Message 00156 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT00142 Message: 8/11 L4 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Das Programmieren



Stefan Merten <smerten dialup.nacamar.de> writes:
Würde ich mal zusammenfassen zu: Programmieren birgt ein hohes
Potential an Kreativtät und i.d.R. sind auch die Freiräume dafür
gegeben, diese Kreativität auch auszuleben. Könntest du das
unterschreiben?

Jep, genau das meine ich.


Am ähnlichsten ist diese Tätigkeit vielleicht wissenschaftlichen oder
künstlerischen welchen - oder?

Ja, praktisch eine Mischung, kann man so sagen. Und zwar meist auf
einem relativ abstrakten Level, ähnlich wie bei Malern, die niemand
versteht.

Vielleicht kann/sollte man unterscheiden zwischen professioneller
Softwareentwicklung, die eher mit wissenschaftlicher Arbeit
vergleichbar ist, und dem eigentlichen Umsetzen/Programmieren, welches
auch schon "jugendliche Würstchen" in beeindruckender Weise können.

Es gibt also logischerweise tausend Abstufungen dazwischen, aber der
Vergleich mit künstlerischer Tätigkeit ist mir selber früher auch
schon gekommen und ich finde ihn gut.


Aber ich will auch noch auf einen anderen Punkt eingehen.
Programmieren ist auch Machtausübung. Die ProgrammiererIn übt durch
ihre Tätigkeit Macht auf eine Maschine aus. Und auf eine hochkomplexe
Maschine noch dazu. Nicht umsonst ist es auch heute noch relativ
angesehen, wenn jemensch mit Computern virtuos umgehen kann, sie im
wahresten Sinne des Wortes beherrscht.

Hmmm, das mit der Macht ... :-/

Die komplexe Maschine hat er ja auch selber geschaffen. Und
Softwareprojekte werden scheinbar häufig schnell ebenso komplex. Und
dann ist's auch vorbei mit der Macht, weil das komplexe Konstrukt nur
mit vielen Menschen gemeinsam geschaffen werden konnte, die aber nicht
ewig zur Verfügung stehen.

Es ist vielleicht eher so eine Art Gleichgewicht. Wir bauen komplexe
Rechner, die wir gerade so (und wirklich nur gerade so) noch
beherrschen.

Angeblich soll es ja keine einzelne Person mehr geben, die so einen
aktuellen Chip (Pentium und so) vollständig überblickt.

Und ich kenne auch Software, die innen so aussieht, daß es mit der
Macht nicht mehr weit her ist.



In einer Welt, in der sich der einzelne Mensch in praktisch allen
Bereichen, jedenfalls aber allen gesellschaftlich als machtlos erlebt
- - und das ist ja nicht eingebildet -, finde ich das einen sehr
wichtigen Aspekt. Hier wird m.E. den vereinzelten, in die Welt
geworfenen Menschen ein Erlebnisraum geöffnet, in dem sie sich als
machtvoll erleben, in dem sie ihre Kompetenz sich und anderen unter
Beweis stellen können.

Das mit dem Erlebnisraum haut schon eher hin, denke ich.

Ob es dabei um das "sich als machtvoll erleben" geht, ist mir noch
nicht in den Sinn gekommen. Bisher hatte ich eher den Eindruck, daß
Menschen aus der "gesellschaftlichen Machtlosigkeit" in Nischen
ausweichen, wo diese Art der Macht praktisch (noch) keine Rolle
spielt.

Sinngemäß etwa derart, daß, "erst wenn der letzte Algorithmus
patentiert ist, der letzte Domainname verkauft ist, die letzte
Web-Seite politisch korrekt ist, werdet ihr feststellen ..." usw.

Gegen derartige Tendenzen ist ja vermutlich mit genialem Weitblick die 
GNU-Lizenz entwickelt worden.

Wenn es also trotzdem mal soweit ist, wird es neben Programmieren und
Internet wieder andere machtfreie Nischen geben.

So in *der* Richtung denke ich, aber nicht mit der "Macht über die
Maschine".



Auch hier sehe ich einen deutlichen Hinweis auf eine künftige
Gesellschaft, in der die Menschen eben mehr Einfluß auf ihr eigenes
Leben haben müßten als sich heute dem stummen Zwang der Verhältnisse
(vulgo: Geld) ausliefern zu müssen.

Irgendeinem Zwang werden sie immer unterliegen, sage ich als
Gesellschafts-Pessimist da mal lax.



Außerdem gibt es die klassische Form der Meisterschaft nicht mehr, die
darauf beruht, daß man eine bestimmte Tätigkeit durch extreme Routine
aus jahrelanger Wiederholung beherrscht (wie z.B. Holzoberflächen
polieren, ein Produkt verkaufen, Schweißen, Löten, Bilanzen
erstellen).

Kaum ein Programmierer wird also jahrelang Textprogramme schreiben,
die funktional immer gleich sind, aber jedes Jahr "darin besser"
werden. - Die Meisterschaft besteht eher darin, einen immer höheren
Grad der Komplexität zu beherrschen.

Einspruch Euer Ehren! Auch beim Programmieren gibt es AnfängerInnen
und Fortgeschrittenere - und auch Meister würde ich meinen. Das
definiert sich sicher anders als du oben beschrieben hast. Mein
Diplomarbiets-Betreuer meinte mal, was einen guten Ingenieur (auch
InformatikerIn) auszeichne, sei, daß sie schnell die richtige Idee
hätte. Und da hilft Erfahrung ganz heftig weiter - einfach weil die
Datenbasis für's Pattern-Matching größer wird.

Richtig. Daß ich mit dem Routine- und Meistergedanken nicht ganz
richtig liege, habe ich auch schon festgestellt, siehe auch andere
Mail von mir.

Erfahrung und Routine sind vermutlich ein eigenes komplexes Thema für
sich selbst, was zu diskutieren aber hier wohl doch nicht so richtig
reinpaßt.

Trotzdem (ich kann nicht widerstehen), weil wir gerade dabei sind,
schnell noch ein paar Gedanken dazu:

Die Menge an Erfahrungen macht uns übrigens auch zunehmend
langsamer. Das habe ich mal von einer Psychologin gelernt, die uns
Geduld mit älteren Kollegen vermitteln wollte. Recht hatte sie.

Ich persönlich hatte mit älteren Softwareentwicklern aber auch noch
nie ein Problem, sondern fand es immer hochinteressant, auf Arbeit
einen alten Kollegen nachdenken zu sehen. Was dieser an Ideen
anschleppt, ist einfach grandios, man mußte ihm nur genügend Zeit
geben und nicht einen auf hektisch-jugendlich-dynamisch machen.

(Wenn ich darauf Einfluß hätte, würde ich mir immer ältere
Softwareentwickler ins Team holen.)

Das ganze hat allerdings auch nichts mit der Routine zu tun, auf die
ich hinauswollte, aber darüber muß ich sowieso nochmal länger
nachdenken.


Over und Aus.


GreetinX
Steffen
-- 
Steffen Schwigon
<schwigon innocent.com>




[English translation]
Thread: oxdeT00142 Message: 8/11 L4 [In index]
Message 00156 [Homepage] [Navigation]