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Exemplare, Fernheizung usw.(was: Re: [ox] virtuelle Welten)



Hallo, alle zusammen!

On Fre, 15 Sep 2000, Paul R. Imbusch wrote:

     Wenn der Zweck des Wirtschaftens die Verteilung knapper Gueter
  ist, faellt die Verteilung von Software nicht darunter. Anders
  bei natuerlichen Ressourcen und menschlicher Lebenszeit. Auch mir
  waere es lieber, wenn alle Gueter frei waeren.

"Frei" im Sinne der FSF heißt nicht, daß etwas kostenlos erhältlich ist, 
sondern, daß niemand durch Patente oder Urheberrecht daran gehindert wird, 
weitere Exemplare für den Eigenbedarf oder zum Verkauf herzustellen. Ferner 
darf die Benutzung nicht eingeschränkt sein, mal abgesehen vom 
Reprivatisierungsverbot.

Dies versteht hier aber keiner, denn im Deutschen wird ein Text oder ein 
Programm als eigenständiges Gebilde betrachtet und nicht als Eigenschaft 
eines materiellen Gegenstandes. Das ist im Englischen anders. Wenn in der GPL 
von Programmen oder in der GFDL von Dokumenten die Rede ist, ist damit nicht 
nur das abstrakte Gebilde gemeint, sondern dieses plus Datenträger, also das 
materielle Gesamtgebilde. Natürlich kann man das Original nicht im Laden 
kaufen, da muß man schon mit dem Autor verhandeln. Wohl aber Kopien 
(Exemplare). 

Was bei freier Software kostenlos ist, ist das Nutzungsrecht, ebenso das 
Recht, Kopieen zu erstellen (copyright). Die Exemplare kosten natürlich Geld, 
und auch die Erstellung des Originals kann Geld kosten (Sponsoring). Eine 
Übertragung auf materielle Güter (darunter sind solche Güter zu verstehen, 
die nicht nur Medium sind, egal ob für Datenmüll oder sinnvolle Inhalte, 
sondern, die einen Nutzen fest einkonstruiert haben, z.B. Brot oder Flaschen 
im Gegensatz zu Büchern (vollgedruckten -- keine Rohlinge!) oder 
Schallplatten) ist also, daß Freie materielle Güter solche sind, die jeder 
nachbauen darf. Deshalb müssen sie noch lange nicht kostenlos sein.

Daß sie aber eines Tages doch kostenlos sein werden, ist eine ganz andere 
Geschichte. Das liegt daran, daß bei Freien Gütern im Zusammenhang mit der 
weiten Verbreitung von Rechnern, Internet und billigen Medien (CD-R) den 
Menschen völlig neue Möglichkeiten des selbstbestimmten Mitwirkens zur 
Verfügung stehen. Zeit haben die Leute ja genug, sonst gäbe es nicht 20 
verschiedene überregionale deutschsprachige Fernsehkanäle, die 24/7 up sind.
Je mehr Leute ihre GEMA-Schnauze aus dem Fenster schmeissen, um zum Spaß 
aktiv irgendetwas Konstruktives zu leisten (ich sage nicht einmal, daß es 
nützlich sein muß), um so stärker wird von Tag zu Tag die Chance, daß wir 
eines Tages so etwas wie den Kommunismus erreichen.

  Der Umgang mit
  der Heizung in der DDR hat wohl gezeigt, dass Kostenlos zur
  Verschendung fuehrt.

Das war ja ganz anders. (Du kommst wohl aus dem Westen, was?) Also, im Jahre 
1984 kam zu uns ein Mann an die Wohnung, den wir dann auch noch dummerweise 
hineingelassen haben, der dann mit einer Wasserpumpenzange sämtliche 
Handgriffe an den Heizungsventilen zerstörte, mit der Begründung, es würden 
demnächst Thermostate gesetzt. Dies geschah aber nicht mehr bis zu unserer 
Ausreise im April 1989. Folglich mußten wir die Ventile mit einer Kombizange 
auf- und zuregeln. Das heißt, eigentlich nur aufregeln. Um es kühl zu haben, 
kann man ja das Fenster aufmachen.

Nun weiß ich nicht, ob der Ventilrowdy vielleicht ein Witzbold war, der nur 
in Rostock sein Unwesen getrieben hat. Da ich aber gehört habe, daß im ganzen 
Land die Twemperatur mit dem Fenster geregelt worden sein soll, nehme ich an, 
daß es ein staatlicher Beschluß war, sämtliche Ventilgriffe zu entfernen. Wer 
weiß da mehr drüber?

Andererseits, was mir spontan zu den Heizungen in der DDR einfällt, ist, daß 
es sich, zumindest bei den Neubauten, um Fernwärmeheizungen handelte. Das 
heißt, ein Wärmekraftwerk versorgt eine ganze Stadt mit Wärme. Dadurch gab es 
in den Wohnhäusern gar keine Hausmeister, und nicht, so wie hier, einen pro 
Aufgang. 

Die Benutzerfreundlichkeit eines solchen Systems ist sehr gut (d.h. man muß 
sich um nichts kümmern), die Zuverlässigkeit unterschiedlich. In der Stadt 
war sie sehr gut, auf alle Fälle wesentlich besser als eine typische 
Ölheizung, lediglich in den Sommermonaten wurde nicht geheizt, aber das war 
wohl Absicht und nicht technisches Versagen. Auf dem Land konnte es aber 
schon vorkommen, daß der Heizer regelmässig besoffen war und nicht heizen 
konnte. Die Umweltverträglichkeit einer Fernheizung (d.h. Streckenverluste) 
bei vorhandenen Drehknöpfen kann ich nicht beurteilen.

Für den Kapitalismus sind Fernheizungen nicht zu empfehlen, da dies eine 
Versklavung der Menschen an lokale Energiemonopole bedeuten würde. 
Andererseits sind ja die Menschen durch die Öl- und Gasöfen energiemässig an 
den jeweiligen Vermieter gebunden, bzw. Hausbesitzer an das von ihnen 
gewählte System (z.B. Öl) oder, bei Gas, an einen einzelnen Lieferanten. 
Vielleicht wäre ja ein Fernheizungssystem denkbar, in das mehrere Anbieter 
einspeisen, so daß es zu echter Konkurrenz kommt, wie jetzt beim Strom oder 
bei den Ferngesprächen.

Ich denke, daß wenn eines Tages sich im Volk die Einstellung zum Thema 
Arbeitslosigkeit geändert hat, die Fernheizung (dann aber mit Thermostaten) 
noch mal wiederentdeckt wird.

  Und wie verteilen wir unangenehme Arbeiten,
  z.B. Toiletten reinigen? Zwischen den Extremen freies Gut und Tauschen

Wenn sich jemand eine Freie Toilette gekauft hat, kann er damit machen, was 
er will, d.h. er kann sie entweder hegen und pflegen oder bis zum Rand 
vollkacken. Allenfalls wenn die Toillette copylefted ist, darf er sie nicht 
vollgekackt als Gesamtwerk patentieren oder sonstwie schützen lassen, da er 
ansonsten sein Benutzungsrecht an dieser Toilette auf ewig verwirkt.

Eine andere Frage ist, wie es mit fremden Toiletten, z.B. öffentlichen, 
aussieht. Dies hat nichts mit Freien Produkten zu tun. Solange es noch 
Supermarktkassen gibt (Übergangsphase), wird es auch jemand für Geld machen, 
und danach mal weitersehen. Man könnte aber die Verschmutzung minimieren, 
indem man den Freundlichkeits-Befehl aufhebt. Wenn jemand absichtlich 
vorbeikackt oder im Supermarkt den Fisch ins Süßwarenregal legt, dann muß es 
möglich sein, daß ihn die betroffene Verkäuferin oder Reinemacherfrau dafür 
vor versammeltem Publikum zusammenscheißt. 

     Wenn wir die Realitaet, Materie bewegen wollen sehe ich keine andere
  Moeglichkeit als Stueck fuer Stueck die Schwierigkeiten aufzuloesen.
     Auf dem Weg zur Realitaet waere auch ein Produkt-Ideenpool,
  in den jeder seine Idee einbringt,

Ein Produkt-Ideenpool wäre genial. Dadurch wären Ideen vor Patentierung 
geschützt. Leider kann man auf der Patente-Grundlage kein Copyleft 
konstruieren, da Patente Geld kosten, so daß die Ideen in proprietäre 
Produkte fliessen können. Es müßten parallel dazu auch Bestrebungen 
unternommen werden, Freie Implementationen der Ideen zu schaffen.

  gemeinsam auf soziale und
  oekologische Wirkungen abgeklopft, verworfen oder weiterentwickelt
  wird. Z.B. ein Traubenlese-Robi

Menschenartige Roboter, wie man sie aus Comics kennt, wären genial.

  Am Ende die Konstruktionsunterlagen unter GPL.

...wenn es nicht nur bei Ideen bleibt. 


Tschüß,
Thomas
 }:o{#

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http://www.oekonux.de/



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