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[ox] OHA once more? (was: Weltliche Religion)



Hallo allerseits,

noch einmal eine Bemerkung auf einen etwas älteren Disput zwischen Jacob
und Stefan Seefeld:

Jac: Die gespaltene, am Machtmodell sozialer Beziehungen (die oft
nichts anderes als versteckte Gewaltverhältnisse sind) Persön-
lichkeit entsteht erst aus der autoritären Gesellschaft heraus.
Sie wäre ohne eine autoritäre Gesellschaft nicht denkbar. Dem
habe ich nicht widersprochen und da sind wir einer Meinung.

s.sf: Gut. Aber in der Alternative sind wir uns noch nicht einig.
Wenn ich Dich richtig verstehe, dann siehst Du die Alternative
zu der Autorit"aren Gesellschaft in einer Gesellschaft, die
den Individuen ihre Autonomie ('zur"uck-')gibt, w"ahrend ich
behaupte diese Autonomie ist einer der Fetische der modernen
Gesellschaft ('Freiheit'), und existiert gar nicht in dieser Form.

Es wäre spannend, das wirklich mal auseinanderzunehmen. Jacobs
Argumentation impliziert, dass der "Gewaltverhältnischarakter" und alle
damit verbundenen Phänomene deutlich älter sind als der Kapitalismus, ja
vielleicht sogar in einem zu präzisierenden Sinne "untypisch" für - ja
wofür? - sind.

Ob es überhaupt Gesellschaften gab - etwa indianische - in denen das je
anders war, sei an dieser Stelle mal dahingestellt. Es wäre also zu
fragen, wie das Verhältnis der in dieser Gesellschaft - m.E.
unbestreitbar existierenden - Elemente der Autonomie (in Jacobs Sinne!)
zu den - m.E. unbestrietbar dominierenden - autoritären Formen der
Strukturierung von Gesellschaft stehen. Und wie die Dynamik des
Verhältnisses zwischen beiden einzuschätzen ist.

Eine erste Antwort meinerseits auf diese Fragen (im mawi-Paper) lautet:

"Kapitalismus reproduziert das alte (und wenigstens auf psychischer
Ebene wohlfeile) Kommandoverhältnis auf der letzten der möglichen Stufen
reproduziert, dem Verhältnis zwischen dem "freien" Unternehmer und den
von ihm ausgebeuteten Arbeitskräften. ... Das zeigt, dass gegenüber
vorkapitalistischen Verhältnissen nur noch ein kleiner Schritt zu einer
wirklich freien Gesellschaft erforderlich ist: Diese letzte Bastion
autoritativer Kommandostrukturen ist zu schleifen. ... Kapitalismus ist
in diesem Sinne das pubertäre Stadium einer Freien Gesellschaft... "

Letzteres wird dort zwar in einen leicht anderen Begründungszusammenhang
gebracht, aber das ist im Wesen derselbe.

Viele Grüße, Hans-Gert

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
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