Message 00247 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT00241 Message: 16/24 L2 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re(2): [ox] GPL-Hardware




<At 06:39 09.01.99 [PHONE NUMBER REMOVED], Thomas wrote:
<>Das Problem, das ich an Linux sehe, ist, daß die Benutzung an 
<>kommerzielle Hardware gekoppelt ist. Wird es also zwangsläufig 
<>irgendwann auch GPL - Hardware geben? 
<>
<>Leider kann man ja bei Harware nur die Sourcen (Baupläne, Schaltpläne,
<>Leiterplattendesigns) kopieren, aber ich denke mal, sowas wie den 
<>bekannten Covox-Stecker bekommt noch jeder zusammengelötet.

<>Wie sind die Chancen einzelner Komponenten, eines komplettes 
<>Computersystem oder sogar einer Wirtschaftsordnung auf GPL - Basis
<>zu beurteilen?
---------------------------------------------------------------------
Henrik (henrik.motakef ruhr-uni-bochum.de )  schreibt dazu:

<Ich denke, um die GPL zur Grundlage einer Wirtschaftsordnung zu machen
wäre
<es in der Tat nötig, den doch recht begrenzten Software-Sektor zu
<überschreiten. Das Problem scheint mir nur, das OSS ja nicht zufällig in
<diesem Bereich entstanden ist, und nicht als OpenCars oder Free Food, vor
<allem weil 'geistiges Eigentum' ja nur schwer in Warenform zu pressen ist.
<Der Hauptunterschied zu Waren, die v.a. Dinge sind, ist vor allem die
<Tatsache, das durch die Nutzung durch beliebig viele keine zusätzlichen
<Kosten entstehen. Ob sich 10 oder 10 000 Leute mein Programm o.ä. kopieren
<kann mir egal sein, bei der Hardware aber verbrauche ich für jede 'Kopie'
<Rohstoffe.

<Andererseits: Dieser Faktor wird scheinbar immer unwichtiger. Die Frage
ist
<nur, ob die 'Informationsgesellschaft' nicht in erster Linie eine
<Simulation ist, um die sich selbst abschaffende Arbeitsgesellschaft am
<Leben zu erhalten. Widerum andererseits hält der Automatisierungstrend ja
<(seit Jahrhunderten) ungebrochen an, so dass vielleicht der Umschlagpunkt,
<nach dem das Software/Informationsartige bestimmend wird, bald erreicht
ist?
-----------------------------------------------------------------------
Diese Schlußfolgerung hat sehr viel für sich!

Vielleicht ist es nur ein wenig umgekehrt und die Informationsgesellschaft
ist
eine Simulation (oder sozusagen eine Real-Simulation), um die Potentiale
autonomer Arbeit zu ersticken. 

Die Ideologie von der "zu Ende gehenden Arbeitsgesellschaft", die ja leider
sogar die Krisis infiziert hat, lebt von einem falschen Gegensatz von
Arbeit
und Automation. In dieser Vorstellung schafft Automation Arbeit ab.
Es gibt aber eine entgegenwirkende Gesetzmäßigkeit, daß nämlich
Automation Arbeit schafft, und dies gleich in mehrfacher Weise:

1. Der automatisierte Prozeß erfordert beständige Anpassungsarbeit
("Arbeit an der Arbeit").
2. Die Produkte stellen neue Handlungsvoraussetzungen dar, ihre
"produktive Konsumtion" passiert gerade nicht automatisch.

Im Vorgriff dazu einige kommentierte Gedanken von Ulrich Sigor:



"Die steigende Bedeutung geistiger und
konzeptioneller Arbeit - aufgrund der fortschreitenden
Automatisierung  der physischen Basisproduktion  -
bietet die Chance der Etablierung einer kapitalwettbewerbsfreien,
genossenschaftlich orientierten Produktionsweise"

man beachte, daß diese Produktionsweise nichts mit
dem VWL Popanz einer "Zentralverwaltungswirtschaft"
und daher auch nichts mit staatskapitalistischen 
Konzepten zu tun hat, wie sie u.a. von der "Krisis" 
durchaus korrekt als nachholende Modernisierung enthüllt
worden sind.

"Diese geistig-konzeptionelle Arbeit erhält hinreichenden Wirkungsradius
und die nötige Angebots-Nachfrage Zuordnung durch nichts anderes, als
die Modellorientierung der Arbeit, die mit der Informationstechnik
sich entwickelt."

also ein ganz klarer Zusammenhang von Soft- und Hardwareseite
mit systemgefährdenden Folgen:

"Konzeptionelle Arbeit braucht wenig "Stammkapital" um sich zu verwerten.
Die typische Arbeit der Zukunft ist direkter Konkurrent zum Finanzkapital,
weil sie keines braucht! *Diese* Konsequenz der technischen Entwicklung
finden wir in keiner Informationsgesellschaftsdebatte - weil sie ungeahnte
Sprengkraft für bestehende Verhältnisse hat.
"Populistisch" ausgedrückt: es ist eine direkte Folge der Informations- und
Automationstechnik, daß der Arbeiter den Fabrikanten nicht mehr braucht.
Das Klischee sagt: "die Arbeit wird zunehmend wegrationalisiert" - und
das ist falsch: der analytische Standpunkt besagt: "mit dem Verfall der
Preise für Massenprodukte wird die Existenzbedingung des Kapitals
wegrationalisiert"."

Henrik hat drauf hingewiesen:
Wir kennen das Phänomen von den Schweizer Uhrenfabrikanten her: das
Quarzwerk, ursprünglich sehr teuer, ist heute praktisch "Naturrohstoff",
der Wertzuwachs kommt aus dem "drumherum".

"Ein Wettbewerb der Quarzwerkherstellung ist unter volkswirtschaftlichen
Gesichtpunkten der Qualitäten-Entwicklung sinnlos. Das kann man auf
gesellschaftliche Arbeit im ganzen übertragen: sinnvoller Wettbewerbsträger
ist die geistige Leistung des einzelnen, und die bedarf keiner hohen
Investitionen im herkömmlichen Sinne. "

In der Folge läßt sich natürlich Henriks Wahrnehmung vom 
längst historisch überholten Simulationscharakter der
gegenwärtigen Kapitalakkumulation ganz anders ableiten:

"Aus diesem Grunde aber boomt das Marketing und die
"Informationsgesellschaft"
ist eigentlich eine "Werbe-Gesellschaft" - denn hier verhelfen die immensen
Kosten eben doch der Kapitalkraft - der intelligenten Arbeit gegenüber -
zum Vorteil. "Klotzen" in Verbindung mit immer primitiveren
wirtschaftlichen
Leistungen ist das typische Investoren-Schema."

Damit ist nichts über den Stand der Technik gesagt, aber sehr
viel über die quasifeudale Bezollungs- und Lizensierungsnotwendigkeit,
die dann doch noch Kapitalgröße erforderlich macht. Microsofts einzige
Chance: mit Schrott fluten, bevor die anderen kommen....
Das ist schon fast zum immanenten Bewegungsgesetz der
gegenwärtigen Wirtschaft geworden.

"Investitionsdrang (Verwertungs/Verzinsungsdrang von totem Kapital) 
vernichtet mehr Arbeit, als er schafft. 
Automatisierung schafft mehr Arbeit, als sie vernichtet. 
Dieses zentrale "Paradoxon" einer "Informationsgesellschaft" will man
nicht begreifen, die Diskussion ist schon tabu."


---------------------
http://www.oekonux.de/



[English translation]
Thread: oxdeT00241 Message: 16/24 L2 [In index]
Message 00247 [Homepage] [Navigation]