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[ox] Marx und Erloesung



Hi Thorsten,

Deine Fragen will ich kurz aufgreifen, vielleicht wirst Du ja Matador und schreibst Deinerseits noch was dazu. So ganz klar ist mir das nämlich nicht, was Du so fragst.

> ist der tauschwert per definitionem (und ist die definition zb von marx
> fuer uns bindend) nur an die warenform geknuepft?

Mir fiele kein Grund ein das nicht anzunehmen.

> oder ist die warenform nur die bisher maechtigste aeusserungsform des
> tauschwerts? wie verhaelt sich die gabentauschtheorie (marcel mauss,
> spaeter dann baudrillard - symbolischer tausch und tod ua -) dazu?

Gabentausch, Potlasch, Geschenkökonomie etc. ist mit dem Begriff des TW nicht angemessen faßbar - IMHO.

> vgl. auch das kommunistische manifest, die aufhebung alter (tausch)
> verhaeltnisse durch das kapital? restrisiko?

Ja, alle Vorformen wurden untergepflügt. TW faßt aber die entfaltete Form im Kap. und nicht die Vorformen.

Jetzt frage ich Dich mal: Ihr hattet ja theoretisch Streß in der DDR mit dem Wert. Irgendwie war er weg, denn es gab ja Festpreise, die einen Wert ignorierten. Andererseits gab?s Lohn als Ausdruck von Wert der Ware Arbeitskraft, gemessen logischerweise nach der Arbeitszeit. Also Preise der Güter nicht nach Wert, Preise der Arbeit (Lohn) nach Wert - das mußte doch crashen? Habt ihr mit Eurem ML das mal reflektiert, oder war?s schon zu spät? - Ist aber etwas off topic.

> und die gespensterdebatte im anschluss daran, von gramsci bis hin zu *marx'
> gespenstern* bei derrida?

Die ist mit unbekannt.

> ist linux ein wirkungsvolles gespenst das um- undoder eingeht im/in den
> kapitalismus?

Nee, Linux ist real da. Das meinst Du aber sicher nicht, dann erklärs? mal.

> oder nur ein retrovirus des zuenftigen handwerks bei der jetzt historisch
> absehbaren durchsetzung (?) des weltmarktes, der bei marx eine immer
> vorausgesetzte theoretische abstraktion war (ihn -voreilig- als realisiert
> anzunehmen war ja doch auch ein irrtum der linken vor dem 1. weltkrieg,
> zb von rosa luxemburg following hilferding)? also eine herstellungsmode,
> ein stil der bereitstellung neuer verwertungsketten, eine im sinne der
> herrschenden x-verhaeltnisse zulaessige aesthetik der produktion? usw.

Weltmarkt ist durchgesetzt, was willst Du andeuten?
Ästhetik der Produktion, was meinst Du?

> ehe wir das phaenomen fuer sich diskutieren, muessten nicht zb die
> produktionsverhaeltnisse seiner entstehung und wirkung, dh der (zb
> makro-oekonomische) kontext untersucht werden? dh die wertformen und
> wertschoepfungsketten der arbeit an linux etc.?

Nun, man kann sich der Sache von verschiedenen Seiten nähern. Ist die Spur die richtige, kommen auch die richtigen Fragen, egal ob top-down oder vice versa. Und den Begriff ?Wertschöpfungketten? gibt?s bei Marx nicht, und er macht auch keinen Sinn. Das Kapital braucht ihn gleichwohl schon, um Distribution berechenbar zu machen. In der Distribution wird aber kein Wert geschaffen.

> mir scheint es bei allen beitraegen auf der liste - ich hab nicht alle gelesen -
> einen konsens des unbehagens an den kapitalistischen verhaeltnissen zu
> geben, nur dass das vertrauen in die erloesung eher verschunden ist. und
> dann?

Über Unbehagen gibt es keinen Konsens, entweder ist es da oder nicht. Somit ist Unbehagen auch unabhängig von *Erlösung* - ich höre einen polemisch-frustrierten Unterton bei Verwendung dieses eher religiösen Begriffs. Mit der - auch emotional - fundierten Annahme, der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte, lebt sich?s leichter, als mit dem Aufwand, sich und der Welt erklären zu wollen, das dem so sei. Ich möchte den sehen, der hier zufrieden ist ...

> was ist marx' theorie wert ohne seine eschatologische gewisssheit der
> (selbst)aufhebung des kapitalismus?

Vorab: Eschatologie = Lehre vom Endschicksal der Menschen und der Welt. Meine Meinung: Ich brauche so eine religiös verbrämte Zielsetzung nicht. Ich will schlicht verstehen, was abgeht. Und Marx liefert immer noch eine Menge nützlicher analytischer Begriffe. Dafür brauche ich ihn (neben anderen) und für sonst nix.

> fuehren wir hier die debatten der junghegelianer neu auf? werden also
> stilfragen entscheidend (stil als biographischer, immer auch persoenlicher
> einbruch in die alltaegliche naturform der gesellschaftlichen verhaeltnisse,
> als "dialektischer blitz", im sinne von benjamin und barthes?) oder ist der
> verabsolutierte stil (bei bauer, stirner, etc. hiess es das subjekt etc.) nur ein
> kleingarten an der peripherie der (markt)gewalten?

Ich kenne keine Junghegelianer-Schublade. Was Du mit Stilfrage meinst, versteh ich nicht. Interessieren würde mich die Bedeutung hinter der ?alltäglichen Naturform der gesellschaftlichen Verhältnisse?. Und mit dem Kleingartenbild kann ich auch nix anfangen. Sorry.

> wo genauer sind die risse im *system*? ist free software wirklich
> abgruendig? wann und wo?

Abgründig? ???? Aehm, sorry, sagt mir nix, bin zu blöd oder gänzlich diskursfremd.

> bei wos war immer die rede von anerkennung ua symbolischen
> gratifikationen,
> sind das nicht auch tauschwerte, dh ist status, zb in der
> entwicklercommunity,
> knowledge zu linux ua freier software, nicht auch ein von vornherein
> kapitalisierbarer tauschwert, der von den beteiligten am markt nahezu
> durchgaengig realisiert wird (und sei es als assistenz, professur etc.)?

Einfache Antwort: Nein. TW ist eine ökonomische und keine psychologische/soziologische Kategorie.

> und die anderen nutzer sind konsumenten, die die ware umsonst
> bekommen, aber von den (sekundaeren) verwertungszusammenhaengen
> (qua zu geringem wissen, fehlender bereitschaft/zeit zum erwerb der
> notwendigen handwerklichen, programmierkenntnisse) ausgeschlossen
> und auf dem (kostenfrei) erworbenen gebrauchswert beschraenkt bleiben?
> muessen wir alle programmieren lernen um zur historischen avantgarde zu
> gehoeren (oder die codierungsweisen verstehen um an die grenzen zu
> geraten?)

Nein, wenn wir die Elemente des Neuem verstehen lernen, ist schon viel gewonnen - und die liegen nicht im Programm. Linux und Co ist außerdem nicht *das Neue* schlechthin, es enthält Elemente von Neuem neben Altem. Wie sollte es auch anders sein...

> geht das alles ohne (markt)zahlen?

Wie, was wo?

> theoriezen?

Theo riezen? Fehlt da ein Buchstabe?

> warum nicht.

Was willst Du sagen?

Freundlichst,
Stefan


--------------------------------------------------------- Stefan Meretz, Duesseldorf Web: http://www.kritische-informatik.de stefan.meretz kritische-informatik.de ---------------------------------------------------------



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