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Reproduktion, Arbeit, Leistungsprinzip? (was: Re: [ox] Ein paar kleine Anmerkungen zur Kongress - Debatte)



Hi Ralf und Liste!

Hoffnungslos hinter der Liste herhinkend picke ich mal die hier raus.

Last week (8 days ago) RalfKrae wrote:
Debatten um den Sinn von Arbeit sind in der Tat wichtig, können aber nicht
darin bestehen, Leuten zu erzählen, dass ihre Arbeit sowieso sinnlos sei und
sie nur Schrott produzieren, wenn sowohl die Arbeitenden als auch die ganz
überwiegende Mehrzahl der Gesellschaft das anders sehen.

Woran mißt du das, daß die das anders sehen? Gelten für die
ProduzentInnen und KonsumentInnen die gleichen Maßstäbe?

Das Problem, dass
Arbeit (konkret i.d.R.: Erwerbsarbeit) überhöht und fetischisiert wird und
auch dass sie erheblich verkürzt werden könnte, ändert nichts daran, dass sie
überwiegend für die Reproduktion der Gesellschaft wie der Einzelnen notwendig
ist und auch in nichtkapitalistischen Verhältnissen notwendig wäre.

Nötig im Wortsinne wäre es, den Stoffwechselprozeß mit der Natur und
den Reproduktionsprozeß der Gesellschaft am Laufen zu halten. Ob es
dazu Arbeit (im Krisis-Sinne, d.h. sehr verkürzt: entfremdete) bedarf,
ist m.E. keineswegs ausgemacht. Gesellschaften vor dem Kapitalismus
sind z.B. mit keiner bis sehr wenig Arbeit ausgekommen.

Kannst du begründen, warum du denkst, daß ab einem bestimmten
historischen Stand die menschliche Reproduktion nur noch unter
Zwangsbedingungen sicherzustellen ist?

Ich halte
es weiterhin für ganz unrealistisch, zu meinen, das ließe sich alles durch
freie Tätigkeit erledigen.

Hättest du es vor zwanzig Jahren für realistisch gehalten, ein Freies
Betriebssystem zu benutzen? Vor dreißig?

Also stellt sich auch weiterhin der Problem der
gesellschaftlichen Organsiation und Regulierung des gesellschaftlichen
Arbeitsprozesses und der Verteilung der Produkte.

Klar muß der Reproduktionsprozeß weiterlaufen. Aber das muß eben nicht
über Arbeit funktionieren. Und Verteilung ist vor allem dann ein
Problem, wenn Knappheit herrscht oder erzeugt wird. Der Knappheit wäre
also auf verschiedenen Wegen der Kampf anzusagen:

* Überfluß herstellen wo es möglich ist

* Bedürfnisbefriedigung so gestalten, daß sie keine Knappheit erzeugt

* Künstliche Verknappungen aufheben.

Da wäre ja schon mal viel gewonnen, wenn wir das hätten.

Dabei sollte es soweit
möglich nach Bedürfnissen gehen, aber es wird m.E. auf unabsehbar lange Zeit
nötig und sinnvoll bleiben, auch eine Art Leistungsprinzip anzuwenden.

Zu deutsch: Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen. Ich dachte,
Linke wären da weiter...

Ich will vom Leistungsprinzip jedenfalls weg: Wer Hunger hat soll
essen, wer sich nach sinnvoller Tätigkeit sehnt, soll schaffen dürfen.
Warum sollten wir die Latte mit aller Gewalt tiefer legen?

Im
Unterschied zur kapitalistischen Gesellschaft, wo große Teile des Reichtums
als Kapitaleinkommen verteilt werden, fände ich das schon erheblichen
Fortschritt,

Damit fährst du im Fahrwasser der GesellianerInnen und ihrer (extrem)
verkürzten Kapitalismuskritik, die den Zins als Grundübel abschaffen
wollen - um den Kapitalismus zu erneuern wie er aus ihrer
kleinbürgerlichen Perspektive her aussehen müßte.

und die Konkurrenz könnte wesentlich schwächer und stärker durch
solidarische Formen eingeschränkt sein als heute.

Na, der Selbstverwaltungssozialismus in Jugoslawien, der da vor meinem
geistigen Auge erscheint, hat aber auch einen barbarischen
Bürgerkrieg nicht verhindern können.

Außerdem gibt es m.E.
wesentlich größere globale, soziale und ökologische Probleme als die
Fetischisierung der Arbeit, die man auf dieser Basis lösen oder massiv
reduzieren könnte, und das fände ich wahrlich einen gewaltigen Fortschritt im
Leben und für das Leben von Millionen.

Das wäre genau die Frage. Könnte die endgültige Globalisierung des
Kapitalismus gleichbedeutend sein mit der endgültigen Globalisierung
der Fetischisierung der Arbeit?


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Organisation: projekt oekonux.de



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