die neuen
Kommunikationstechnologien erlauben uns die nahezu freie Auswahl,
mit wem wir zusammen sein wollen - unabhängig von der
Großgesellschaft. Diese neue Wahl-Freiheit sollte uns aber nicht
zu "wählerisch" werden lassen- sonst wird´s schnell langweilig
oder nie was... die guten (interessanten) Seiten des/der anderen
herauszufinden ist spannend.
7.
_Ressourcen verbinden_: Um den aktuellen "Terror der Ökonomie"
(/Vivien Forrester/) zu mildern, die noch nicht vermeidbare
Abhängigkeit von der herrschenden Ökonomie zu verringern, könnten
Menschen ihre Ressourcen vernetzen und gegenseitig nutzbar machen,
zB. bei der Gasthäuser- Idee: Menschen mit viel Platz laden
nomadisch lebende ein, ein Zeit lang ihre Ressourcen zusammen zu
tun: die NomadIn hat eine Unterkunft, die Hausbesitzerin wird bei
der Erhaltung ihres Hauses unterstützt: für alle Beteiligten ein
"Gewinn": Interessanteres Leben, neue Impulse, lebendige
Vernetzung durch die Nomaden. _Teilen_ läßt sich so als neue
Lebens- Qualität ausprobieren. Unter diesem Aspekt hätten auch
Tauschringe, Umsonst-Läden usw eine wichtige unterstützende Funktion
8.
Das _Abenteuer, Neue_ in den Vordergrund stellen und nicht die
Mühe. Sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Anfang
anstrengend ist und echte Pionierleistungen verlangt. Gut ist,
sich Tricks auszudenken, wenn aus Frust die Berechnungslogik sich
wieder meldet: Sich z.B. lieber fragen, was ich bei einem
schwierigen Kontakt, bei einer anstrengenden neuen Erfahrung
selber lernen konnte, statt zu fragen, ob es sich für mich
rechnerisch lohnte. Immer daran denken: Rebellion macht auch Spaß
und stärkt das Selbstbewusstsein.
9.
Möglichst wenig Leistungen der bürgerlichen Institutionen in
Anspruch nehmen. Je mehr man sich darauf einlässt umso stärker
färben diese ab. Es sind, wie wir wissen, keine "neutralen"
Instanzen, sondern Funktionen des bestehenden Systems, die es
unterstützen, absichern und sogar aktiv gestalten. Z.B. wäre zu
überlegen, den "_Rechtsweg_" grundsätzlich zu v_ermeide_n.
Interessenkonflikte könnte man anders lösen z.B. spielerisch,
durch auslosen, ein Versöhnungsfest o.ä. (Beispiel: Zwei Software-
Unternehmer entschieden neulich einen Rechtsstreit durch ein
offizielles Arm- Stemmen. Beide stellten dabei fest: "... viel
Zeit und hohe Kosten gespart!").
10.
_Standbein- Spielbein:_ Sich klar darüber sein, dass die Ablösung
aus der Geldlogik sehr schwierig ist, weil es sich dabei nicht um
ein eingebildetes, ideologisches Problem handelt, sondern unserer
Welt definitiv und grundlegend vom Geld bestimmt wird. Vorläufig
dürfte niemand in der Lage sein, die Geldlogik vollständig zu
verlassen. Der Ausstieg kann immer nur partiell sein, d.h. auf der
"Standbein"-Ebene: Wo die Zumutungen des Systems nicht vermieden
werden können, sollte man diese nicht verdrängen oder gar
legitimieren oder schön reden, sondern genau analysieren, ihre
Wirkung auf das eigene Leben und andere Menschen möglichst
schonungslos nachvollziehen und dann mit klarem Bewußtsein und
innerer Distanz aktiv die eigenen Grenzen setzen: Wie weit fühle
ich mich gezwungen, mitzumachen, wo setze ich welche Grenze.
Kleine Heldentaten sind auch viel.
11.
Nicht missionieren und niemand belehren, sondern mit sich selber
und den anderen besser umzugehen versuchen - vielleicht strahlt
diese neue Lebensqualität aus...
*Was ist "politisch" daran?*
1.
Für die zukünftige Gestaltung einer besseren Gesellschaft brauchen
wir solche Individuen. Wenn die lähmende Alternativlosigkeit und
der unästhetische Populismus des Neoliberalismus für die Menschen
uninteressant werden, brauchen wir all die Phantasie,
Selbständigkeit und Großzügigkeit, die wir heute bereits
experimentell lernen und austauschen können. Es war der tödliche
Fehler des real existierenden Sozialismus, diese Kreativität der
Menschen systematisch zu unterdrücken, statt sie zu fördern und
auf sie zu setzen. Hätten die Menschen hinter ihrem System
gestanden, hätten auch ökonomische Probleme das Projekt nicht
völlig verderben können.
2.
Sonst bleibt bloß das Warten auf die Veränderung... Wir wissen
nicht, wo der Hauptschalter des Systems zu finden ist, ob es
überhaupt einen gibt und wer an diesen Schalter herankommen
könnte. Aber das System ist bereits selber dabei, sich
abzuschaffen. Von den beiden elementarsten Funktionen her gerät
die Systemlogik in Widersprüche: Arbeit und Geld. Die gegenwärtige
Krise äußert sich ja nicht als Mangel konkreten Reichtums-
sämtliche Firmen und Läden quellen über von Waren- sie könnten
locker die vielfache Menge ausstoßen. Auch "Arbeitskräfte"
drängeln sich unübersehbar in der Warteschlange. Die vielen
Arbeitslosen werden zur Produktion des konkreten Reichtums
offensichtlich nicht gebraucht. Und auf der anderen Seite jammern
sämtliche Produzenten über mangelnde Kaufkraft, also das Fehlen
von Geld bei den (potentiellen) Konsumenten. Wie attraktiv kann
unser System bleiben, wenn es weder genügend Geld noch
"Arbeitsplätze" schafft.
Während die VWL verzweifelt auf die nächste Kondradieff- Welle wartet,
können wir schon heute umschalten: nicht das System (s.o.) aber unser
Bewusstsein: wir können schon für das System der Zukunft trainieren,
können uns mental auf eine neue Logik vorbereiten. Dabei sollte uns das
alte System gleichgültig werden. Entwickeln wir unsere eigenen Normen
und Lebensvorstellungen. Wenn der alte Mechanismus noch einige Zeit vor
sich hin dümpelt, wenn wir dabei unüberzeugt noch ein Weilchen
mitmachen- umso besser: Eine bessere Welt kann niemals automatisch
zustande kommen. Wir brauchen vielmehr möglichst viele gut vorbereitete
und erfahrene Individuen...
3.
Immerhin gibt es schon zwei neue und ziemlich erfolgreiche
gesellschaftliche Entwicklungen, die in die richtige Richtung
weisen könnten: Die *Freie Software *-Bewegung und die
"*all-inclusive-*Idee".
Die Freie- Software- Bewegung beweist im High-Tech- Bereich, dass ein
hervorragendes Produkt frei und nicht als Ware hergestellt werden kann.
Freiwillige, von der selbst gestellten Aufgabe begeisterte Menschen auf
der ganzen Welt sind daran beteiligt. Sie "arbeiten" nicht für Geld,
sondern aus sachlichem Interesse, um Anerkennung zu bekommen oder weil
es ihnen Spass macht. Jeder Konsument kann diese freien Güter frei
nutzen, er ist den Produzenten nichts schuldig- sie taten es ja für sich
selber. Es handelt sich dabei also weder um "tauschen", noch um
"schenken". Es gibt keinerlei Verpflichtungen, Gegenrechnungen,
Ansprüche usw. Es ist auch kein Kampfmodell oder irgendeine Forderung an
irgend jemand: etwas neues kommt in die Welt und niemand muss etwas
weggenommen werden.
Und wie es sich anfühlt, wenn man alles frei nutzen kann, ohne sich um
Preise kümmern oder irgend eine Gegenleistung erbringen zu müssen, kann
man heute schon beim all-inclusive-Urlaub, am freien Buffet oder dort,
wo es schon eine Flatrate (Pauschale) gibt, ausprobieren: In diesen
Freiräumen (für die man heute leider noch Eintritt bezahlen muss) geht
es nur noch um konkrete Bedürfnisse, um die eigentliche Frage, was gut
und sinnvoll für mich ist, was mir Zuwendung und Anerkennung von anderen
verschafft, wie ich meinen gesellschaftlichen Platz finde usw.- das
formale Kriterium der Rentabilität, der ständigen Berechnung fällt
einfach weg... *So soll es werden!*
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