Re: [ox] Die Anwendbarkeit der Werttheorie in der Informatik
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Tue, 21 Nov 2000 06:46:41 EST
Hallo
In einer eMail vom 20.11.00 17:03:20 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt
stefan.meretz hbv.org:
hallo Ralf und andere Marxexegeten,
So versteh ich mich nicht. Das entscheidende Kriterium für die Richtigkeit
einer sozialwissenschaftlichen Aussage ist nie, was Marx dazu meinte, sondern
ob sie angemessenes Begreifen der sozialen Realität (und ggf. darauf
begründete Praxis) ermöglicht.
könnt ihr mir zwei Begriffe "definieren" ;-), naja, erklären reicht
mir auch - zum einen
- allgemeine Arbeit
in meiner Interpretation: Arbeit, insb. Entdeckungen und Erfindungen, deren
Resultate allen mehr oder minder frei zur Nutzung zur Verfügung stehen.
und zweitens
- general intellect
m.E. kein defnierter theoretischer Begriff, etwa zu übersetzen mit: das
gesellschaftlich zur Verfügung stehende Wissen.
Nehme ich deine Beschreibung, dann ist das, was Freie Softwarehacker
betreiben, allgemeine Arbeit. Die GPL hat sie sozusagen der
Verwertung entzogen, in dem sie das Produkt entknappt und
verallgemeinert.
Wenn die Freie Software gesellschaftlichen Gebrauchswert hat und der
Gesellschaft zur Verfügung steht, m.E. ja.
Ja, sie dürfen auch Geld dafür kriegen, aber das
ist kein Lohn, sondern Spende (Hans-Gerts Büchse?).
M.E. dürfen sie auch Lohn dafür kriegen, z.B. als angestellte Wissenschaftler
in Forschungseinrichtungen, die ihre Ergebnisse frei zur Verfügung stellen,
oder auch als Publizisten, die ihre Bücher verkaufen. Hauptsache, die
Resultate stehen öffentlich zur Verfügung und ihre Nutzung ist nicht durch
irgendwelche Eigentumsrechte beschränkt. Dabei reicht es m.E. bei
wissenschaftlichen Erkenntnissen aus, wenn die in Bibliotheken etc. verfügbar
sind, das Recht, sie anderweitig zu publizieren, kann meinetwegen ruhig
eingeschränkt sein.
Das bestätigt das, oder? Diese allgemeine Hackerarbeit ist reich
aber wertlos.
Korrekter wäre wohl: Sie schafft Reichtum bzw. Gebrauchswert, aber keinen
(ökonomischen) Wert.
Freie Softwarearbeit - wenn ich mal weiter von "Arbeit" rede - ist
also unproduktiv, wertlos und reich.
Lieber: ist unproduktiv für das Kapital (weil im allgemeinen, nicht
marxistisch informierten Diskurs wird das sonst garantiet mißverstanden),
schafft keinen (ökonomischen) Wert, aber Reichtum bzw. Gebrauchswert.
Mal folgenden Gedanken gedacht, nun auf stoffliche Produkte bezogen:
Wenn der der eigentlichen stofflichen Realisierung vorausgehende
nichtstoffliche Anteil der Produktion "verwertlost" und
"verunproduktiviert" wird - zum Beispiel in dem es als Freies
GPL-Wissen hergestellt wird - dann steht dieser dann allen
weltweiten stofflichen Realisierern zur Verfügung. Angenommen, das
passiert effektiv und durchgreifend und erfolgreich, dann wird das
Kostenniveau allein durch die stoffliche Realisierung bestimmt.
Platt gesagt: Ein aus einer Freien Wissensproduktion hervorgehendes
stoffliches Ding ist "wertloser" sprich "billiger" als das
proprietär hergestellte. Wenn nun das Verhältnis von
nichtstofflichem wertlosem Wissen und stofflichem werthaltigem Ding
sich zu Gunsten des Letzterem verschiebt, dann gehen tendenziell
alle proprietären Produzenten pleite. Die Kapitalverwertung entzieht
völlig immanent ihre eigene Substanz - den Wert.
Na ja, der Kapitalverwertung immanent ist GLP ja wohl gerade nicht. Außerdem,
selbst wenn die nicht sehr realistischen Prämissen angenomen werden, würden
"nur" die Produzenten proprietärer Software dabei pleite gehen. Die
materielle Produktion und das weite Spektrum an Dienstleistungen, die nicht
einfach durch "Freies Wissen" erledigt sind, geben weiterhin hinreichend Raum
für kapitalistische Produktion als die Gesellschaft dominierende.
Und es müssten, wenn die Prämissen annähernd realistisch sein soll, sehr viel
mehr als heute GLP-ProduzentInnen tätig sein, die wohl auch davon leben
können müssten, sonst gingen die meisten von denen lange vor den
Softwareproduzenten pleite. Also die von mir mehrfach gestellte Frage nach
der gesellschaftlichen Organisation des Entgelts für diese Tätigkeiten.
Rote Grüße
Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844
_________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de