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Re: [ox] Grundsicherung



Hallo!

On Fri, Jan 19, 2001 at 05:34:25PM [PHONE NUMBER REMOVED], Glatz wrote:
Ich hab zwar den Eindruck, wir entfernen uns vom Listenthema 

Nö. Grundsicherung wurde und wird hier als Möglichkeit diskutiert
die GPL-Ökonomie zu fördern. Völlig On Topic in meinen Augen.

- vielleicht
könnten wir auf der "Krisis-Liste" drüber reden? 

Meiner Erfahrung nach kann man auf der Krisisliste garnicht reden.
Deswegen bin ich da ja auch nicht mehr.

- ich möchte aber zum Thema
"Grundsicherung" doch noch die folgende Überlegung aus dem "Manifest gegen
die Arbeit" zu bedenken geben (hab ich ja nur kopieren müssen ;-) :

"Bis jetzt drückt sich die Linke vor dem kategorialen Bruch mit der
Arbeitsgesellschaft. Sie verharmlost die Systemzwänge zur bloßen Ideologie
und die Logik der Krise zum bloßen politischen Projekt der "Herrschenden".

Ich bin selbst ein grosser Fan des Manifestes gegen die Arbeit, aber
immer dort, wo es sich von der Theorie entfernt und "praktisch" im
weitesten Sinne wird, finde ich die Positionen - naja - zu dogmatisch. 

Natuerlich kann Reformismus problematisch sein, aber man muss ja
deswegen nicht alles andere als die sofortige Umwälzung aller
Verhältnisse verdammen.

Außerdem kann man ein unbedingtes Grundeinkommen sehr wohl als
"kategorialen Bruch mit der Arbeitsgesellschaft" auffassen. Denn es
ist ja der erste Schritt, Essen nicht mehr an Arbeit zu koppeln, der
zählt.

An die Stelle des kategorialen Bruchs tritt die sozialdemokratische und
keynesianische Nostalgie. 

C. Spehr z.B. ist sicherlich kein Sozialdemokrat, oder?

Nicht eine neue konkrete Allgemeinheit sozialer
Formierung jenseits von abstrakter Arbeit und Geldform wird angestrebt,

Doch, bei Spehr z.B. die "freie Kooperation". Grundsicherung ist
dort im Kontext einer Politik der freien Kooperation gedacht. Kann
man nachlesen in "Gleicher als Andere". Die URL wurde hier ja schon
gepostet.

Die Stärke der Existenzgeldforderung ist doch grade, dass man sie
von unterschiedlichsten theoretischen Gesichtspunkten her angehen
kann.

sondern die Linke versucht die alte abstrakte Allgemeinheit des
systemimmanenten Interesses krampfhaft festzuhalten. Aber diese Versuche
bleiben selber abstrakt und können keine soziale Massenbewegung mehr
integrieren, weil sie sich an den realen Krisenverhältnissen vorbeimogeln.

Aber die Krisis mit ihren Weltuntergangsszenarien kann eine
Massenbewegung integrieren? Sorry, das ist absurd. Ausserdem ist das
auch garnicht wünschenswert. Masse ist Bäh. 

Einerseits eine Massenbewegung fordern aber dann die Leute mit ihren
Bedürfnissen nicht für voll nehmen sondern statt dessen auf die
Revolutionsfahnen schwören lassen?

Wer auf eine solche "Sozialdividende"
baut (schon der Name spricht Bände), muß gleichzeitig klammheimlich auf eine
privilegierte Position des "eigenen" Landes in der globalen Konkurrenz
setzen. Denn nur der Sieg im Weltkrieg der Märkte würde es vorübergehend
erlauben, einige Millionen kapitalistisch "überflüssiger" Mitesser zuhause
durchzufüttern - unter Ausschluß aller Menschen ohne inländischen Paß,
versteht sich.

C. Spehr führt dazu aus, dass im Süden eben Landumverteilung den
selben Wert hätte, wie im Norden eine Grundsicherung. Stand glaub
ich auch in dem Zitat, was ich gepostet hatte, oder?

Die Reform-Heimwerker der Existenzgeldforderung ignorieren die
kapitalistische Verfaßtheit der Geldform in jeder Hinsicht. Letztlich geht
es ihnen nur darum, vom kapitalistischen Arbeits- und Warenkonsum-Subjekt
das letztere zu retten. Statt die kapitalistische Lebensweise überhaupt in
Frage zu stellen, soll die Welt trotz Krise der Arbeit weiterhin unter
Lawinen stinkender Blechhaufen, häßlicher Betonklötze und minderwertigen
Warenschrotts begraben werden, damit den Menschen die einzige klägliche
Freiheit erhalten bleibt, die sie sich noch vorstellen können: die
Wahlfreiheit vor den Regalen des Supermarkts.

Oh Mann. Es geht doch nicht darum, dass ein Existenzgeld auf einen
Schlag die Weltrevolution herbeiführt. Und die Wahlfreiheit vor den
Supermarktregalen ist allemal besser als die Wahl zwischen Elend und
Sklaverei.

Aber selbst diese traurige und beschränkte Perspektive ist völlig
illusionär. Ihre linken Protagonisten und theoretischen Analphabeten haben
vergessen, daß der kapitalistische Warenkonsum niemals schlicht der
Befriedigung von Bedürfnissen dient, sondern immer nur eine Funktion der
Verwertungsbewegung sein kann. Wenn die Arbeitskraft nicht mehr zu verkaufen
ist, gelten selbst elementare Bedürfnisse als unverschämte luxurierende
Ansprüche, die auf ein Minimum herabgedrückt werden müssen. Und genau dafür
wird das Existenzgeld-Programm ein Vehikel sein, nämlich als Instrument
staatlicher Kostenreduktion und als Elendsversion der Sozialtransfers, die
an die Stelle der kollabierenden Sozialversicherungen tritt. In diesem Sinne
hat der Vordenker des Neoliberalismus, Milton Friedman, das Konzept des
Grundeinkommens ursprünglich entworfen, bevor eine abgerüstete Linke es als
vermeintlichen Rettungsanker entdeckte. Und mit diesem Inhalt wird es auch
Wirklichkeit werden - oder gar nicht."

Das ist tatsächlich eine Gefahr, da haben sie Recht. Aber nur weil
man scheitern kann, muß man ja nicht schon den Versuch einstellen.

Grüße, Benni
-- 
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               Goetter und Erdlinge am Ende der Welt

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