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Re: [ox] Noch mal zur Freien Gesellschaft



Benjamin Teuber schrieb heute:
Ich hab inzwischen mal "Free Culture" gelesen, darum greife ich
Christophs Seitenhiebe gleich auf in der Hoffnung, dass etwas
Konstruktives daraus entsteht...

"Das Recht muss der Technik die Schranken setzen, nicht umgekehrt!"
Das ist auch das Motto von Lessig, wenn man mal die Orwell-Pudding-
Fassade wegkratzt...

Also mit "Orwell-Pudding" kann ich erstmal so gar nix anfangen...

...wohl weil du zuviel davon "gegessen" hast. ;-)
Orwell-Pudding bedeutet, dass Lessig & Co. ihre Ziele und Wege dahin
so unscharf/"weich" formulieren --in einem Meer von ungenauen Worten
ersäufen-- und verdrehen, damit die meisten Leser nicht merken dass da
bloss alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird.  Würde er es
kurz & bündig im Klartext sagen, dann würden ja alle merken dass der
Kaiser nackt ist bzw. der Jurist ein Pred-Maulwurf.


Der obigen Aussage würde ich aber eindeutig widersprechen. Lessig ist
zwar kein Anarchist und glaubt deshalb an ein notwendiges Rechtssystem.
Trotzdem ist seine Hauptforderung, dass das Recht sich immer sinnvoll an
die technische Entwicklung anzupassen hat, was meistens einen Rückzug
bedeutet.

Ein Jurist, der den Rückzug des Rechts vor der Technik propagiert?!?
Und der Weihnachtsmann bringt dir morgen Lebkuchen...

Nein, die Kritik an Lessig, zu der ich am 10.9.2005 verlinkte (die
aber hier bis heute nicht diskutiert wurde), kritisiert ja gerade,
dass gemäss Lessig weiterhin Preds die Prods einschränken sollen:

| We find an organisation [=Lessig's CC] with an ideology and worldview
| that agrees too readily with that of the global 'creative' and media
| industries. ... The Creative Commons' ideological stance has the effect
| of narrowing and obscuring political contestation, imagination and
| possibility.  ... This plane of organisation ensures that legal licences
| and lawyers remain key nodal and obligatory passage points within the
| Creative Commons network, and thereby constitute blockages in the flow
| of creativity."

Quelle:  http://www.freesoftwaremagazine.com/current_issues/#issue_05
On the 'Creative Commons': A Critique of the Commons without Commonalty.
David M. Berry & Giles Moss,  Free Software Magazine, No. 5, June 2005


Ein schönes Beispiel ist z.B., dass das amerikanische Grundstücksrecht
den Besitzern vor der Erfindung des Flugzeugs zusätzlich zum Land den
Besitz des gesamten Luftraums darüber bis zu den Sternen (an Erdrotation
dachte wohl keiner..) zusicherte. Als dann die ersten Prozesse begannen,
kippte ein Verfassungsrichter das Gesetz, weil es seit dieser
technischen Neuerung "dem gesunden Menschenverstand widerspreche" -
Punkt. So hätten Teile der "Geistiges-Eigentum"-Geschichte seit der
digitalen Kopie auch behandelt werden sollen...

Auch dieses Beispiel hatten wir doch schon diskutiert...  Bei den
Millionenbauern reichen "nur" die Profite bis in den Himmel, und
das widerspricht sehr wohl dem gesunden Menschenverstand (und der
Behauptung, der Feudalismus sei abgeschafft worden).

Der obige Entscheid des Verfassungsrichters lässt sich damit erklären,
dass ein Flugverbot auch den Profiten der Preds im Wege gestanden hätte,
während die Flugerlaubnis den Bodenbesitzern nicht relevant schadet
(im Gegenteil: am Boden für einen Flughafen verdienen die Bodenbesitzer
-zig Milliarden !).


Eine Sache fand ich sehr diskussionswürdig, und zwar geht es um die GPL:

Ich habe diese bisher immer als Hack betrachtet mit dem Ziel, das
"geistige Eigentum" gegen sich selbst zu richten.
Nun schreibt Lessig aber, dass die GPL ein Produktionsprinzip schützt
und dabei sogar auf das Urheberrecht angewiesen ist.

Na also, alter Wein.


Gäbe es in einem kapitalistischen System gar kein Urheberrecht, würden
Unternehmen die quelloffenen Projekte einfach assimilieren und
weiterentwickeln, ihre eigenen Sachen aber geheimhalten - hört sich für
mich auch nicht so klasse an...

Eben.. solange Preds an der Macht sind, ist das Ghetto witzlos.


Daraus ergeben sich für mich drei Fragen, die ich gleich für mich
mitbeantworten möchte. Vielleicht hat ja noch jemand andere Antworten
(bessere Fragen die dazu passen)...


1. Müssen wir doch den Kapitalismus abschaffen?

Nein, nur die Pred-Macht.  Das Problem ist nämlich nicht der Tausch
(unter Prods kann er fair sein), sondern die Ausbeutung/Übervorteilung
beim Tausch unter Pred-Knute.


2. Brauchen wir dann immer ein Mindestmaß an "geistigem Eigentum"?

Ich würde sagen nein.

Das Problem ist nicht (erarbeitetes) Eigentum, sondern durch Ausbeutung
und Ungerechtigkeit/Erbschaft erlangtes Eigentum <-- Pred-Macht.


3. Wie kriegen wir Menschen dann dazu, ihr Wissen nicht geheimzuhalten
um damit Profit zu machen? Oder bei nicht kompilierten Dingen: Wie
kriegen wir Leute dazu, sich mit Kultur/Forschung/etc. zu beschäftigen
wenn sie damit "nix verdienen können"?

Indem wir das Pred-Profit"denken" entmachten.  Alles andere sind Symptome!


P.S.
Mein Pointer auf die Lessig-Kritik ganz am Anfang der Debatten blieb
bis heute
undiskutiert, stattdessen hatte die Liste viel Zeit für Strohmann- und
Schimpftiraden gegen P/P...

Nein, die Liste hatte einfach versucht dir klarzumachen, dass P/P nix
neues ist, sondern lediglich eine schwarz/weiß Überspitzung von dem was
eh alle wissen...

Schwache Ausrede dafür, sich um die Lessig-Inhaltskritik zu drücken.

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Karl Dietz schrieb heute:
meine meinung ist die, das jemand wie christoph in einer liste wie ox
"auszuhalten" sein _muss_ ja mehr, er hat das _recht_ hier zu mailen.
auf jeden fall, solange er nicht fordert, das alle pred-leute zu
verschwinden hätten

Genau, das unterscheidet mich nämlich von dem selbsternannten Rausschmeisser:
Bei mir muss niemand verschwinden, auch nicht von der Liste.

Christoph



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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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