Message 01420 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT01397 Message: 22/35 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Die Anwendbarkeit der Werttheorie in der Informatik



Hallo

In einer eMail vom 20.11.00 17:03:20 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt 
stefan.meretz hbv.org:

hallo Ralf und andere Marxexegeten,

So versteh ich mich nicht. Das entscheidende Kriterium für die Richtigkeit 
einer sozialwissenschaftlichen Aussage ist nie, was Marx dazu meinte, sondern 
ob sie angemessenes Begreifen der sozialen Realität (und ggf. darauf 
begründete Praxis) ermöglicht.
 
 könnt ihr mir zwei Begriffe "definieren" ;-), naja, erklären reicht
 mir auch - zum einen
 - allgemeine Arbeit

in meiner Interpretation: Arbeit, insb. Entdeckungen und Erfindungen, deren 
Resultate allen mehr oder minder frei zur Nutzung zur Verfügung stehen.

 und zweitens
 - general intellect

m.E. kein defnierter theoretischer Begriff, etwa zu übersetzen mit: das 
gesellschaftlich zur Verfügung stehende Wissen.
  
 Nehme ich deine Beschreibung, dann ist das, was Freie Softwarehacker
 betreiben, allgemeine Arbeit. Die GPL hat sie sozusagen der
 Verwertung entzogen, in dem sie das Produkt entknappt und
 verallgemeinert. 

Wenn die Freie Software gesellschaftlichen Gebrauchswert hat und der 
Gesellschaft zur Verfügung steht, m.E. ja.

 Ja, sie dürfen auch Geld dafür kriegen, aber das
 ist kein Lohn, sondern Spende (Hans-Gerts Büchse?).

M.E. dürfen sie auch Lohn dafür kriegen, z.B. als angestellte Wissenschaftler 
in Forschungseinrichtungen, die ihre Ergebnisse frei zur Verfügung stellen, 
oder auch als Publizisten, die ihre Bücher verkaufen. Hauptsache, die 
Resultate stehen öffentlich zur Verfügung und ihre Nutzung ist nicht durch 
irgendwelche Eigentumsrechte beschränkt. Dabei reicht es m.E. bei 
wissenschaftlichen Erkenntnissen aus, wenn die in Bibliotheken etc. verfügbar 
sind, das Recht, sie anderweitig zu publizieren, kann meinetwegen ruhig 
eingeschränkt sein.
 
 Das bestätigt das, oder? Diese allgemeine Hackerarbeit ist reich
 aber wertlos. 

Korrekter wäre wohl: Sie schafft Reichtum bzw. Gebrauchswert, aber keinen 
(ökonomischen) Wert.
   
 Freie Softwarearbeit - wenn ich mal weiter von "Arbeit" rede - ist
 also unproduktiv, wertlos und reich.
 
Lieber: ist unproduktiv für das Kapital (weil im allgemeinen, nicht 
marxistisch informierten  Diskurs wird das sonst garantiet mißverstanden), 
schafft keinen (ökonomischen) Wert, aber Reichtum bzw. Gebrauchswert.

Mal folgenden Gedanken gedacht, nun auf stoffliche Produkte bezogen:
 Wenn der der eigentlichen stofflichen Realisierung vorausgehende
 nichtstoffliche Anteil der Produktion "verwertlost" und
 "verunproduktiviert" wird - zum Beispiel in dem es als Freies
 GPL-Wissen hergestellt wird - dann steht dieser dann allen
 weltweiten stofflichen Realisierern zur Verfügung. Angenommen, das
 passiert effektiv und durchgreifend und erfolgreich, dann wird das
 Kostenniveau allein durch die stoffliche Realisierung bestimmt.
 Platt gesagt: Ein aus einer Freien Wissensproduktion hervorgehendes
 stoffliches Ding ist "wertloser" sprich "billiger" als das
 proprietär hergestellte. Wenn nun das Verhältnis von
 nichtstofflichem wertlosem Wissen und stofflichem werthaltigem Ding
 sich zu Gunsten des Letzterem verschiebt, dann gehen tendenziell
 alle proprietären Produzenten pleite. Die Kapitalverwertung entzieht
 völlig immanent ihre eigene Substanz - den Wert.

Na ja, der Kapitalverwertung immanent ist GLP ja wohl gerade nicht. Außerdem, 
selbst wenn die nicht sehr realistischen Prämissen angenomen werden, würden 
"nur" die Produzenten proprietärer Software dabei pleite gehen. Die 
materielle Produktion und das weite Spektrum an Dienstleistungen, die nicht 
einfach durch "Freies Wissen" erledigt sind, geben weiterhin hinreichend Raum 
für kapitalistische Produktion als die Gesellschaft dominierende.

Und es müssten, wenn die Prämissen annähernd realistisch sein soll, sehr viel 
mehr als heute GLP-ProduzentInnen tätig sein, die wohl auch davon leben 
können müssten, sonst gingen die meisten von denen lange vor den 
Softwareproduzenten pleite. Also die von mir mehrfach gestellte Frage nach 
der gesellschaftlichen Organisation des Entgelts für diese Tätigkeiten.

Rote Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

_________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT01397 Message: 22/35 L1 [In index]
Message 01420 [Homepage] [Navigation]