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Re: [ox] "GPL-Gesellschaft" oder was?



Hi Stefan,

Stefan Meretz antwortete:

<zynisch>
Naja, also z.B. ein CEO, Spekulant oder "Royal" würde aber doch die
*jetzige* Gesellschaft viel mehr als "Selbstentfaltungsgesellschaft"
bezeichnen, als die GPL-Gesellschaft.  In der letzteren könnte er
seine Profitgier etc. nämlich gar nicht ausleben/entfalten...
</zynisch>

Vor dieser Ambivalenz sollten wir auf keinen Fall kuschen!! Ja, es ist
so, dass das Kapital erkannt hat, dass die Selbstentfaltung des Menschen
die letzte _qualitative_ Ressource eines weiteren Schubes der
Produktivkraftentwicklung ist. Nur: WIR haben erkannt, dass
Selbstentfaltung und Kapitalverwertung in einem unauflösbaren
Widerspruch zueinander stehen, dass unbeschränkte Selbstentfaltung _nur_
unter wertfreien Bedingungen möglich ist.  [...]
Selbstentfaltung und Selbstverwertung sind Feuer und Wasser!

Auf "Arbeitnehmerseite" stimmt das natürlich.  Mein Punkt war aber,
dass auf der "Boss-Seite" (und diese beinhaltet nicht nur arbeitende
Bosse, sondern auch passive Profiteure) die Selbstentfaltung eben
gerade darin besteht, Profite und Macht anzuhäufen, was in der
GPL-Gesellschaft dann eben nicht mehr möglich ist.  *Deshalb* werden
die Bosse alles daran setzen, die GPL-Gesellschaft zu verhindern.
Diese Ambivalenz müssen wir also "lösen", um das Ziel zu erreichen.

Denk mal an Beamte (v.a. EU-Beamte), Juristen, Politiker, CEOs,
Industrielle, Millionenbauern, etc. -- deren "Selbstentfaltung"
geht *per Definition* auf Kosten Anderer.  A propos Definition:


Annette Schlemm schrieb:
------- Zitat aus Buch "Freie Menschen in freien Vereinbarungen -
                - Gegenbilder zur EXPO 2000 (S. 25) -------------------

"Selbstentfaltung" kann man fassen als individuelles Entwickeln und
Leben der eigenen Subjektivität, der eigenen Persönlichkeit.
Selbstentfaltung bedeutet die schrittweise und zunehmende Realisierung
menschlicher Möglichkeiten auf dem jeweils aktuell erreichten Niveau.
Selbstentfaltung ist also unbegrenzt
                       ^^^^
Dieses "also" kann ich logisch nicht nachvollziehen.  Nur weil etwas
schrittweise und zunehmend erfolgt, muss es noch lange nicht unbegrenzt
sein (auf diesem Planet erfolgt vieles schrittweise und zunehmend,
aber *nichts* ist unbegrenzt -- ausser vielleicht die Dummheit gewisser
Leute ;-}).


Selbstentfaltung geht niemals auf
Kosten anderer, sondern setzt die Entfaltung der anderen notwendig
voraus, da sonst die eigene Selbstentfaltung begrenzt wird. Im Interesse
meiner Selbstentfaltung habe ich also ein unmittelbares Interesse an der
Selbstentfaltung der anderen.

Na, das hängt aber ganz von der Persönlichkeit derjenigen ab.  Für
OekonuxerInnen trifft diese Definition wohl zu, aber für die oben
genannten Typen gar nicht.


Es gibt aber auch eine sehr eingeschränkte Auffassung von
"Selbst-verwirklichung", die hier nicht gemeint ist. Es geht nicht
darum, eine persönliche "Anlage" oder "Neigung" in die Wirklichkeit zu
bringen, sie wirklich werden zu lassen. Diese Vorstellung
individualisiert und begrenzt die eigentlichen Möglichkeiten des
gesellschaftlichen Menschen: Wenn es "wirklich" geworden ist,
dann war's das.
  ^^^^^^^^^^^^^^
Schön wär's -- nein, Leute mit *dieser* Auffassung von "Selbst-
verwirklichung" können i.d.R. *nie* genug kriegen -- selbst "wenn
es 'wirklich' geworden ist" (Beispiel M$-Gates: Ziel "reichster
Mann der Welt" schon lange erreicht), dann "war's das" *noch nicht*
-- die pathologische Gier/"Spielsucht" geht immer weiter.


Eine individualisierte Auffassung von "Selbstverwirklichung"
reproduziert den ideologischen Schein eines Gegensatzes von Individuum
und Gesellschaft unter bürgerlichen Verhältnissen. Sie bedeutet im Kern
ein Abfinden mit und sich Einrichten in diesen beschissenen Bedingungen.

Auch nicht unbedingt so:  Neoliberale "Revolutionäre" finden sich gar
nicht mit diesen beschissenen Bedingungen ab -- sie gehen aktiv daran,
die Bedingungen *noch beschissener* zu machen!  (EU/WTO/WIPO/..)

Grüne Grüsse,
Christoph R



----------------------
http://www.oekonux.de/



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