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[ox] Wider den Gebrauchswertfetischismus, war: Die Anwendbarkeit der Werttheorie...



liste oekonux.de schreibt:
Wenn ich Dich hier recht verstehe, dann stellst Du der heutigen
Konsumgesellschaft, die Gebrauchswerte "auf Verdacht" (usefulness)
produziert, eine Vorsorgegesellschaft entgegen, die Gebrauchswerte
erst dann produziert, wenn sie _wirklich gebraucht_ werden. Am Rande
einer solchen Gesellschaft sind wir aus _technologischer Sicht_ in der
Tat angekommen. Es waere eine, in der vielfaeltige Konzepte fuer
vielfaeltige _moegliche_ Zukuenfte (Annette!) bereitgehalten werden, von
denen dann das jeweils aktuell zweckmaessigste materialisiert wird.  Der
Streit um "usefulness" verlagert sich damit in den Bereich der
Konzepte.  Sicher ein wichtiger Schritt nach vorn, eine Wohltat fuer
die Umwelt und eine denkbare Antwort auf das "Produzieren von Schrott"
(Uli!), aber eben immer noch "usefulness".  Ein Argument mehr, mal
ueber eine ontologische Dimension der Wertkategorie nachzudenken.

Ich bin sehr im Zweifel darüber.

Die Konsumgesellschaft produziert keine Gebrauchswerte auf Verdacht,
es ist viel schlimmer.

Zunächst werden Gebrauchswerte der Zahlungsfähigkeit des Publikums
angepaßt wie ein Handschuh der Hand. Also gibt es sowohl Paläste als
auch völlig absurde Zimmer-Küche Wohnungen. Sicherlich manchmal
eher "zuviel" für die Markträumung von dem und jenem....

Zweitens werden Gebrauchswerte strategisch hergestellt, also im Sinn
von zu weiterem Konsum-Nötigens. Das könnte man ja glatt schon als 
Diebstahl an Lebenszeit bezeichnen.

Drittens ist der Gebrauchswert absolut nicht identisch mit Zweck-
mäßigkeit; dem goldenen Midasfinger des Geldbesitzers reckt sich 
eine Welt von verführerischen Angeboten gegenüber, deren realer
Gebrauch zunächst ganz und gar aus der ökonomischen Sphäre fällt.
der Formwechsel ist entscheidend, nicht die Zweckerfüllung. Deswegen
füllt das Zivilrecht Bände, in denen die Willensäußerung gegen die
spätere Reue hochgehalten wird.

Viertens ist, wie schon gesagt, der Gebrauchswert über ein negatives
Verhältnis, ein Privatisieren des Konsums bestimmt, was Gleich-
gültigkeit gegen die berühmten Nebenwirkungen miteinschließt und
die Mitmenschen, die vom Konsum ex definitione nicht betroffen sind.
Weswegen sich keine sinnliche Vernunft in dieser Gesellschaft bildet,
und jeder sein Privates verhältnis zum System der Bedürfnisse 
einnimmt.

Nein, da gibt es meiner bescheidenen Auffassung nach nichts zu
ontologisieren. Die GPL Gesellschaft produziert m.E. auch keine
direkten Gebrauchswerte, sondern Kausalitäten, die quasi so etwas
wie mentale Maschinen sind. Also Modelle, Algorithmen und Werkzeuge.
Dies wird uns nicht des Diskurses über den tatsächlichen Gebrauch
entheben, etwa im Sinn einer "sustainability negociation".
Also auch von der Utopie her keine Möglichkeit der Ontologisierung.
Es wird allerdings durchaus vernünftig sein, im Sinne der 
Zweckmäßigkeit tatsächlichen Gebrauch tatsächlich und nicht
nur ideologisch zu entgesellschaftlichen.

Zur Erklärung:

Das Warensubjekt dünkt sich einsam, wenn es einen Transatlantikjet
besteigt. Es glaubt, sein Akt des Konsums sei privat. In Wahrheit 
"kommandiert" dieser Akt (vermittelt über das reale Kommando des
Kapitals) tausende Menschen, nimmt einen überproportionalen
Anteil an Ressourcen und Lebenschancen in Beschlag (das berühmte
"Mobilitätsbudget"). Das gilt es ebenso aufzulösen. Ein Kommunismus
vom Gebrauchswertsubjekt gedacht - dem heiligen Materialismus -
war zwar zeitweise in Mode, ist aber mit einem wirklichen Reflexions-
prozeß der autonomen Produzenten über ihre Möglichkeiten (auch
und durchaus im globalen Maßstab) nicht zu verwechseln. Richtig
bleibt, daß uns durchaus auch eine falsche Bescheidenheit anerzogen ist.

"Abhängigkeiten durch die Abnötigung eines intransparenten hohen
Konsumvolumens müssen dringlichst abgewendet werden. Selbsthilfe
und die Entfaltung Produktivkraft-induzierter lebensweltlicher
Eigenständigkeit sind das erreichbare Ziel" (Ulrich Sigor) - das
sich auch und gerade in globalen Netzen am besten realisieren läßt.
Wir werden uns nur wundern, was dann wiederum alles geht!


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