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Re: [ox] GPL-Gesellschaft kapitalismuskompatibel?



Hi Stefan,

Stefan Meretz schrieb:
[...dass Menschen sich ihre Broetchen ... *verdienen* muessen...]
Dahinter steckt die Vermutung, dass man Menschen zur Arbeit zwingen
muss, sonst wuerden sie nix tun (Wer nicht arbeitet, soll nicht essen).
Auch hier hat die FS-Bewegung gezeigt, dass dem so nicht ist.

Naja, die FS-Bewegung hat nur gezeigt, dass eine ganz bestimmte Sorte von
Menschen (Freaks) eine ganz bestimmte Sorte von Arbeit (FS-Programmierung)
freiwillig tut.  Ob das auf alle Menschen (oder auch nur die Mehrheit) und
alle Arbeiten (oder auch nur die Mehrheit) verallgemeinerbar ist, ist des
Pudels Kern dieser Debatte (GPL-Gesellschaft), der noch nicht befriedigend
aufgeweicht wurde...
Die Verallgemeinerbarkeit scheint recht unwahrscheinlich, wenn man bedenkt,
wie klein und speziell (unrepräsentativ) die obengenannten 'Sorten' Mensch
und Arbeit (bzw. Produkt[-kopierbarkeit]) für die Gesamt-Gesellschaft sind
(ja, auch für künftige..).

Dazu schrieb Thomas Uwe Gruettmueller:
Daß alle
Leute etwas Nützliches tun sollen, wurde nie behauptet, stattdessen,
daß sie das tun sollen, was ihnen Spaß macht, was unter Umständen
nützlich sein kann. Das tolle ist an den bisherigen Überlegungen,
selbst wenn die Leute in der Mehrheit nichts besseres zu tun haben,
als den ganzen Tag Achterbahn zu fahren, bis sie kotzen müssen,
funktioniert die GPL-Gesellschaft trotzdem.

Das ist eben die grosse Frage.  (Achterbahnfahren dürfte noch eines der
harmloseren Beispiele sein für die dann mehrheitlich resultierenden
"Tätigkeiten"...)  Natürlich produziert der gegenwärtige Konsumterror
viele unsinnige und (umwelt/sozial-)schädliche Dinge, aber auch wenn
man die weglässt, bleiben doch noch viele Arbeiten, die nicht attraktiv
und/oder nicht kreativ sind, aber für eine "funktionierende Gesellschaft"
(oder auch nur funktionierende Infrastruktur) dennoch nötig sind.  Zu
meinem früher erwähnten Beispiel der Lastwagenfahrer zur Belieferung der
"kassenlosen Supermärkte" schrieb Stefan Merten:  (am 4.4.)

Lastwagenfahrer finde ich übrigens ein hervorragendes Beispiel von
sinnloser Vernichtung von Arbeitskraft. Wenn ich mir alleine vor Augen
halte, wieviele Menschen Waren auf LKWs durch die Lande fahren, die
auf schienengebundenen Transportmitteln sicher mit viel weniger
Personal transportiert werden könnten...

Stimmt, aber da bleibt trotzdem noch genügend Bahnpersonal (und die
Lastwagenfahrer zur Feinverteilung [als "alter Oekologe" denke ich
da natürlich lieber an Transportradfahrer ;-) , aber das vergrössert
eher noch den Personalaufwand..]), wofür erstmal genügend Freiwillige
zu finden wären -- kann irgendwer Lokomotiv- oder LKW-Fahren als
kreative Selbstverwirklichung bezeichnen..?  (und das sind noch
nichtmal die unkreativsten/unbeliebtesten nötigen Arbeiten..)


---

Bernd antwortete:
  [CR:]
Wurde der Feudalismus abgeschafft?  Er wurde h?chstens etwas abge?ndert --
vom Titel-Adel hin zum Geld-Adel -- statt dem Adelstitel wird eben nun
das Geld vererbt...   (wobei es da bis heute grosse Ueberschneidungen
gibt -- Stichwort Royals, Thurn&Taxis, ÷lscheichs, etc.)

Der heutige Adel ist, in seiner Rolle als Adel, folklore.

Der heutige Geld-Adel ist aber alles andere als Folklore (zur Klarheit:
mit Geld-Adel sind "die Reichen" gemeint).

Die Markwirtschaft mit ihren Waren und all, ihren Verhaelntissen
unterscheidet sich qualitativ von der
Lehnswirtschaft mit ihren Leibeigenen. Zum Glueck, oder?
Und davon wiederum die Gesellschaften mit Sklaven- oder Palastwitschaft.
Richtig ist allerdings, dass, so wie sie qualitativ in der Wissenschaft
unterschieden werden, es auch ein gemeinsames (auch qualitatives)
Mekrmal gibt: Die Herrschaft einiger Wenige ueber die Mehrheit.
Aber man wuerde wichtige Informationen ueber gesellschaftliche
Dynamik verlieren, wuerde man diese Unterschiede in der
Analyse/Theoriebildung unterschlagen.

Man würde auch wichtige Informationen über gesellschaftliche Dynamik
verlieren, wenn man aus der "Milderung" der Leibeigenschaft schliessen
würde, dass der Feudalismus abgeschafft wurde.  Gerade die heutigen
Entwicklungen (Neoliberalismus etc.) gehen doch in die Richtung von
wieder *mehr* Feudalismus (nicht nur beim Geldadel ansich, sondern
auch in Politik und Wirtschaft).

Grüsse,
Christoph



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