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Re(4): [ox] GPL-Hardware



Stefan Meretz writes:

"
Das meiste Warenzeugs ist
kaum noch was Wert, denn es steckt immer weniger Arbeit drin. Nur gehört
unter unseren Bedingungen der Werbemüll, das Lizenzgerangel und die
Dumpingfeldzüge eben untrennbar mit zu den Verwertungsbedingungen: Wir
kaufen also nicht eine nützliches Ding, sondern 90% Verwertungsbedingung
und 10% nützliche Sache. Das alles so zu halten, ist Staatens Rolle.

Vorausdenkende Kapitalisten sehen das alles - und versuchen das wiederum
in Verwertung zu transformieren. Sie verschenken die Produkte, und
hoffen auf sekundären Ertrag über Support, Beratung, anderes
mitverkauftes Zeug: Einfach über "Kundenbindung". Entscheidend für diese
Tendenz ist das Internet. Die Idee ist die "Netzwerkwirtschaft": Wer der
"Vernetzteste" ist, zieht das Geld auf sich - eine einfache Logik.
---------------------------------------------------
Dabei kommt natürlich nie und nimmer nützliches Zeug raus.
Erstens muß alles proprietär sein, also unbrauchbar in Verbindung
mit jemand anderes Software
zweitens muß der Kunde permanent vom Support abhängig gemacht werden
drittens muß der Schrott schnell draußen sein, also Dauer-betas.
das sind Phänomene, auf die Ulrich Bezug nimmt: Das ist nicht mehr
der Kapitalismus des "Kapital", wo um die Senkung des individuellen 
Werts unter den Durchschnittswert konkurriert wurde, sondern
ein parasitärer "Postkapitalismus".  "Die Praxis triumphiert im
Niemandsland
 über die Theorie der Formationen." (Sigor)
Kein Wunder, daß der Club of Rome in seinen Studien herausgefunden
hat, daß die Indikatoren für stofflichen reichtum vor 1970/80 mit dem
BNP direkt korrellieren - aber seither indirekt proportional fallen und
zwar umso stärker je mehr das BNP wächst. "Uns allen" ist es ja bekanntlich
noch nie "so gut" gegangen.
---------------------------------------------------


Nun noch zu Franz:
Vielleicht ist es nur ein wenig umgekehrt und die
Informationsgesellschaft
ist eine Simulation (oder sozusagen eine Real-Simulation), um die
Potentiale
autonomer Arbeit zu ersticken.

Was meinst Du damit, woran denkst Du? Autonome Arbeit in der Lohnarbeit
oder ausserhalb?
------
außerhalb, aber in gewisser Weise sogar - im Sinne des "die Schnellen
fressen
die Langsamen" - primär innerhalb der Lohnarbeit. Auf marxistisch: mit
relativer
Mehrwertproduktion nach bewährter Manier ist nichts mehr zu holen. Die
Multimediawirtschaft richtet sich sicher nicht gegen kommunistisch
werkelnde
Kollektive, sondern ist - wie Du sehr schön selbst beschreibst - einfach
neue
und dominante Methode der Produktion geworden.


Die Ideologie von der "zu Ende gehenden Arbeitsgesellschaft", die ja
leider
sogar die Krisis infiziert hat, lebt von einem falschen Gegensatz von
Arbeit und Automation. In dieser Vorstellung schafft Automation Arbeit
ab.

Krisis' Fehler ist (soweit ich das beurteilen kann): Arbeit sei
identisch mit Lohnarbeit. Letztere wird durch Automation tendentiell
abgeschafft, das würde ich allerdings auch so sehen.
-------
Wenn wir Arbeit definieren als jene Tätigkeit deren Zweck es ist, sich
selbst möglich überflüssig zu machen, stimmt das - aber eben nur
tendenziell...:-). Als Softwarespezialist weißt Du hingegen, wieviel
Arbeit die Automation macht!


Es gibt aber eine entgegenwirkende Gesetzmäßigkeit, daß nämlich
Automation Arbeit schafft, und dies gleich in mehrfacher Weise:

1. Der automatisierte Prozeß erfordert beständige Anpassungsarbeit
("Arbeit an der Arbeit").

Unter den Bedingungen der Lohnarbeit ist die Frage nur, ob der
"Overhead" der Automation die Effekte wieder auffrisst. Wenn dem so
wäre, würde das Kapital nicht automatisieren.
---------
Dem Kapital ist die notwendige Arbeit auch ziemlich wurst. 
der Witz ist, daß diese einfach nicht getan wird. Dazu wieder ein
Sigor Zitat:

"Es herrscht ein ökonomischer Circulus vitiosus: wirtschaftlicher Erfolg
kann durch lokale Komplexitätsverdrängung unter diffuser Belastung des
globalen Kontextes vergrößert werden.
D.h. die langfristige Demontage stabiler Wirtschaft erscheint temporär als
Erfolgsrezept ihrer Verhinderung.
Die Verletzung der Integrität der Handlungsfelder des Einzelnen durch das
wirtschaftliche Handeln anderer wird chronisch und kann aber nicht
rückverfolgt oder zugeordnet werden.
 Die Selbstregulation inhaltlicher wirtschaftlicher Verhältnisse
(Tradition der Qualitätsentwicklung wirtschaftlicher Leistungen) kippt in
eine explosionsartige Kettenreaktion der wechselseitigen inhaltlichen
Entwertung wirtschaftlicher Leistungen um, die das gesamte
Fortschrittspotential verzehrt."

zur genauen Ausführung poste ich mal die "Thesen zur Informations-
gesellschaft"


2. Die Produkte stellen neue Handlungsvoraussetzungen dar, ihre
"produktive Konsumtion" passiert gerade nicht automatisch.

Die "produktive Konsumtion", also das Herstellen von etwas anderem mit
den o.g. Produkten (Maschinen etc.), geschieht natürlich nicht
automatisch. Aber "produktive Konsumtion" bedeutet immer Herstellen von
Mehr mit weniger Aufwand an Lohnarbeit - sonst würde das nicht
passieren. Gerade die "produktive Konsumtion", die Anwendung
vergegenständlichter Algorithmen, schafft Lohnarbeit ab, weil die
Wiederholung der vergegenständlichten Algorithmen im Gegensatz zu ihrer
Vergegenständlichung fast nix mehr kostet. Und wenn man jetzt die
Ideenproduktion, die der Vergegenständlichung vorausgeht, GPL-ifiziert,
dann sieht das Kapital ziemlich alt aus.
--------------
wie gesagt, das Kapital versucht sich von diesem Widerspruch zu
emanzipieren, indem es die GPL immer wieder unterläuft.


"Die steigende Bedeutung geistiger und
konzeptioneller Arbeit - aufgrund der fortschreitenden
Automatisierung  der physischen Basisproduktion  -
bietet die Chance der Etablierung einer kapitalwettbewerbsfreien,
genossenschaftlich orientierten Produktionsweise"

Was ist "kapitalwettbewerbsfrei" - frei von Verwertungszusammenhängen
(Kauf-Verkauf gegen Geld)?
--------------
so ist es, selbst bei Linux gibt es Wettbewerb, fast so wie in der 
DDR:-)


"Konzeptionelle Arbeit braucht wenig "Stammkapital" um sich zu
verwerten.

Nee, das gilt für den Kapitalismus leider (noch) nicht. Die Betonung
liegt hier auf "verwerten": Verwerte (sprich: zu Geld machen) mal im
Kapitalismus eine gute Idee ohne viel Kapital - das ist doch ein
Tellerwäschermythos. Der Satz müßte vielleicht lauten: "Konzeptionelle
Arbeit braucht kein Kapital, um sich frei zu entfalten - außerhalb der
Verwertung."
-------------
Also die Tellerwäschermythen häufen sich ziemlich, von Netscape bis...
Du hast schon recht, die Kapitalgröße ist einfach ein Mittel, das ganze 
möglichst schnell aufzublasen etc. Der Satz stimmt trotzdem.


Die typische Arbeit der Zukunft ist direkter Konkurrent zum
Finanzkapital,
weil sie keines braucht! *Diese* Konsequenz der technischen Entwicklung
finden wir in keiner Informationsgesellschaftsdebatte - weil sie
ungeahnte
Sprengkraft für bestehende Verhältnisse hat.

Innerhalb der Verwertung illusionär - Du musst raus aus der Verwertung,
sonst kannste Dir das abschminken.
--------------

Jo! Ganz Deiner Meinung! Aber der Witz ist, die Chose ist JETZT SCHON
Konkurrenz, und die Segnungen der Informationsgesellschaft werden uns
als Generalprävention verabreicht gegen etwas, was JETZT SCHON da ist!


"Populistisch" ausgedrückt: es ist eine direkte Folge der Informations-
und
Automationstechnik, daß der Arbeiter den Fabrikanten nicht mehr braucht.

Das Kapital braucht den Fabrikanten auch nicht! - Die Krux ist doch,
dass überhaupt keine _konkreten_ Personen gebraucht werden, sondern nur
"irgendwelche" Leute, die mal Arbeit abliefern und mal die Gesetze der
Wert-Selbstverwertung erfüllen müssen. Und das doofe daran ist, dass die
"unten" das Geld-gegen-Arbeit brauchen, um zu (über)leben.
--------------
Kapital tritt aber immer noch auf als die gesellschaftliche Organisation 
der Produktion!


Das Klischee sagt: "die Arbeit wird zunehmend wegrationalisiert" - und
das ist falsch: der analytische Standpunkt besagt: "mit dem Verfall der
Preise für Massenprodukte wird die Existenzbedingung des Kapitals
wegrationalisiert"."

Das ist kein entweder-oder, sondern beides trifft zu.
-------------
die Schärfe des Arguments liegt darin, daß "die Arbeit" bestehen bleibt
und sich das erste Mal ihrer eigenen gesellschaftlichen Potentiale 
ohne Kapital bewußt wird. Bisher konnte man sich Vergesellschaftung
immer nur als äußerliche Klammer nach dem Muster des Kapitals vorstellen,
erst die von Marx geahnte "allgemeine Arbeit" bricht diese Dichotomie auf.

Naja, wir sind hier nicht in der Krisis Liste, also um es zurück auf
Linux zu biegen: Arbeit werden wir genug haben!

Franz


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http://www.oekonux.de/



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