[ox] Grundsicherung
- From: Hans-Gert Graebe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Thu, 25 Jan 2001 17:28:51 +0100 (MET)
Franz schrieb am 20 Jan 2001 einiges zum Thema Grundsicherung, worauf
ich hier noch einmal eingehen will
Die für mich einzig schlüssige Antwort ist: Grundsicherung kann es
nur geben, wenn der Zusammenhang von lokaler Reproduktion und dem
gesellschaftlich verfügbaren Reichtum an Modellen, Algorithmen und
geistigen Bausteinen für jede mögliche menschliche Aktivität als
positiver Rückkoppelungskreislauf erkannt ist.
Ich mache auf Querverbindungen zu zwei anderen Themen aufmerksam:
Erstens ist das genau der Ansatz von Holzkamp in seinem 1980er Aufsatz
(Partikularinteressen vs. Allgemeininteressen). Er unterscheidet
gerade (noch so mächtige) Partikularinteressen von Allgemeininteressen
darin, dass letztere _positiv_ auf Individualinteressen zurückkoppeln.
Und zweitens sind wir hier sofort bei _praktischer_ new economy,
genauer deren Prozesswissen. Wenn mehrere Unternehmen sich in einem
Marktsegment "tummeln" (etwa Telekomm. oder Chipherstellung) und dabei
(wegen der Wissensintensität) stärker auf die Prozesse als die
Produkte fokussieren, dann ist es logischer, in der Entwicklung dieses
Prozesswissens zusammen zu arbeiten statt im Wettbewerb zu stehen.
Auch hier wirkt diese positive Rückkopplung und deshalb reden die
Großen heute wohl ebensooft von "strategischer Allianz" wie von
"Wettbewerb" und "Markt" (wenn nicht gar öfter). Und (etwa im
Chipbereich) lizensieren sich gegenseitig ihre Patente, womit Patente
nicht mehr zur Zugangsbarriere für Konkurrenten, sondern nur noch für
Start-Ups werden. Das scheint mir ein ziemlich wichtiges Argument zu
sein, um zu verstehen, wie nachhaltig Politik auf der
Open-Source-Seite steht wie in Lutterbecks Gutachten hinreichend
detailliert beschrieben.
In meinem Referat auf der Ökonux-Konferenz möchte ich die These
aufstellen, daß jedes neue "globale Dorf", .... Das heißt aber
auch: Grundsicherung kann es nur als lokale geben.
Korrekt, allerdings bist Du Dir hoffentlich über den Charakter des
"globalen Dorfs" im Klaren. Denn es ist kein "Dorf" im herkömmlichen
Sinne, wo jede(r) jede(n) kennt und alles weiß, Wirkzusammenhänge also
global transparent sind, sondern eher wie unser Gehirn organisiert,
also Zusammenhänge längs kausaler Nähe, die die früher dafür immer
notwendige räumliche Nähe sprengt. Lokalität also im Sinne dieser
kausalen, nicht der Euklischen Topologie, dann stimme ich zu. Im
Groben muss also jede funktionale Sphäre der Gesellschaft schauen, wie
sie zu ihren Ressourcen kommt. Insofern auch Grundsicherung von
Wissenschaftlern aus der Wissenschaftssphäre heraus etc. Deshalb
stimme ich dir zu, dass
es kann höchstens effiziente Netzwerke und "Rhizome" der
wechselseitigen Anstiftung zum Aufbau neuer "Klöster" geben, mit
denen der gemeinsame ungeheure Wissensproduktionsprozeß auf einer
höheren gesellschaftlichen Stufenleiter fortgeführt werden kann,
und in deren Bereich die Sicherheit nachwächst, die anderswo
verloren geht.
Das rückt auch die These
ad 1: Im nationalen Rahmen die Frage zu stellen heißt sie nicht unbedingt
im nationalen Rahmen beantworten.
ins nötige Licht. Allerdings ist das m.E. heute der einzige Rahmen,
in dem solche Themen vernünftig politisiert werden können. Wobei ich
davon ausgehe, dass Faschos da maximal Ideologie treiben, denn die von
dort kommenden Antworten (extreme Hierarchisierung und Entmündigung)
würden die sich herausbildenden Rhizome gerade zerstören. Dagegen
vorzugehen wäre Teil der notwendigen Politisierung des Themas.
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Mit freundlichen Grüßen, Hans-Gert Gräbe
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