Message 02760 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT02653 Message: 5/6 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[ox] Re: Knappheit und Notwendigkeit



Hi Ralf!

Wie so oft fällt mir zu deinen Punkten vor allem ein: So what? Aber zu
einigen Einzelheiten.

2 weeks (19 days) ago RalfKrae wrote:
"Gesellschaftliche
 Arbeitsteilung und Austausch (muss nicht zwingend ökonomischer Tausch sein,
 sondern allgemein Geben und Nehmen) von Tätigkeiten und Produkten sind
 ständig notwendig und eben nicht jederzeit und von allen frei verhandelbar
 und aufkündbar."

 Hier verstehe ich das "und eben nicht" nicht. Kein ökonomischer Tausch,
kein
 anderer Zwang (mal vorausgesetzt), "sondern allgemein Geben und Nehmen"...
 und dieses allgemeine Geben und Nehmen soll "nicht jederzeit und von allen
 frei verhandelbar und aufkündbar" sein?

Streich das "eben". Und mit "allgemein Geben und Nehmen" meinte ich "Geben
und Nehmen in egal welcher Form", also auch Rauben, Schenken, Finden etc.
fiele darunter. Es geht mir darum, dass es notwendig ist, dass Menschen die
Produkte anderer konsumieren können und für andere produzieren und das
irgendwie verteilt wird.

So what? Bei Freier Software sehen wir das funktionieren.

Und wenn eine Gesellschaft z.B. darauf angewiesen
ist, dass irgendwo eine bestimmte Menge einer bestimmten Chemikalie
produziert wird, die in verschiedenen anderen Produktionsprozessen benötigt
wird, dann kann kann das nicht so laufen, dass die ProduzentInnen aus
irgendwelchen Gründen einfach meinen, sie wollten das jetzt nicht mehr und
lieber was anderes machen, sondern da finde ich sinnvoll und notwendig, dass
es da Verpflichtungen, Verträge z.B. gibt, auf die man sich verlassen kann

So what? Was soll denn die Menschen daran hindern, auf Basis von
Selbstentfaltung solche Verpflichtungen einzugehen?

Nehme ich mal wieder mich als Beispiel. Wie bekannt sein dürfte,
möchte ich mich ja nach Erreichen der GPL-Gesellschaft mit der
Organisation des Schienenverkehrs befassen - einfach weil ich das eine
total faszinierende Sache finde und ich denke, daß ich da Nützliches
tun könnte. Gleichzeitig freue ich mich natürlich, einem
gesellschaftlichen Bedürfnis, einer Notwendigkeit von Vielen begegnen
zu können - Selbstentfaltung at it's best also.

Ja glaubst du denn, ich würde da keine Verpflichtungen eingehen? Das
wäre ja ziemlich absurd. Klar würde ich sagen: "Hey Leute, die ihr da
mit mir zusammen die Bahn schmeißt, ich bin täglich von eins bis fünf
ansprechbar und kümmere mich in dieser Zeit darum, daß die Räder
rollen - könnt ihr euch drauf verlassen. Und wenn's brennt meldet euch
einfach."

und auch Sanktionsmöglichkeiten, um die nötigenfalls durchzusetzen.

Diese Sanktionsmöglichkeiten brauchst du nur, wenn du von vorneherein
von gewaltförmigen Verhältnissen ausgehst. Auf Basis von
Selbstentfaltung sind die schlicht Quatsch und eher kontraproduktiv,
weil unter solchen Verhältnissen je meine Interessen mit den je
gesellschaftlichen übereinstimmen. Das obige Beispiel - übrigens weit
jenseits Freier Software - mag das illustrieren.

 Vielleicht kannst Du Dir immer noch nicht vorstellen, daß im Begriff
 "Selbstentfaltung" die gesellschaftliche Natur des Menschen schon mit drin
 ist. Ich jedenfalls würde es todlangweilig finden, immer nur meinen eigenen
 Jux- und Dollereien nachgehen, sondern mich drängts von selber danach, das
 (was ich grad mache) ins Leben, in die Gesellschaft hinaus zu geben.

Das ist mir auch durchaus klar und geht mir auch so, ändert aber an dem
Problem nichts, dass es viele Bedürfnisse gibt, bei denen die dafür
notwendige Produktion von mir nicht als Selbstentfaltung empfunden wird und
von anderen wohl auch nicht.

Nun ist natürlich der Verweis "Laß das mal Sorge der anderen sein" ein
bißchen zu wohlfeil. Hier sind wir halt wieder im Bereich des Glaubens
und da, wo ein längerer Thread schon mal geendet hat: Du glaubst, daß
die Menschheit zu doof ist, sich solche Mittel zu schaffen, und ich
glaube, daß sie dazu in der Lage ist und wir noch dazu am historischen
Punkt angekommen sind, wo das realistisch ist.

Und es wird auch nicht so laufen können, dass gesellschaftlicher Austausch
sich nur auf in Selbstentfaltung geleistete Tätigkeiten und Produkte beziehen
kann und die anderen Arbeiten, eben diejenigen, die andere Bedürfnisse haben,
selbst erledigen müssen.

So ist es bei der Freien Software jedenfalls nicht.

1. sind viele dazu nicht in der Lage, sondern auf
Hilfe, Versorgung, Pflege, Erziehung usw. angewiesen, und

Wie in der Freien Software. Da funktioniert's nach meiner Wahrnehmung
jedenfalls so gut, daß immer mehr Leute GNU/Linux auf ihren Desktop
holen.

2. haben wir es mit
einem hoch arbeitsteiligen gesellschaftlichen Produktionsprozess zu tun, wo
sehr viele Produkte und Dienste sich wiederum auf andere Stufen und
Abteilungen des Produktionsprozesses beziehen und überhaupt keine direkte
oder irgendwie unmittelbar kommunikativ vermittelbare Beziehung zwischen den
ProduzentInnen und den EndkonsumentInnen  der verschiedenen Produkte besteht,
die nach vielen weiteren Stufen daraus entstehen werden. Damit das läuft, ist
notwendig, dass regelmäßig hunderttausende verschiedene Produktionen in
bestimmten Mengen stattfinden und verteilt werden,

Again: So what? Warum soll die dafür notwendige Organisationsleistung
nicht in Selbstentfaltung geschehen können? Ich z.B. finde den
Bahnverkehr spannend gerade *weil* es so eine ungeheure logistische
Leistung ist und ich mich gerne mit komplexen Probleme befasse.
Anderen wird es ähnlich gehen.

und ich halte es für
unrealistisch, dass das irgendwie das Ergebnis davon sein wird, dass die
ProduzentInnen ja auch das Bedürfnis haben, ihre Produkte "in die
Gesellschaft hinaus zu geben".

Was ist z.B. mit denen, die den Job heute machen? Wäre es nicht
denkbar, daß sie ihn in beFreiter Form weitermachen?


						Mit Freien Grüßen

						Stefan
_______________
Unread: 132 [ox]


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT02653 Message: 5/6 L1 [In index]
Message 02760 [Homepage] [Navigation]