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[chox] Lawrence Lessig: Freie Kultur




Von Renate Grimming, dpa

(Hamburg/dpa) - Internet, Tauschbörsen, Raubkopierer - das sind
zentrale Reizwörter, die der Medienindustrie seit Jahren kräftige
Bauchschmerzen bereiten. Die Musikbranche klagt über Verluste in
Milliardenhöhe, und Hollywood wacht mit Argusaugen über seine
mittlerweile ebenfalls digitalisierten Inhalte. Doch das Internet hat
auch eine bislang ungeahnte Form der Kreativität freigesetzt. Für
diese Kultur, die Hollywood und die Musikindustrie in höchste Panik
versetzt, hält der angesehene amerikanische Rechtswissenschaftler
Lawrence Lessig ein ambitioniertes Plädoyer.

In seinem jüngsten Buch «Freie Kultur - Wesen und Zukunft der
Kreativität» attackiert er sachlich fundiert die Versuche der
Medienindustrie, die entstandenen Möglichkeiten für die Kultur nur
für ihre eigenen Interessen zu opfern.

In seiner detailreichen und dabei bemerkenswert unterhaltsamen
Analyse stellt Lessig das heute geltende Urheberrecht als kaum
praxistauglich und sogar kontraproduktiv dar. Dabei geht es ihm
keineswegs darum, Raubkopien das Wort zu reden, sondern neue
Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Urheber in einer veränderten
technischen Welt dennoch zu ihrem Recht kommen. Denn was das derzeit
geltende Recht in der alltäglichen Praxis für Blüten treiben kann,
beschreibt der Rechtsprofessor anschaulich an zum Teil sehr bizarr
wirkenden Fällen.

So erzählt Lessig die Geschichte von dem Juristen Alex Alben und
dessen Vorliebe für neue Technologien. Alben hatte im Jahr 1993 die
Idee, eine Retrospektive über den Schauspieler Clint Eastwood
erstmals auf dem damals noch jungen Medium CD-ROM herauszubringen.
Das Vorhaben gelang - doch kostete es die Firma Starwave, für die er
tätig war, ein ganzes Jahr Arbeit und die Mithilfe zahlreicher
Angestellter - allein um die dafür nötigen Rechte zu klären, etwa
alle Schauspieler aus den Ausschnitten zu identifizieren und von
ihnen jeweils die persönliche Erlaubnis für die Nutzung einzuholen.

Ein anderes Projekt aus den 90er Jahren, in diesem Fall von dem
Filmemacher Jon Else, war dagegen weniger von Erfolg gekrönt, kann
Lessig berichten: Es scheiterte daran, dass dem Dokumentarfilmer das
Geld für den Erwerb aller Rechte schlicht fehlte. Für die geplante
Dokumentation über Richard Wagners Ring-Zyklus filmte Else in einer
Szene zwei Bühnenarbeiter beim Dame-Spiel hinter den Kulissen. In
einer Ecke des Raums lief ein Fernseher. Allein für den Ausschnitt
einer Folge der «Simpsons» von Matt Groening, der dort keine fünf
Sekunden zu sehen war, sollte Else 10 000 Dollar an das Filmstudio
Fox zahlen.

«Werft die vielen Juristen raus», fordert der Rechtsprofessor
Lessig provokant in einer seiner Überschriften. Denn viele heute vom
Gesetz her nötige Klärungen der Urheberrechte für die Nutzung etwa
von Filmausschnitten oder Musikstücken sind ohne immensen Aufwand
oder starken rechtlichen Beistand kaum noch realisierbar. Gut lebt
davon allein eine stetig wachsende Zahl von Juristen, so Lessig, der
selbst an der Stanford Law School lehrt und dort das «Center for
Internet and Society» gegründet hat.

Dabei leben wir längst in einer «Copy and Paste»-Kultur. Über das
Internet sind Musik, Bilder, Illustrationen, Literatur und Filme
leicht und unkompliziert verfügbar, und die Inhalte lassen sich in
den meisten Fällen problemlos kopieren und weiter verwenden. Doch wer
Film-Schnipsel oder Bildausschnitte aus dem Internet für seine eigene
Homepage oder auch beruflich etwa für eine Präsentation nutzt, sie
vielleicht noch mit Musik untermalt, hat sich bereits strafbar
gemacht. Mit heutiger Rechtsprechung wären viele kulturelle
Höhepunkte in der Vergangenheit gar nicht erst entstanden, meint
Lessig.

Die Medienindustrie versuche mit allen Mitteln, die durch neue
Technologien entstandenen kreativen Freiheiten zu beschränken. «Der
gesunde Menschenverstand muss revoltieren», sagt Lessig. Denn diese
Freiheiten bedeuteten keineswegs automatisch Anarchie. Eine
Überregulierung schade dagegen allen Seiten. «Ein Krieg um das
Urheberrecht tobt um uns herum - und wir alle konzentrieren uns auf
das Falsche», meint Lessing. Zwar bedrohen tendenziell neue
Technologien existierende Geschäftsmodelle. Doch überall um uns herum 
verändere sich derzeit grundlegend die Art und Weise, wie Kultur
überhaupt entsteht.

Laurence Lessig: Freie Kultur - Wesen und Zukunft der Kreativität
Open Source Press GmbH, München
304 S., Euro 24,90
ISBN 3-937514-15-5


http://www.glaubeaktuell.net/portal/journal/journal.php?IDD=1141012914
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