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Re: Unf higkeit zur Selbstentfaltung (war: [ox] Paper Linux-ist-wertlos)



Hi Steffen und Liste!

Nun auch noch von mir ein Löffelchen Senf auf die restlichen
Ostereier (nicht sehr multikulturell die Liste hier ;-) ).

Schläge habe ich übrigens auch nicht vor auszuteilen - wie wohl
niemensch hier wirklich :-) :-) :-) .

Grundsätzlich teile ich den Tenor einiger Antworten: Die Menschen sind
so wie sie sind, weil sie so (gemacht) werden. Ich denke nach wie
vor, daß so etwas wie ein fixes Menschenbild nicht haltbar ist.

6 days ago Steffen Schwigon wrote:
Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net> writes:
Auf derselben Annahme, auf der diese Utopien aufbauen, baut aber
auch unsere freiheitlich- demokratische Grundordnung auf, die dem
Volk beispielsweise eine politische Willensbildung zutraut und
auch zubilligt.

Das denke ich nun allerdings nicht. Die Grundordnung ist eher ein
Kompromiß derart, daß man doch lieber das tut, was "die meisten"
wollen.

Ich bin überhaupt der Meinung, daß unsere "demokratische" Grundordnung
nur darauf basiert, daß die größte "*Teil*menge" den größten Einfluß
ausübt, ohne daß diese Teilmenge unbedingt die "Mehrheit" sein
muß. Ist aber ein sehr weites Feld ...

In der Tat. Ich unterscheide da inzwischen zwischen den Regierenden -
die per unsere Wahlstimmen in die Ämter kommen - und die Herrschenden
- die über ihr Bankkonto herrschen. Wenn du dir Hundt, Stihl und
Konsorten mal vor Augen führst und was die in den letzten Jahren alles
durchgedrückt haben, wirst du ahnen was ich meine...

Ob das nun jemand ist, der eine Firma aufmacht und "Arbeitnehmer"
einstellt oder ein "Führer", der den Menschen ein Eroberungs-Ziel
gibt, nach dem sie streben können, macht im Rahmen meiner obigen
Behauptung keinen qualitativen Unterschied.

Kannst du mir das am Beispiel "Linux" mal erläutern? Wer ist da die
Elite, und welche "Führer" nutzen dort die Unfähigkeit der anderen
aus?

Ich bin ja eben genau der Meinung, daß

 1. die gesamte Menge der Linux-Macher genau diese Elite ist, von der
    ich spreche (die allerdings merkwürdigerweise tatsächlich
    niemanden ausnutzen), und

Das ist gerade Teil des Neuen! Sie klinken sich aus der Verwertungs- /
Profitlogik aus und brauchen niemenschen mehr auszunutzen. Das ist
doch ein Hinweis auf die Richtigkeit des Arguments, daß der
Verwertungszwang eben diese Folgen hervorruft - oder?

Lies vielleicht mal Stallmanns historisches Gnu-Manifest (über die
Link-Page `http://www.oekonux.de/projekt/links.html' zu finden).

 2. das ganze nur deswegen klappt, weil es die Tätigkeit
    "Programmieren" betrifft, wozu ich früher schon mal eine Theorie
    gepostet habe.

Na, an der Übertragung muß sicher noch gearbeitet werden.

Ich denke daher entsprechend, daß

 1. es nicht auf die "restliche" Gesellschaft ausweitbar ist und wenn
    doch, dann

Hier möchte ich Franz' Bemerkung von kürzlich nochmal unterstreichen:
In einer GPL-Gesellschaft wäre die freie Entfaltung aller *im
Interesse* jeder Einzelnen - weil *sie ganz persönlich* davon etwas
hätte - siehe Gnu/Linux.

 2. nur auf ähnliche Tätigkeiten wie das Programmieren übertragbar
    ist, d.h. ähnlich bzgl. der Motivations- und (Selbst-)
    Befriedigungsmöglichkeiten. (Ihr versteht, welche Befriedigung ich
    meine ...)

Klar muß die Befriedigung da sein. Aber m.E. haben Menschen sehr viele
Wege gefunden, sich Befriedigung zu verschaffen und da bei produktiv
zu sein. Ist ja eigentlich auch naheliegend: Wer macht schon gerne
etwas Unbefriedigendes wenn er nicht von außen dazu gezwungen wird?

Daß das einen massiven Umbau - oder ich vermute eher: Neubau - der
Produktionsmittel, die die Zwangsstrukturen zum guten Teil eingebaut
haben, erfordert, steht für mich außer Frage.

Eine Firma, zum Beispiel, aus lauter frei arbeitenden, sich selbst
entfaltenden Arbeitskräften

z.B. ein nach torwaldschem Muster arbeitendes GNU- Programmiererteam

Genau. Elite.

Na und was wäre daran auch so schlimm? Wenn die mit ihrem Tun die
Menschheit beglücken warum sollten sie jemensch aufhalten?

Well, diese Elitendiskussion scheint mir noch nicht beendet.

Ich kann nicht jeden beliebigen Arbeitnehmer
einstellen, ihm alle Freiheiten geben und trotzdem einem Ziel
entgegenstreben.

Warum nicht?

Na gut, mit Einstellen im üblichen Sinne geht das so ohne weiteres
nicht und mit jeder Beliebigen sicher auch nicht. Aber es gibt
durchaus Beispiele für selbstverwaltete Betriebe, die einem Ziel
entgegenstreben und Leute einstellen, die zu ihnen passen (ohne eine
Diskussion über selbstverwaltete Betriebe vom Zaun brechen zu wollen
;-) ).

Ich sage mal das Stichwort hier ist Konsens. Wenn du einen Konsens
über ein Ziel erreichst, was sollte die Leute daran hindern dieses
Ziel anzustreben? Dazu muß das Ziel natürlich im Interesse der
Beteiligten liegen - klar.

Das ist auch nicht nötig.
(vgl. "Linux ist nichts wert", Kap. 1.2.)

Daß man den Dingen ihren Lauf läßt, steht aber irgendwie im
Widerspruch zu dem "sich entfalten", also persönlicher Zielverfolgung.

Nein. Den Dingen ihren Lauf lassen heißt ja nicht, nicht mehr existent
zu sein. Natürlich sollst du dich einbringen - aber weder als Chef
noch als Untergebener sondern als Gleichberechtiger. Das ist
allerdings etwas, was wir in der kapitalistischen insgesamt aber
besonders in Deutschland kaum lernen. Die angloamerikanische Kultur
hat da m.E. bessere Voraussetzungen.

Linus ist es vielleicht auch nur egal, solange es sich so toll
entwickelt, die Sache also von selber größer und besser wird. Er
braucht also jetzt nichts mehr dafür zu tun, um "reich und berühmt"
(insert your own goal here) zu werden, weil es eben ein Selbstläufer
ist, der sich (zufällig) so entwickelt, wie es sich jeder mit seinem
eigenen Zeug wünschen würde.

Soweit ich das verstanden habe, hat Linus Torvalds Linux aus allen
möglichen Gründen in die Welt gesetzt - aber nicht um berühmt zu
werden. Das war ja damals auch alles andere als klar.

Was sein Kontrollbedürfnis angeht, so kann ich nur auf die
Tanenbaum-Torvalds-Debatte verweisen: Er *will* die Kontrolle auch gar
nicht behalten.

Daraus folgt aber nicht grundsätzlich, daß etwas, das ich sich selbst
überlasse, sich so entwickelt, wie ich es gerne wollte.

Klar nicht. Und es folgt auch nicht, daß jedes freie, selbstbestimmte
Projekt ein Erfolg wird. Aber daß hierarchische Projekte ein Erfolg
werden müssen, ist ja ebenfalls Wunschdenken. Wir verlieren also schon
mal nichts.

Gnu/Linux zeigt aber, daß wir sogar viel zu gewinnen haben.

Und daß ich möchte, daß sich etwas in eine bestimmte Richtung
entwickelt, ist schon irgendwie das Wesen von Selbstentfaltung, oder?

Ja. Wo ist da der Widerspruch? Freiheit bedeutet nicht
Beziehungslosigkeit. Vielmehr spielt (selbstgewählte) Verantwortung
m.E. eine große Rolle (- auch wenn ich dieses Gefühl noch nicht
logisch herleiten kann). Der Wunsch nach Entfaltung bedeutet nicht,
die Entfaltung anderer zu behindern. Einen Wunsch zu haben, bedeutet
nicht, daß du ihn nur alleine verwirklichen kannst.

Tja, alles ziemlich destruktives Gerede, im Vergleich zu den vielen
konstruktiven Bemühungen hier, aber ich bin da tatsächlich Pessimist.

Na ja, deine Antworten sind ja schon nicht mehr so pessimistisch :-) .

7 days ago Steffen Schwigon wrote:
Annette.Schlemm t-online.de (Annette Schlemm) writes:
Dies wird immer einer Elite vorbehalten sein und es wird immer
irgendjemanden aus dieser kleineren elitären Menge geben, der sich
die Unfähigkeit zur eigenen Meinung und Selbstentfaltung der anderen
zunutze machen wird, um seine eigene Selbstentfaltung zu betreiben.

Ja, vor einigen Jahrhunderten und Jahrzehnten hieß dieses Argument: "Es
wird immer Sklaven geben, denn sie werden als Sklaven geboren, oder
verdienen es nicht besser."

Annettes Punkt möchte ich auch nochmal unterstreichen. Vor allem wenn
ich in Terms of Übergang denke und mal wieder den Übergang vom
Feudalismus zum Kapitalismus, von der Aristokratie zur Demokratie als
Analogie nehme. Deine Position wäre dann gewesen: "Die Menschen werden
immer ihren König / Papst brauchen." Nun, die Geschichte hat uns eines
besseren belehrt :-) .

7 days ago Steffen Schwigon wrote:
Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org> writes:
Ich sage: Menschen brauchen keinen Zwang, zu gar nix.

Tja, wenn ich das nur ebenso sicher wüßte...

Die Konsequenz wäre, daß jeder *von sich aus* niemals versucht,
anderen etwas aufzuzwängen. Denn jemanden *daran* zu hindern, wäre ja
auch schon wieder Zwang.

Nein - zumindest nicht so. Es gibt so etwas wie Grenzen - persönliche
und auch von Gruppen. Und Grenzverletzungen können und müssen
verhindert bzw. sanktioniert werden. (Da kommt wieder die
Verantwortung ins Spiel, die m.E. aus der Freiheit folgt.) Das ist
kein Widerspruch zu Freiheit sondern ein Konflikt. Und Konflikte auf
menschlichere und weniger gewalttätige Art auszutragen als heute, wäre
in konkreten Terms eines meiner wichtigsten Ziele.

Uiuiui, das klappt nie. Mein Pessimismus
bleibt.

Nur, wenn du die Kategorien so gegen sich selbst ausspielst - was
viele tun.

Ich kann dazu nur sagen, daß das eine Folge fehlender konkreter
Erfahrung mit freiheitlichen / libertären Strukturen (solchen, die den
Namen verdienen meine ich... gibt auch andere...) ist. Ich habe da so
ein paar Sachen erlebt, und sage heute, daß es sich um bestimmte
Kulturtechniken handelt, die als solche erfahr- und auch erlernbar
sind - wie heute der Umgang mit Geld erlernt wird.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


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