Message 00248 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT00241 Message: 17/24 L3 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] GPL-Hardware



Hi Franz und Liste,

was ist eine "Wirtschaftordnung auf GPL-Basis"? Was ist denn der
Knackpunkt an der GNU General Public License? Prügelt mich nicht, aber
hier nochmal die GPL-Features - ein wenig allgemeiner:
- freie Benutzung
- freie Kopien erstellen und verbreiten
- freie Veränderung der dokumentierten Ideen ("Modifikation des
Sourcecodes")
- freie Verteilung der neuen Ideen
Vorschriften:
- frei zugängliche Dokumentation der Ideen ("Sourcecode")
- Freiheit ein-für-alle-Mal (Verbot der Lizenzänderung)
- Verbot der Vermischung mit nicht frei dokumentierten Ideen

Das bedeutet im Kern ein Ausstieg aus Verwertungszusammenhängen, und
das, obwohl Stallman und die FSF meinen permanent betonen zu müssen,
dass sie und die GPL nicht gegen Kommerz stehen, dass man GPL-Software
ja verkaufen dürfe. Das gehört endlich mal selbstbewußt umgedreht!! Die
GPL weisst über die Verwertungszusammenhänge hinaus, und in ihrer
Anti-Verwertungshaltung öffnet sie neue Möglichkeiten, die mit dem
Kapitalismus inkompatibel sind. Nicht umsonst braucht die
Softwareindustrie die "quasifeudale Bezollungs- und
Lizensierungsnotwendigkeit" wie Franz schreibt. Und nicht zufällig
entstanden "weniger freie" OS-Lizenzen, um Freie Software und Kommerz
kompatibel zu machen. Die GPL erst hat die Dynamik der
GNU/Linux-Entwicklung ermöglicht (der zweite entscheidende Faktor war
die selbstorganisierte Produktionsweise, die Linus Torvalds etablierte).

Henrik (henrik.motakef ruhr-uni-bochum.de ):
Der Hauptunterschied zu Waren, die v.a. Dinge sind, ist vor allem die
Tatsache, das durch die Nutzung durch beliebig viele keine zusätzlichen
Kosten entstehen. Ob sich 10 oder 10 000 Leute mein Programm o.ä. kopieren
kann mir egal sein, bei der Hardware aber verbrauche ich für jede 'Kopie'
Rohstoffe.

Ob Du 100 oder 100 000 Brote backst, Quarzwerke baust, Tassen herstellst
ist für den Wert auch egal: Er tendiert gegen Null (die er gleichwohl
nie erreicht). Das ist wohl heute schon so: Das meiste Warenzeugs ist
kaum noch was Wert, denn es steckt immer weniger Arbeit drin. Nur gehört
unter unseren Bedingungen der Werbemüll, das Lizenzgerangel und die
Dumpingfeldzüge eben untrennbar mit zu den Verwertungsbedingungen: Wir
kaufen also nicht eine nützliches Ding, sondern 90% Verwertungsbedingung
und 10% nützliche Sache. Das alles so zu halten, ist Staatens Rolle.

Vorausdenkende Kapitalisten sehen das alles - und versuchen das wiederum
in Verwertung zu transformieren. Sie verschenken die Produkte, und
hoffen auf sekundären Ertrag über Support, Beratung, anderes
mitverkauftes Zeug: Einfach über "Kundenbindung". Entscheidend für diese
Tendenz ist das Internet. Die Idee ist die "Netzwerkwirtschaft": Wer der
"Vernetzteste" ist, zieht das Geld auf sich - eine einfache Logik.

Nun noch zu Franz:
Vielleicht ist es nur ein wenig umgekehrt und die Informationsgesellschaft
ist eine Simulation (oder sozusagen eine Real-Simulation), um die Potentiale
autonomer Arbeit zu ersticken.

Was meinst Du damit, woran denkst Du? Autonome Arbeit in der Lohnarbeit
oder ausserhalb?

Die Ideologie von der "zu Ende gehenden Arbeitsgesellschaft", die ja leider
sogar die Krisis infiziert hat, lebt von einem falschen Gegensatz von
Arbeit und Automation. In dieser Vorstellung schafft Automation Arbeit ab.

Krisis' Fehler ist (soweit ich das beurteilen kann): Arbeit sei
identisch mit Lohnarbeit. Letztere wird durch Automation tendentiell
abgeschafft, das würde ich allerdings auch so sehen.

Es gibt aber eine entgegenwirkende Gesetzmäßigkeit, daß nämlich
Automation Arbeit schafft, und dies gleich in mehrfacher Weise:

1. Der automatisierte Prozeß erfordert beständige Anpassungsarbeit
("Arbeit an der Arbeit").

Unter den Bedingungen der Lohnarbeit ist die Frage nur, ob der
"Overhead" der Automation die Effekte wieder auffrisst. Wenn dem so
wäre, würde das Kapital nicht automatisieren.

2. Die Produkte stellen neue Handlungsvoraussetzungen dar, ihre
"produktive Konsumtion" passiert gerade nicht automatisch.

Die "produktive Konsumtion", also das Herstellen von etwas anderem mit
den o.g. Produkten (Maschinen etc.), geschieht natürlich nicht
automatisch. Aber "produktive Konsumtion" bedeutet immer Herstellen von
Mehr mit weniger Aufwand an Lohnarbeit - sonst würde das nicht
passieren. Gerade die "produktive Konsumtion", die Anwendung
vergegenständlichter Algorithmen, schafft Lohnarbeit ab, weil die
Wiederholung der vergegenständlichten Algorithmen im Gegensatz zu ihrer
Vergegenständlichung fast nix mehr kostet. Und wenn man jetzt die
Ideenproduktion, die der Vergegenständlichung vorausgeht, GPL-ifiziert,
dann sieht das Kapital ziemlich alt aus.

"Die steigende Bedeutung geistiger und
konzeptioneller Arbeit - aufgrund der fortschreitenden
Automatisierung  der physischen Basisproduktion  -
bietet die Chance der Etablierung einer kapitalwettbewerbsfreien,
genossenschaftlich orientierten Produktionsweise"

Was ist "kapitalwettbewerbsfrei" - frei von Verwertungszusammenhängen
(Kauf-Verkauf gegen Geld)?

"Konzeptionelle Arbeit braucht wenig "Stammkapital" um sich zu verwerten.

Nee, das gilt für den Kapitalismus leider (noch) nicht. Die Betonung
liegt hier auf "verwerten": Verwerte (sprich: zu Geld machen) mal im
Kapitalismus eine gute Idee ohne viel Kapital - das ist doch ein
Tellerwäschermythos. Der Satz müßte vielleicht lauten: "Konzeptionelle
Arbeit braucht kein Kapital, um sich frei zu entfalten - außerhalb der
Verwertung."

Die typische Arbeit der Zukunft ist direkter Konkurrent zum Finanzkapital,
weil sie keines braucht! *Diese* Konsequenz der technischen Entwicklung
finden wir in keiner Informationsgesellschaftsdebatte - weil sie ungeahnte
Sprengkraft für bestehende Verhältnisse hat.

Innerhalb der Verwertung illusionär - Du musst raus aus der Verwertung,
sonst kannste Dir das abschminken.

"Populistisch" ausgedrückt: es ist eine direkte Folge der Informations- und
Automationstechnik, daß der Arbeiter den Fabrikanten nicht mehr braucht.

Das Kapital braucht den Fabrikanten auch nicht! - Die Krux ist doch,
dass überhaupt keine _konkreten_ Personen gebraucht werden, sondern nur
"irgendwelche" Leute, die mal Arbeit abliefern und mal die Gesetze der
Wert-Selbstverwertung erfüllen müssen. Und das doofe daran ist, dass die
"unten" das Geld-gegen-Arbeit brauchen, um zu (über)leben.

Das Klischee sagt: "die Arbeit wird zunehmend wegrationalisiert" - und
das ist falsch: der analytische Standpunkt besagt: "mit dem Verfall der
Preise für Massenprodukte wird die Existenzbedingung des Kapitals
wegrationalisiert"."

Das ist kein entweder-oder, sondern beides trifft zu.

Henrik hat drauf hingewiesen:
Wir kennen das Phänomen von den Schweizer Uhrenfabrikanten her: das
Quarzwerk, ursprünglich sehr teuer, ist heute praktisch "Naturrohstoff",
der Wertzuwachs kommt aus dem "drumherum".

Jau.

"Ein Wettbewerb der Quarzwerkherstellung ist unter volkswirtschaftlichen
Gesichtpunkten der Qualitäten-Entwicklung sinnlos. Das kann man auf
gesellschaftliche Arbeit im ganzen übertragen: sinnvoller Wettbewerbsträger
ist die geistige Leistung des einzelnen, und die bedarf keiner hohen
Investitionen im herkömmlichen Sinne. "

Wieso "Wettbewerbsträger" - das ist doch Kappes! Es kann doch nicht um
"besseren Wettbewerb" gehen!!

"Aus diesem Grunde aber boomt das Marketing und die
"Informationsgesellschaft"
ist eigentlich eine "Werbe-Gesellschaft" - denn hier verhelfen die immensen
Kosten eben doch der Kapitalkraft - der intelligenten Arbeit gegenüber -
zum Vorteil. "Klotzen" in Verbindung mit immer primitiveren
wirtschaftlichen Leistungen ist das typische Investoren-Schema."

Ja, s.o.

"Investitionsdrang (Verwertungs/Verzinsungsdrang von totem Kapital)
vernichtet mehr Arbeit, als er schafft.
Automatisierung schafft mehr Arbeit, als sie vernichtet.
Dieses zentrale "Paradoxon" einer "Informationsgesellschaft" will man
nicht begreifen, die Diskussion ist schon tabu."

Die Diskussion ist für mich nicht tabu, aber "begriffen" hab ichs
wirklich nicht. Vielleicht bringt der Denkansatz mehr, wenn man ihn mit
GPL zusammendenkt - also ihn von den Resten des "Verwertungsdenkens"
befreit (IMHO).

Ciao,
Stefan

-- 
  Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
  HA II, Abteilung Datenverarbeitung
  Kanzlerstr. 8, 40472 Duesseldorf
--
  stefan.meretz hbv.org
  maintaining: http://www.hbv.org
  private stuff: http://www.meretz.de
--

---------------------
http://www.oekonux.de/



[English translation]
Thread: oxdeT00241 Message: 17/24 L3 [In index]
Message 00248 [Homepage] [Navigation]