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Re: Unfähigkeit zur Selbstentfaltung (war: [ox] Paper Linux-ist-wertlos)



Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net> writes:
Der Großteil der Menschen ist *überhaupt nicht* wirklich fähig, ohne
äußeren Zwang etwas nützliches zustande zu bringen, oder etwas
sinnvolles aus seinem Leben zu machen, sich "frei zu entfalten".

Diese Utopien basieren auf der Annahme, daß alle Menschen denken
können, einen Willen haben, etwas sinnvolles zustande bringen können
usw. Geht man von einer gegenteiligen Annahme aus, so sind natürlich
alle Schlußfolgerungen "falsch". Dies ist die einzige Kritik gegen die
man kaum "gegenargumentieren" kann, einfach da sie auf Axiomsebene
erfolgt.

Da hast Du erstmal recht. Stimmt.


Auf derselben Annahme, auf der diese Utopien aufbauen, baut aber
auch unsere freiheitlich- demokratische Grundordnung auf, die dem
Volk beispielsweise eine politische Willensbildung zutraut und
auch zubilligt.

Das denke ich nun allerdings nicht. Die Grundordnung ist eher ein
Kompromiß derart, daß man doch lieber das tut, was "die meisten"
wollen.

Ich bin überhaupt der Meinung, daß unsere "demokratische" Grundordnung
nur darauf basiert, daß die größte "*Teil*menge" den größten Einfluß
ausübt, ohne daß diese Teilmenge unbedingt die "Mehrheit" sein
muß. Ist aber ein sehr weites Feld ...


Dies wird immer einer Elite vorbehalten sein und es wird immer
irgendjemanden aus dieser kleineren elitären Menge geben, der sich
die Unfähigkeit zur eigenen Meinung und Selbstentfaltung der anderen
zunutze machen wird, um seine eigene Selbstentfaltung zu betreiben.

Zählst du dich selbst demnach zur Elite oder zur Masse der Unfähigen,
und nutzt du ggf. deine elitäre Position aus?

Ich zähle mich zur Masse der Unfähigen, die erkannt haben, daß sie
sich selbst Druck aussetzen müssen, um etwas zustande zu bringen.

Geschickte Antwort, was? :-)

Ich versuche also, Elite zu werden, übe aber noch.


Ob das nun jemand ist, der eine Firma aufmacht und "Arbeitnehmer"
einstellt oder ein "Führer", der den Menschen ein Eroberungs-Ziel
gibt, nach dem sie streben können, macht im Rahmen meiner obigen
Behauptung keinen qualitativen Unterschied.

Kannst du mir das am Beispiel "Linux" mal erläutern? Wer ist da die
Elite, und welche "Führer" nutzen dort die Unfähigkeit der anderen
aus? 

Ich bin ja eben genau der Meinung, daß

 1. die gesamte Menge der Linux-Macher genau diese Elite ist, von der
    ich spreche (die allerdings merkwürdigerweise tatsächlich
    niemanden ausnutzen), und 
 2. das ganze nur deswegen klappt, weil es die Tätigkeit
    "Programmieren" betrifft, wozu ich früher schon mal eine Theorie
    gepostet habe.

Ich denke daher entsprechend, daß

 1. es nicht auf die "restliche" Gesellschaft ausweitbar ist und wenn
    doch, dann 
 2. nur auf ähnliche Tätigkeiten wie das Programmieren übertragbar
    ist, d.h. ähnlich bzgl. der Motivations- und (Selbst-)
    Befriedigungsmöglichkeiten. (Ihr versteht, welche Befriedigung ich
    meine ...)


Eine Firma, zum Beispiel, aus lauter frei arbeitenden, sich selbst
entfaltenden Arbeitskräften

z.B. ein nach torwaldschem Muster arbeitendes GNU- Programmiererteam

Genau. Elite.


ist nur ein relativ gering
wahrscheinlicher Zusammenschluß von mehreren Individuen jener
"elitären Schicht".

"relativ gering wahrscheinlich"???

Es gibt eine Menge, aber gemessen an 6 Milliarden ist das ein Klacks.

Insbesondere kann ich mich in meinem elitären Umfeld umschauen, mit
dem ich sympathisiere, d.h. im Netz in Linux-Gruppen, an der Uni und
sonstwo, und es sieht verdammt so aus, als wäre die Welt voller
begnadeter Genies. Davon kommen vielleicht auch viele ganz gut
"selbst" zurecht (obwohl ich auch das anzweifle). Aber das sind eben
nicht die, aus denen die "normale" Gesellschaft zum großen Teil
besteht.

(Ich klinge sicher beeindruckend arrogant, aber was kann ich dafür,
ich hab's nicht so gemacht...)


Ich kann nicht jeden beliebigen Arbeitnehmer
einstellen, ihm alle Freiheiten geben und trotzdem einem Ziel
entgegenstreben.

Das ist auch nicht nötig.
(vgl. "Linux ist nichts wert", Kap. 1.2.)

Daß man den Dingen ihren Lauf läßt, steht aber irgendwie im
Widerspruch zu dem "sich entfalten", also persönlicher Zielverfolgung.

Linus ist es vielleicht auch nur egal, solange es sich so toll
entwickelt, die Sache also von selber größer und besser wird. Er
braucht also jetzt nichts mehr dafür zu tun, um "reich und berühmt"
(insert your own goal here) zu werden, weil es eben ein Selbstläufer
ist, der sich (zufällig) so entwickelt, wie es sich jeder mit seinem
eigenen Zeug wünschen würde.

Daraus folgt aber nicht grundsätzlich, daß etwas, das ich sich selbst
überlasse, sich so entwickelt, wie ich es gerne wollte.

Und daß ich möchte, daß sich etwas in eine bestimmte Richtung
entwickelt, ist schon irgendwie das Wesen von Selbstentfaltung, oder?

(Ich kenne natürlich nicht wirklich Linus' Ziele und Vorstellungen bzw.
was er "im Leben erreichen will" (sülz). Deswegen kann ich da sonstwas
hineininterpretieren ...)


Tja, alles ziemlich destruktives Gerede, im Vergleich zu den vielen
konstruktiven Bemühungen hier, aber ich bin da tatsächlich Pessimist.


Egal, auf jeden Fall frohe Ostern.

GreetinX
Steffen
-- 
Steffen Schwigon
<schwigon innocent.com>

---------------------
http://www.oekonux.de/



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