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Neoklassiker et al. (was: Re: [ox] Re: Vorstellungsrunde)



Hi Sabine!

Today Sabine Nuss wrote:
Stefan Merten schrieb:
Zum einen scheinen mir die Theoretiker(Innen?) der Property-Rights
immer schon von atomisierten, ihrer sozialen Einbettung entfremdeten
Menschen auszugehen - mithin also von der bürgerlichen Geld- bzw.
Arbeitsmonade liberaler Provinienz. Dies halte ich aber für eine ganz
und gar unhistorische Herangehensweise.

Nach allem was ich weiß, hat in hohem Maße erst die ursprüngliche
Akkumulation und deren Bedarf nach solchen, ihren sozialen Bezügen
entäußerten Geld- / Arbeitsmonaden diese tatsächlich auch in großer
Zahl produziert. Was macht es in einer durch Subsistenz und eben nicht
durch Geld geprägten Gesellschaft auch für einen Sinn, sich als solche
Monade zu verstehen?

Puh..............Stoooooooooooppp!

Du beginnst zu bereuen, daß du für Deutsch warst ;-) ?

Das geht ja alles etwas schnell.

Na, in so einer kurzen Mail ;-) .

Also, diese Sichtweise zum Eigentum, die wir in dem Aufsatz beschrieben
haben, welche die sogenannte "herrschende" ist,

BTW: Ich war davon ausgegangen, daß ihr hier diese herrschende
Sichtweise widergebt. So gesehen ist die Debatte nicht mir dir sondern
quasi durch dich. Richtig?

vertreten durch den
Wirtschaftshistoriker Douglass North, Nobelpreisträger (1993) für
Wirtschaftswissenschaften,
  ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^             ^^^^^^^^^^^^^^^^

Das durfte ja nicht fehlen... Ist nicht auch der gute alte Milton
Friedman mit seinem Monetarismus in den Genuß dieses Preises gekommen?
Ich erinnere mich, wie er kürzlich süffisant grinsend in einem
Interview meinte, daß mensch nur den Mindestlohn (z.B. in den USA)
abschaffen müsse und schon hätten alle Arbeit...

die basiert natürlich ("natürlich" deshalb,
weil es kaum zur Kenntnis genommen wird) sehr explizit auf dem
neoklassischen Modell.

Wo du schon am Erläutern bist ;-) : Wie hängt das neoklassische mit
dem geläufigen neoliberalen zusammen?

Insofern stimmt es, daß die Individuen nur noch
Träger von rationalen Entscheidungen sind und die aggregierte
Entscheidungswut in mathematischen Formeln und Koordinatensystemen ihren
Niederschlag findet. Nein, historisch ist das nicht.

Nee.

Nun kann mensch von den ChefideologInnen - ähm TheoretikerInnen des
Kapitalismus natürlich nicht verlangen, daß sie sich um historische
Wahrheit scheren.

Doch das kann man schon und sie tun es ja auch. Wie gesagt, North hat
mit seiner "Neuen Sicht der Wirtschaftsgeschichte" einen historischen
Ansatz in die Neoklassik eingeführt, der Vorwurf an die, wie sagtest Du
"ChefideologInnen", sie seien ahistorisch, ist damit hinfällig. Es sei
denn man betrachtet die Art und Weise der neoklassischen
Geschichtsschreibung ganz genau... also, um kurz ein Beispiel zu geben:
Die Geschichte der Einhegungen in England um das 16. und 17. Jahrhundert
und noch ein wenig drum herum, dieses Kapitel nannte Marx die
"sogenannte ursprüngliche Akkumulation", seiner Ansicht nach war dieser
Teil der Geschichte nicht gerade von einem netten Umgang der Menschen
miteinander gekennzeichnet.... Bei North nun erfährt dieses
Geschichtskapitel eine andere Interpretation, "Die Entwicklung der
Institutionen in der frühen Neuzeit in Westeuropa ist eine Erfolgsstory
mit dem Titel 'Der Aufstieg des Abendlandes' (1992:114)" ------- ok.

Verstehe ich hier die feine Ironie bezüglich historische Wahrheit und
ChefideologInnen nicht?

Der andere Punkt den ich ansprechen möchte ist die Anreizstruktur. Die
liberalen IdeologInnen verstehen unter Anreiz wohl in der Tat nur
einen monetären. Das hat ja Risha auch während der Diskussion ein paar
mal anklingen lassen.

Aber nein. Auch da gibt es Entwicklungen, die Neoklassiker sind nicht
nur technokratische und funktionalistische Bösewichte, die nur Zahlen
aggregieren können.

Doch, doch, doch - alle böse und technokratisch.

;-) ;-) ;-)

Im Ernst: Meine (begrenzte) Wahrnehmung der ganzen ökonomischen
Schulen ist die, daß sie sich schlicht auf die kapitalistische Sicht
der Dinge beschränken, nur in kapitalistischen Kategorien denken
können. Natürlich haben wir das Problem alle, weil uns die
Ware-Geld-Beziehung von Kindesbeinen an in den Kopf gehämmert wird.

Deswegen sind ja auch viele so perplex, daß Gnu/Linux so gut
funktioniert: Daß Menschen auch etwas (produktives) tun können, ohne
Geld dafür zu kommen, verwirrt doch nicht wenige erheblich.

Ohne dich damit zu kritisieren: Was wir brauchen, um Gnu/Linux zu
verstehen, muß m.E. eben über genau die kapitalistisch beschränkte
Denke hinausgehen.

Es ist ihnen durchaus klar, daß sie mit ihren
Modellen die Wirklichkeit nicht abbilden können und sie betonen
durchaus, daß sie sich im Prozeß der Forschung befinden.

Immerhin. Ich bezweifle aber ehrlich gesagt wegen der o.g.
Beschränkungen einen durchschlagenden Erfolg.

Es ist wichtig,
deren eigenen Theorien nicht über einen Kamm zu scheren. Der
Anreizstruktur liegt ja das Modell des nutzenmaximierenden Individuums
zugrunde. Also der Mensch strebt danach, "mehr Güter weniger Gütern"
vorzuziehen. Dieser "Trieb" ist der Anreiz seines Tuns.

Das halte ich z.B. schon für eine absolut ahistorische
Herangehensweise. Über Jahrtausende haben es Menschen überhaupt nicht
eingesehen, mehr Arbeit (d.h. auch Mehrarbeit) zu leisten, als zum
sicheren Überleben nötig war. Dies mußte mit dem heraufziehenden
Kapitalismus, bei dem die Menschen eben auch sehr brutal von ihrer
Subsistenzgrundlage getrennt wurden - damit sie sich dem ungewohnten
Rhytmus der Fabrik, dem unerbittlichen Takt der Maschine, dem
gnadenlosen Ticken der Uhr unterwerfen.

Ein Individuum,
was nun meinetwegen anonym Blut spenden geht, paßt da natürlich nicht
rein...nun wurde das Modell aber erweitert, so daß auch "Altruismus"
eine Erklärung bei den Neoklassikern findet. Wie das geht? Die
Entscheidungen, die ein Individuum trifft, ist abhängig von der
Ideologie, die in dem entsprechenden Land gerade vorherrscht. Wenn
Altruismus ein anerkannter Wert in einer Gesellschaft ist und das
Verhalten Ruhm und Ehre einbringt (Linux lingering in the back...), so
ist das altruistische Verhalten in dieser Gesellschaft eben
nutzenmaximierend. Das heißt, der Faktor "Ideologie" wurde in das Modell
integriert und damit kannst Du jetzt posthum alles als rational
erklären, was der Mensch tut - je nach Ideologie.

So gesehen ist es natürlich wieder sympathisch ;-) .

Das Problem daran, daß
man alles erklären kann, ist leider, daß es nichts mehr erklärt. :-)

Wenn sie das jetzt noch einsehen, ersparen sie sich uns vielleicht in
Zukunft.

Um vielleicht einen kleinen Bogen zu GNU/Linux zu schlagen: Ich denke,
daß GNU/Linux es geschafft hat, eine erhebliche Zahl von Individuuen,
deren Anreiz eben nicht primär monetär ist, zu einem großen
gemeinsamen zusammenzuführen.

Der monetäre Anreiz war nicht primär, weil er primär längst gedeckt war.
Wäre er das nicht gewesen, hätte er eine sekundäre Rolle gar nicht
spielen können, wäre Linux also nicht entstanden. Linux ist nicht
umsonst eben nur da entstanden, wo primäre Erwerbsquellen existierten.

An einer solchen Aussage hatte ich noch rumformuliert, sie aber dann
doch weggelassen. Ich stimme dir voll zu und halte das für einen ganz
wichtigen Punkt.

An dieser Stelle: Schluß mit der Romantik. Die Debatte läuft wohl auf
die Frage hinaus, ob es was Richtiges im Falschen gibt und das denke ich
nicht und dann weiter die Frage, kann sich wenigsten was Richtiges im
Falschen entwickeln und von dort aus beginnen autonom zu wirken? Hm. Da
bin unentschlossen.

Na also, ansonsten bliebe nur noch die Alternative, daß die
historische Entwicklung sich in revolutionären Sprüngen oder aber gar
nicht vollzieht - letzteres ist offensichtlich falsch.

Stefan Mz. hat es kürzlich mal so beschrieben, daß wir auf einen
chaostheoretischen Bifurkationspunkt zulaufen, an dem dann alles
möglich ist - auch Srünge. Ich bin aber fest davon überzeugt, daß sich
das Richtige im Falschen embryonal entwickeln *muß*, weil ansonsten
alles im Chaos versinkt - Menschen brauchen schlicht Modelle um ihr
Überleben zu organisieren. Wenn das Alte nicht mehr geht und nichts
Neues da ist - wie z.B. in Ex-Jugoslawien zu besichtigen - dann ist
die sekundäre Barbarei unausweichlich.

Ah, und dann habe ich noch eine Frage: Kann mir mal jemensch
erläutern, was Transaktionskosten sind?

Hm. Also, Transaktionskosten sind kein Geld, sondern "Aufwand". Ganz im
neoklassischen Sinne, in dem es kein Geld (monetär, klimper...) gibt,
sondern nur "Kapital".

Die Definitionen von Transaktionskosten sind unterschiedlich, wirklich,
jeder sagt Dir das was anderes. Grob aber:

Transaktionskosten sind die Kosten, die aufgewendet werden müssen, um
Markttransaktionen vorzunehmen. Es sind sozusagen Kosten, die beim
Tausch von Gütern- und Dienstleistungen entstehen,

Z.B. Kosten für Handel, Transport, etc.?

wobei die Kosten des
Tauschs insgesamt zunehmend höher werden, je spezialisierter und
arbeitsteiliger ein Markt ist. Nach der Neuen Institutionen Ökonomik
(NIÖ) sind Transaktionskosten ein Teil der Produktionskosten.

Demnach setzen sich die Gesamtkosten der Produktion nicht nur zusammen
aus den Aufwendungen für Boden, Arbeit und Kapital, die zur
Transformation der physischen Eigenschaften eines Gutes (Größe, Gewicht,
Farbe, Standort, che-mische Zusammensetzung usw.) benötigt werden,
sondern auch aus jenen Aufwendungen, die zur Transaktion benötigt
werden, d.h. zu Abgrenzung, Schutz und Durchsetzung der Eigentumsrechte
an Gütern.

Aha. Ich denke, ich habe jetzt eine Vorstellung davon.

Bilden Produktionskosten und Transaktionskosten dann zusammen die
Gestehungskosten (die ich aus einem Buchführungskurs kenne ;-) ).

Es gibt Messungs- und die Erfüllungkosten.

Die Messungskosten sind quasi der Preis für die Informationen, die das
Wirtschaftssubjekt über das zu tauschen beabsichtigte Gut haben muß, um
seine Größe, seine Qualität, seine Beschaffenheit, kurz: seine positiven
Attribute richtig einschätzen zu können. (Weil um etwas sein eigen
nennen zu können, muß es abgrenzbar sein und um etwas abgrenzen zu
können, muß es quantifizierbar, also meßbar sein....) Die
Transaktionskosten sind umso höher, je schwieriger es ist, ein Gut zu
messen. Normierungen wie die DIN-Norm oder die Etablierung von
Gütesiegeln sorgen daher für niedrige Transaktionskosten.
Erfüllungskosten sind die Kosten für die Durchsetzung und Erfüllung der
mit der Eigentumssicherung verbundenen Verträge.

Danke. Sehr interessant.

Wozu war das jetzt noch wichtig? :-)

Einerseits wollte ich einfach mal eine Begriffsklärung, da der Begriff
während der Dikussion ein paar mal gefallen ist.

Andererseits finde ich es wichtig, solche Begriffe mal zu erläutern,
um in diesem erfreulich interdisziplinären Haufen :-) :-) zu wissen
worüber wir reden.

Weitererseits fände ich es interessant, diese Begriffe mal auf
Gnu/Linux anzuwenden und zu sehen, wie es dort damit steht. Ist ja
während der Diskussion auch schon angeklungen. ...aber nicht mehr
heute abend ;-) .


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan





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