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Re: [ox] Marx und Erloesung



Hi Sabine et al.!

BTW: Ich hatte mir auch vorgenommen, auf Torsten's Mail näher
einzugehen, aber Stefan Mz. hat das m.E. schon ganz gut gemacht.

BTW: Das ist hier vielleicht ein bißchen off-topic. Aber ich denke,
daß diese Fragen zum weiteren Umkreis durchaus dazu gehören.

5 days ago Sabine Nuss wrote:
Stefan Meretz schrieb:
Hi Thorsten,

Deine Fragen will ich kurz aufgreifen, vielleicht wirst Du ja
Matador und schreibst Deinerseits noch was dazu.

Ja, mach doch mal.

Ich finde es überhaupt nett, wenn die anderen uns allen ihre Gedanken
nicht vorenthalten würden. Sind Sabine, Stefan Mz. und ich so
abschreckend / stumm machend?

So ganz klar ist mir das nämlich nicht, was Du so fragst.

Dito.

ist der tauschwert per definitionem (und ist die definition zb von marx
fuer uns bindend) nur an die warenform geknuepft?

Mir fiele kein Grund ein das nicht anzunehmen.

Jeder Epoche ihren Tauschwert, oder? Wieso nicht? Sicherlich gibt es
beim Naturalientausch auch einen Tauschwert, der aber anders zu
definieren wäre, als der der Warenform, oder?

Hmmm... Gute Frage. Ich würde die Frage andersrum formulieren: Wann
macht es Sinn von Tauschwert zu sprechen? Nehmen wir
vorkapitalistische Gesellschaften, in denen es z.B. Jahrmärkte gab.
Sicher hatten die Dinge, die da auf diesen Jahrmärkten getauscht
wurden einen Tauschwert - ohne den wären sie nicht zu tauschen
gewesen.

Ob es Waren im entwickelten kapitalistischen Sinn waren, wage ich aber
schon durchaus zu bezweifeln. Ich schätze, daß vieles davon nicht
unmittelbar *für* den Tausch hergestellt wurde, sondern als
Nebenprodukt des üblichen subsistenzwirtschaftlichen Daseins anfiel.

So gesehen wären die damaligen Märkte eine Keimform kapitalistischer
Märkte gewesen, die bereits Elemente des späteren enthielten, aber
noch sehr in der alten Form gefangen waren. Ich schätze ein ähnliches
Bild dürfte für Gnu/Linux zutreffen - werden wir in 100 Jahren wissen
;-) .

Aber zu meiner Ausgangsfrage nach dem Sinn. In einer solchen
Gesellschaft war Tauschwert einfach nicht dominant sondern hat nur in
Nischen eine Rolle gespielt. So gesehen ist es einfach nicht
interessant, ein Phänomen, das den Kapitalismus dominiert, einfach auf
alle anderen Gesellschaftsformen zu übertragen. Genauso abwegig fändet
ihr es vermutlich, die massive Dominanz der Kirche in europäischen
mittelalterlichen Gesellschaften auf heutige Verhältnisse zu
übertragen, in denen die Kirche mittlerweile in einer Nische der
Gesellschaft gedrängt ist.

Also: die Warenkette bei Linux........ist auf alle Fälle nicht linear
und nicht straight und nicht mehr zurückzuverfolgen in ihre einzelnen
"Produktionsstätten"........das ist festzuhalten.

Das ist aber nicht prinzipiell so. Prinzipiell wäre das ja schon zu
machen - auch wenn du dann natürlich umfangreiche Abrechnungssysteme
und den ganzen Overhead kapitalistischer Transaktionskosten (habe ich
das jetzt richtig eingesetzt ;-) ?) einführen müßtest. Ich meine
irgendwelche transkontinentalen Konzerne können mit ihrer global
distributierten Produktion solche Dinge auch - zumindest irgendwie
zuschreiben.

Find ich schon
wichtig. Mir ist nur noch nicht recht klar für was....

Ich genauso wenig - weder dein noch mein Gedanke.

Mit der - auch emotional - fundierten Annahme, der Kapitalismus ist
nicht das Ende der Geschichte, lebt sich?s leichter,

Sehe ich nicht so. Diese Haltung vergrößert die Fallhöhe enorm. Wo keine
Erwartung, da keine Enttäuschung.

Ich hab's mir da einfach gemacht: Muß ja nicht vor meinem leiblichen
Ende passieren ;-) .

Im Ernst: Ich wüßte nicht, was mir angesichts des Zustands dieses
Planeten und den selbstverschuldeten Lebensbedingungen seiner
dominanten Gattung (nein, nicht die Kakerlaken - auch nicht die
Delphine oder Mäuse ;-) ) noch bliebe, wenn ich denken würde, daß
alles höchstens schlimmer werden kann. Außer purem und blankem
Hedonismus oder der Kugel im Kopf - und zu beidem eigne ich mich nun
mal nicht :-(-: .

Ich möchte den sehen, der hier zufrieden ist ...

Die Mehrzahl der Menschen richtet sich ein, irgendwie, erlebt das
Einrichten als "das Beste draus machen" und dieses ominöse "draus" ist
unveränderlich.

Ist es nicht absolut. Es gibt auch im Kapitalismus immer noch Nischen,
in denen mensch sich ein wenig aus dem Ganzen rausstehlen kann.

Daß diese Nischen größer und für Massen interessant werden ist in der
Tat seit vielen Jahren eines meiner wichtigsten politischen Ziele.
Noch ein Punkt, von dem ich Gnu/Linux aus interessant finde.

Je geringer der persönliche Einfluß auf die
Veränderbarkeit einer Sache eingeschätzt wird, desto näher liegt die
Annahme, das diese Sache wohl naturnotwendig ist.

Hier tritt m.E. ein psychologischer Effekt ein, der die Menschen davor
bewahrt wahnsinnig zu werden. Ich meine, die Absurdität dieser
Gesellschaft und gar des planetenweiten Getriebes ist ja teilweise mit
Händen zu greifen (wenn der Obdachlose vor dem Juweliergeschäft sitzt
- was er "dank" "gesäuberter" Innenstädte ohnehin nicht mehr tut). Da
tut jedeR gut daran, sich zu wappnen.

Prototypisch vielleicht in den geradezu unglaublichen
Verdrängungsleistungen, die uns unsere frischgebackenen Grünen
Kriegshetzer vor kurzem so plastisch vor Augen geführt haben.

Auch hier finde ich - wie andernmails schon bemerkt - Gnu/Linux
wichtig, *weil* es eben einen Ausweg aus der Absurdität zeigt.

Ergo, erliegen die
meisten Menschen dem Schein, das beste aus einer gegebenen Situation zu
machen und in der besten aller möglichen Welten zu leben. Insofern wirst
Du die meisten Menschen "relativ" zufrieden antreffen - und das steht
nicht im Widerspruch zum steten und alltäglichen Lamentieren.

Ein wichtiger Indikator des realen Zufriedenheitsniveaus einer
Gesellschaft ist für mich immer der Pro-Kopf-Verbrauch von
Psychopharmaka. Und da sind unsere Gesellschaften sicher einsame
Spitze.

Dieses "am Ende kommt der Kommunismus", das hat Marx gesagt, als er noch
ziemlich jung war, später nicht mehr, im Gegenteil. Das was der Kerl
geschrieben hat, muß im Einzelnen geprüft werden, ob es was taugt oder
nicht, an der Sache selbst. Es gibt auch keine "ganze" Theorie. Es gibt
ein sehr unvollständiges Werk, teilweise auch noch ziemlich verhunzt von
seinem Kumpel Friedrich. Also, selektieren und vor allem selber Denken.
Find ich.

Fand Marx auch ;-) .


						Liebe Grüße

						Stefan





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