Message 12307 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT11910 Message: 88/137 L23 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox-de] Nochmal: gesellschaftliche Natur



Hallo Stefan,

es scheint hier in Mode zu kommen, Fraktionen zu bilden, in 
welchen jeweils ein ganz anderer als der Angesprochene 
den Angesprochenen verteidigt.

Am Montag, 14. August 2006 10:13 schrieb Stefan Seefeld:
Ich w"urde mich freuen, wenn Du Deinen Gespr"achspartnern ein bisschen
mehr Respekt zollen w"urdest und versuchtest wenigstens ein bisschen
mehr auf sie einzugehen !

Habe ich das nicht?! Wieder und wieder hörte ich von Dir: "Das
ist unbefriedigend...das verstehe ich nicht...was willst Du damit
sagen...das will mir nicht einleuchten...." u.s.w. Und wieder und
wieder habe ich versucht, zu erklären, was ich meine, was mein
Standpunkt ist, herauszuarbeiten, wie ich das Verhältnis von
Mensch und Gesellschaft sehe - um in den entscheidenden Pas-
sagen dann wieder nur zu hören:"Das ist unbefriedigend...das
verstehe ich nicht...was soll damit gesagt werden?" Ebenso er-
ging es mir mit El Casi.

Langsam komme ich mir vor, als spräche ich als Einziger auf
dieser Liste Chinesisch. Wenn wir hier die Gesellschaft be-
trachten und das Werden des Menschen zu einem Glied der
Gesellschaft - oder in den Worten der chin. Kulturrevolution
zum rostfreien Schräubchen in der gesellschaftlichen Ma-
schine - , dann betrachten wir die gesamte Totalität der Ge-
sellschaft und nicht nur ihren Ausschnitt ox-de. Selbst wenn
hier Menschen versammelt sind, die sich um Respekt vor
Kindern - ihren und anderen - bemühen, so ist dieser Respekt
nicht Bestandteil des Paradigma der sonst vorhandenen
Gesellschaft - wäre es anders, wäre eine freie Gesellschaft
längst Realität.

Auch halte ich nichts von der idiotischen Ansicht, eine freie,
weniger autoritäre Gesellschaft wäre "das Paradies" oder das
"Ende der Geschichte" und würde keine Auseinandersetzungen
oder gesellschaftlichen Konflikte mehr kennen. Natürlich wird
es diese auch in einer weniger autoritären, freien Gesellschaft
geben. Wer in meiner Darstellung ein "Paradies" vermutet und
mich für einen romantischen Idealisten hält, hat meine Worte
gründlich fehlinterpretiert. Selbst die früheren indianischen
Gesellschaften, die ich als Beispiel weniger autoritärer Gesell-
schaften angeführt habe, waren alles andere als konfliktfreie
Gesellschaften - ebenso wenig wie die heutigen indianischen
Nations.

Ich halte nichts davon, mit dem Finger auf die mögliche
Fehlentwicklung mittelamerikanischer Indianergesellschaften
zu zeigen und deshalb ihren Beitrag zur heutigen Wirklichkeit -
und damit meine ich nicht nur Tabak, Kakau und Kartoffeln -
komplett zu ignorieren, wenn die angeprangerten Menschenopfer
Bestandteil auch der europäischen Geschichte des klassischen 
Rom, Griechenland, Kartago und Germanien sind. 

Wir können nur versuchen, die Verstümmelung der Seele des
Menschen durch Erziehung zu vermeiden, um dem Menschen
die Last von den Schultern zu nehmen, auf Konflikte zwangsweise
wie ein Schräubchen in der gesellschaftlichen Maschine reagieren
zu müssen und damit viele Probleme nicht zu lösen, sondern
auf kommende Generationen zu übertragen. Gesellschaftliche
Konflikte wie der grundlegende Konflikt in der Erziehung müssen
benannt werden, nicht jedoch, um anzuklagen, sondern um um
die bis dato vergebenen Möglichkeiten zu trauern und um der
eigenen - und damit auch der gesellschaftlichen - Entwicklung
eine neue Richtung zu geben.

Und ferner - spreche ich von Marx, so halte ich mich an den
materialistischen Marx, für welchen es zwei eigenständige, je
dialektisch verwobene Tendenzen in der Geschichte des
Menschengeschlechtes gab: die der Reflexion sowie die der
Produktion. Sein späteres, nie vollendetes Projekt, allein in den
Kategorien der Produktion die Geschichte der Menschen zu
fassen, lehne ich als zu monokausal, um die Wirklichkeit be-
schreiben zu können, ab. Nicht zuletzt ist die Klassenbildung in
der Erfahrung der Arbeiterklasse Produkt der Reflexion der
eigenen Klassenlage sowie der Klassenlage anderer und ent-
springt nicht automatisch einer bestimmten  Art und Weise
der Produktion. Wäre dies anders und könnte man die Ent-
stehung einer handlungsfähigen Klasse des Proletariats aus
den Kategorien der Produktion ableiten, wäre die handlungs-
fähige und ihrer gesellschaftlichen Stellung bewußte Klasse
des Proletariats kein Produkt der Organisation von revolu-
tionären Arbeitervereinen und Parteien, sondern der kapita-
listischen Produktion selbst gewesen.

Anerkennen wir zwei eigene historische Tendenzen, so ist
Max Weber mit Karl Marx zu versöhnen, da historisch auch
eine neue, einer älteren Reflexion z.B. des Christentums und
seiner Stellung zum Produkt von Arbeit entspringende Reflexion
dialektisch einer kommenden kapitalistischen Produktion 
vorausgehen kann.

Entschuldige bitte den Vorwurf des Rassismus und der
Demagogie - auch wenn Du mich zuerst als Demagogen
zu bezeichnen suchtest. Manchmal konnte ich in meinem
Verständnis Deiner Ablehnung meines Standpunktes nicht
anders, als rassistische und demagogische Tendenzen zu
vermuten.

Gruss,
Jacob



________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT11910 Message: 88/137 L23 [In index]
Message 12307 [Homepage] [Navigation]