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Re: [ox] Das Programmieren



Hi Steffen!

5 days ago Steffen Schwigon wrote:
Stefan Merten <smerten dialup.nacamar.de> writes:
Aber ich will auch noch auf einen anderen Punkt eingehen.
Programmieren ist auch Machtausübung. Die ProgrammiererIn übt durch
ihre Tätigkeit Macht auf eine Maschine aus. Und auf eine hochkomplexe
Maschine noch dazu. Nicht umsonst ist es auch heute noch relativ
angesehen, wenn jemensch mit Computern virtuos umgehen kann, sie im
wahresten Sinne des Wortes beherrscht.

Hmmm, das mit der Macht ... :-/

Vielleicht ist der Begriff "Macht" hier nicht der allertreffendste.
Jedenfalls meinte ich nicht die negativen Assoziationen, die an dem
Begriff hängen.

Die komplexe Maschine hat er ja auch selber geschaffen.

Und da gibst du mir - ungewollt - gleich noch ein Stichwort: Ja, sie
hat die komplexe Maschine selbst geschaffen. Wenn es sich wirklich um
ein größeres Teil handelt, dann hat sie auch eine eigene Welt
geschaffen. Und das Weltenerschaffen ist ja eigentlich sogar Gottes
Job...

Mir fällt hier die Assoziation zum Geld ein, das als universelles
Tauschmittel Gott schon den Rang im Kapitalismus abgelaufen hat. Weiß
allerdings nicht mehr genau, wie die Argumentation da war.

Und
Softwareprojekte werden scheinbar häufig schnell ebenso komplex. Und
dann ist's auch vorbei mit der Macht, weil das komplexe Konstrukt nur
mit vielen Menschen gemeinsam geschaffen werden konnte, die aber nicht
ewig zur Verfügung stehen.

Es ist vielleicht eher so eine Art Gleichgewicht. Wir bauen komplexe
Rechner, die wir gerade so (und wirklich nur gerade so) noch
beherrschen.

Angeblich soll es ja keine einzelne Person mehr geben, die so einen
aktuellen Chip (Pentium und so) vollständig überblickt.

Und ich kenne auch Software, die innen so aussieht, daß es mit der
Macht nicht mehr weit her ist.

Ja, da hast du schon recht. Vermutlich wird jedeR, die fremde Quellen
schon mal angeschaut hat, das meinen ;-) .

In einer Welt, in der sich der einzelne Mensch in praktisch allen
Bereichen, jedenfalls aber allen gesellschaftlich als machtlos erlebt
- - und das ist ja nicht eingebildet -, finde ich das einen sehr
wichtigen Aspekt. Hier wird m.E. den vereinzelten, in die Welt
geworfenen Menschen ein Erlebnisraum geöffnet, in dem sie sich als
machtvoll erleben, in dem sie ihre Kompetenz sich und anderen unter
Beweis stellen können.

Das mit dem Erlebnisraum haut schon eher hin, denke ich.

Ob es dabei um das "sich als machtvoll erleben" geht, ist mir noch
nicht in den Sinn gekommen.

Macht hat mal jemand definiert, als die Fähigkeit, etwas gegen
Widerstände durchzusetzen - und so ein Computer kann ja zuweilen ein
recht widerständig Ding sein ;-) . In diesem Sinne erleben sich
Programmierende sicher als machtvoll.

Bisher hatte ich eher den Eindruck, daß
Menschen aus der "gesellschaftlichen Machtlosigkeit" in Nischen
ausweichen, wo diese Art der Macht praktisch (noch) keine Rolle
spielt.

Sinngemäß etwa derart, daß, "erst wenn der letzte Algorithmus
patentiert ist, der letzte Domainname verkauft ist, die letzte
Web-Seite politisch korrekt ist, werdet ihr feststellen ..." usw.

Gegen derartige Tendenzen ist ja vermutlich mit genialem Weitblick die
GNU-Lizenz entwickelt worden.

Du meinst die Macht über Menschen. Die meinte ich hier nicht.

Auch hier sehe ich einen deutlichen Hinweis auf eine künftige
Gesellschaft, in der die Menschen eben mehr Einfluß auf ihr eigenes
Leben haben müßten als sich heute dem stummen Zwang der Verhältnisse
(vulgo: Geld) ausliefern zu müssen.

Irgendeinem Zwang werden sie immer unterliegen, sage ich als
Gesellschafts-Pessimist da mal lax.

Klar - notfalls dem Zwang sch... zu gehen ;-) .

Der Punkt ist der: Unterliegen sie Zwängen,

* die naturgesetzlich sind,

  D.h. Zwängen, die unter keinen Umständen eine Polizei zur
  Durchsetzung brauchen. Da würde ich dann eher von Not-wendigkeiten
  sprechen.

* die im Prinzip direkt von ihnen beeinflußt werden können,

  Hierunter würde ich mal auch alle gesellschaftlichen Zwängen fassen
  - solche also, die einer Polizei bedürfen.

* die nicht direkt von ihnen beeinflußt werden können,

  Das sind die stummen Zwänge, die ich oben meinte. Z.B. der
  de-facto-Zwang, deine Arbeitskraft zu verkaufen - oder noch besser:
  der Zwang, auf dem Weltmarkt konkurrieren zu müssen.

Mein Anliegen als libertärer Sozialist wäre, die nicht nicht direkt
beeinflußbaren Zwänge dem Willen der Menschen zu unterwerfen.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan





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