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Re: [ox-de] Jacob's angeblicher Revisionismus



Am Samstag, 29. Juli 2006 12:56 schrieb Christoph Reuss:
Ich schrieb, dass es "keine indianische _Gesellschaft_ mehr gibt",
Jacob verdrehte das zuerst zu "Kulturen seien restlos untergegangen"
und nach meiner erneuten Richtigstellung machte der Verdreher daraus
"Gesellschaften oder Kulturen", um sein Falschzitat dochnoch zu "retten".

Wenn man 95% aller Dänen umbringt und die restlichen 5% geographisch und
genetisch fragmentiert und ihnen eine McDonald's-"Kultur" aufdrückt --
kann man die verbleibenden Reste von dänischer Kultur, an denen ein paar
verstreute und/oder ghettoisierte Dänen nostalgisch festhalten, noch
"die dänische Gesellschaft" nennen und so tun als wäre die dänische Kultur
noch intakt??  Und kann man sogar hingehen und den BigMac als "Weiter-
entwicklung der dänischen Kultur" anpreisen?!  Das ist doch übelster
Geschichtsrevisionismus, der nur der Verharmlosung des Genozids dienen
kann.

Kultur und Gesellschaft fällt im Gebrauch der jeweiligen Sprache zusammen.
Die gemeinsame Sprache und ihre Besonderheiten vermittelt die gemeinsame
Kultur, die Sitten, die religiösen und gesellschaftlichen Vorstellungen und 
die Nomenklaturen. Daher ist es nach meinem Verständnis eben  K E I N  
Falschzitat.

Crox behauptet, das es eine indianische Gesellschaft oder indianische Gesell-
schaften nicht mehr gäbe. Diese Behauptung ist falsch. Bis zum heutigen
Zeitpunkt gibt es funktionierende indianische Gesellschaften in Kanada und
in den USA, die ihre eigene Kultur pflegen und ihre eigene Sprache sprechen.
Ausgehend von diesen Gemeinwesen gab bzw. gibt es einen Versuch, einen
alle US-Amerikanischen Natives umfassenden Nationalismus zu etablieren - 
das AIM - welches sich nach dem Vorbild der Black Panter Ende der 60ziger 
Jahre gründete. Doch schon in den frühen zwanziger Jahren des 20. JHds. gab 
es eine Vorläuferorganisation durch die Gesellschaft der Native Indians of 
Amerika.

Zwar hat man ihnen z.T. Reservate zuerkannt und diese bis in die 80ziger
Jahre des letzten Jahrhunderts als wirtschaftliche Gebiete der 3. Welt in
den USA behandelt, aber eine planmäßige und industrielle Ausrottung fand
nicht statt. Es gab Überlebende, die in Oklahoma und anderen Teilen der 
USA sich wieder zu indianischen Nationen zusammenfanden und über 
hundert Jahre lang um den Erhalt ihrer Kulturen und Religion kämpften.
Ihren verschiedenen shamanistischen Traditionen erwuchs in Oklahoma,
wohin man viele Nationen zwangsweise umgesiedelt hatte, eine Indianer
vieler Nationen umfassende Native Church, die Zeremonien unter der
Zuhilfenahme von Pejote durchführte.

Die Lebensweise der Prärie-Indianer z.B., die bei uns das Indianerbild prägt,
wurde erst nach Ankunft der Europäer und Einführung des Pferdes möglich. 
Die Prärie war vor Ankunft der Europäer nicht bzw. kaum besiedelt, da zu 
Fuß eine Jagd auf Bisons unmöglich war - und die Vorfahren der Prärie-
Indianer waren im Osten lebende Bauern, die ihre Gärten zu gunsten der 
Jagd auf Bison-Herden aufgaben, als ihnen die durch die Spanier eingeführten 
Pferde eine ertragreichere Lebensweise ermöglichte.

In Kanada gibt es heute 50 000 Menschen, die Cree als ihre Muttersprache
sprechen sowie rund 10 000 Muttersprachler, die einen der Inuit-Dialekte
sprechen, um nur die größten Sprachgruppen zu nennen. In den USA gibt
es 150 000 Navajos, die Navajo als Muttersprache sprechen. Es gibt sogar
in Navajo erschienene Bücher, die u.a. hier 

http://www.salinabookshelf.com

zu beziehen sind, u.a. ein Lehrbuch, um Navajo zu erlernen. 5 000 Hopi 
sprechen inmitten der großen Navajo-Reservation ihre alte Hopi-Sprache.
Cherokee wird von 22 000 Menschen der rund 350 000 Cherokee ge-
sprochen und bis heute gibt es Literatur in Cherokee. Selbst in der in
Kanada und den USA befindlichen Irokesenföderation sind die alten
Indianersprachen noch lebendig - so sprechen 3 000 Menschen Mohawk.
Ferner gibt es 8 000 Menschen, die die Sprache der Blackfoot sprechen,
wobei etwa 3200 Altblackfoot und 5800 meist Jüngere Neublackfoot
sprechen. Und selbst unter den ehemaligen Prärie-Indianern sprechen
immerhin noch 1500 Menschen Cheyenne.

Weitere Infos (auch über die Wiederbelebung alter indianischer Sprachen
unter Indianern):

http://www.native-language.org

Wer sich über die gesprochenen indianischen und Inuit-Sprachen in Alaska 
informieren will,  der klicke auf

http://www.uaf.edu/anlc/index.html

Ferner gibt es in der Hand der indianischen Nationen inzwischen 32
indianische Colleges und an der Westküste eine rein indianische Uni.
Ferner gibt es so etwas wie eine beginnende indianische Filmindustrie,
die Filme in indianischen Sprachen produziert.

Nimmt man Crox dümmliche Logik einmal ernst, müßte die Berechtigung
jeder europäischen Kultur in Frage gestellt werden, eben weil es in jeder
nur durch den Gebrauch einer unterschiedlichen Sprache unterscheidbar
eine MacDonald-Kultur gibt. Nach Crox wären wir alle Amerikaner, die
keine Chance haben, ihre europäische Kultur zu erhalten, weil 80 bis 95%
unserer Filme in den Kinos und im Fernsehen amerikanische Produktionen
sind, die Ideen zu den TV-Shows in den USA gekauft wurden und alle Radio-
Programme sich am amerikanischen Muster orientieren.

Schauen wir jedoch genauer hin, so stellen wir in Europa zahlreiche
sprachliche Minderheiten fest, die trotz ihrer Nichtanerkennung durch
die jeweilige Regierung ihres Landes bis heute ihre lebendige Minderheits-
Sprache pflegen, so z.B. die 50 000 Menschen, die in Frankreich bis heute
Bretonisch sprechen. Trotz der Hegemonie des Französischen seit über
200 Jahren und der tradierten Festschreibung des Französischen in der
Verfassung Frankreichs gibt es auf private Initiative hin eine bretonische
Sprache und Kultur in Frankreich. Und da sollen die Überlebenden des
indianischen Genozid in Kanada und den USA nicht in der Lage gewesen
sein, ihre jeweilige indianische Sprache und Kultur zu erhalten und sogar
weiter zu entwickeln?

Jacob
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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