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[ox] TELEPOLIS: Freie Software Rechtlich sicher?



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 Freie Software ? Rechtlich sicher?
 
 Axel Metzger   24.06.2001 
 
 Freie Lizenzen ? Juristisch wasserdicht, aber auf das amerikanische 
Recht zugeschnitten 
 
 Es ist erstaunlich, mit welchem Gottvertrauen europäische 
Risikokapitalgeber und Softwarefirmen viele Millionen Mark in den neuen 
Markt der Freien Software pumpen, ohne sich über die Rechtssicherheit 
im Umgang mit GNU/Linux und den anderen Freien Programmen zu sorgen. 
Man scheint sich sicher zu sein, dass die Verfasser der GNU General 
Public License, des Free BSD Copyright und der Mozilla Public License 
ihre Arbeit gewissenhaft erfüllt haben, so dass die Freiheit der 
Nutzung und Weiterentwicklung der Software in rechtlicher Hinsicht auf 
festem Boden steht. Dies hat zwar bislang kein Gericht der Welt 
bestätigt. Aber es wird schon gut gehen. 
 
 
 
 Fakt ist, dass die wichtigsten Freien Lizenzen in der Tat nach allen 
Regeln der Kunst juristisch wasserdicht konstruiert worden sind, dies 
gilt in besonderem Maße für die GNU General Public License, die für den 
gesamten Markt des Betriebssystems GNU/Linux die relevante Lizenz 
darstellt. Leider wird dabei nur allzu häufig übersehen, dass die 
Lizenz auf das US-amerikanische Recht zugeschnitten ist. Im 
europäischen Recht gehen die Uhren anders. Was jenseits des Atlantik in 
einer Lizenz in wirksamer Weise vereinbart werden kann, muss in Europa 
noch lange nicht genau so reibungslos funktionieren. 
 
 In juristischen Fachkreisen wird die Wirksamkeit der Lizenzen in 
Deutschland und Europa deshalb lebhaft diskutiert. Überwiegend werden 
die zentralen Bestimmungen als rechtlich bindend bewertet. In 
Einzelfragen bestehen aber durchaus Unstimmigkeiten zwischen dem 
Konzept der Freien Software und den Schutzvorschriften zugunsten des 
Urhebers, die sich im deutschen Urheber- und Vertragsrecht finden. 
 
 Amerikanisches und Europäisches Urheberrecht basieren auf 
unterschiedlichen Philosophien. Nach amerikanischer Lesart stellt das 
Urheberrecht ein Wirtschaftsgut dar. Es herrscht der Grundsatz der 
Vertragsfreiheit. Wenn der Urheber seine Rechte an einem Werk 
vollständig übertragen möchte, so ist dies möglich. 
 
 In Europa stellt man sich das Urheberrecht zwar als Wirtschaftsgut, 
zugleich aber als Persönlichkeitsrecht des Urhebers vor, vergleichbar 
dem Recht am eigenen Bild oder der Privatsphäre. Deswegen finden sich 
im deutschen und im französischen Recht Vorschriften, die eine völlige 
Veräußerung des Rechts an einem Werk für unzulässig erklären. Schließt 
ein Urheber einen solchen Vertrag, so ist dieser ohne rechtliche 
Wirkungen. Verträge im Bereich des Urheberpersönlichkeitsrechts sind 
nur unter engen Voraussetzungen möglich. Die für alle Freien und Open 
Source Lizenzen typische Freiheit der Nutzer, die Software wie es ihnen 
beliebt umzugestalten, stellt ein solches Rechtsgeschäft über das 
Urheberpersönlichkeitsrecht dar. Hier bestehen Reibungspunkte zwischen 
den Lizenzen und dem europäischen Urheberrecht. 
 
 
 
 Gesetzentwurf pro Freie Software 
 
 
 
 Die Vertragsfreiheit in Europa ist jedoch noch aus einem weiteren 
Gesichtspunkt eingeschränkt. Das Urheberrecht verfolgt den 
Grundgedanken, den Urheber vor zu weitgehenden, nachteiligen Verträgen 
zu schützen. Bereits das gegenwärtige Recht ist durchsetzt mit 
Regelungen, die pauschale Übertragungen der vermögenswerten Rechte über 
das Werk einschränken. Der jetzt vom Bundeskabinett verabschiedete 
"Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von 
Urhebern und ausübenden Künstlern" ist in diese Tradition einzureihen ( 
Justizministerin kämpft gegen die Entrechtung der Kreativen [0]). 
 
 Bemerkenswert ist, dass der Entwurf die Gelegenheit wahrgenommen hat, 
die Konfliktflächen zwischen europäischem Urheberrecht und "Copyleft" 
nicht noch weiter zu vergrößern. Der Kabinettsbeschluss stellt den 
ersten Gesetzentwurf in Deutschland dar, der sich den Sorgen und 
Einwendungen der Freien Software-Szene angenommen hat. Bei den 
augenblicklichen Mehrheiten im Parlament erscheint eine Verabschiedung 
als durchaus wahrscheinlich. 
 
 Was sieht der Entwurf im Einzelnen vor? Zentral ist die in § 32 UrhG 
(Entwurf) vorgeschlagene Regelung. Danach soll der Urheber künftig 
einen gesetzlichen Anspruch auf "angemessene Vergütung" gegenüber all 
denjenigen haben, die sein Werk nutzen. Dieser Anspruch ist im 
Grundsatz als unverzichtbar ausgestaltet. Es ist unerheblich, wie 
nachteilig die Vertragsbedingungen im Einzelnen auch sind, die dem 
Urheber aufgenötigt werden. Sein Anspruch auf angemessene Vergütung ist 
durch gegenteilige Verträge nicht tangiert. 
 
 Die  ursprüngliche Fassung [1] des Gesetzentwurfs hatte keine 
Ausnahmen von der Vergütungspflicht vorgesehen. Für Freie 
Softwarelizenzen hätte dies zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt. 
Auch wenn die Verfechter der Freien Software nicht müde werden zu 
erklären, dass Freie Sofware mehr als "Gratissoftware" bedeutet, so 
muss doch festgehalten werden, dass der Verzicht der Urheber auf 
Lizenzgebühren eine der zentralen Eigenschaften und Erfolgsmotoren der 
Freien Software darstellt. Was nun aber wenn ein Programmierer seine 
Software einer Freien Lizenz unterstellt, um dann später seinen 
"gesetzlichen Vergütungsanspruch" gegen Distributoren und Nutzer 
geltend zu machen? Die Folgen wären fatal, das Modell Freier Software 
insgesamt in Frage gestellt. 
 
 Diese Gefahren hat man auch im Bundesjustizministerium gesehen und 
sich zu einer Ausnahmevorschrift für Freie Software durchringen können. 
In den Gesetzentwurf wurde eine Ausnahme vom gesetzlichen 
Vergütungsanspruch für Freie Software und sonstigen "Open Content" 
aufgenommen: "Auf den Anspruch auf angemessene Vergütung kann im voraus 
nicht verzichtet werden, soweit der Urheber nicht jedermann 
unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht einräumt." Die Formulierung 
geht auf eine  Stellungnahme [2] (PDF-Datei) des  Instituts für 
Rechtsfragen der Open Source Software [3] zurück. Erfasst sind dadurch 
alle Freien und Open Source Lizenzen. Der Fortbestand der 
Lizenzgebührenfreiheit ist scheint einstweilen gesichert. 
 
 
 
 "Deutsche GNU General Public License"? 
 
 
 
 Hat diese Initiative des Gesetzgebers Modellcharakter, werden dann 
weitere Anpassungen des Urheberrechts an die besonderen Anforderungen 
Freier Lizenzmodelle durchzusetzen sein? Dies ist zwar möglich, aber 
zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig wahrscheinlich. Das Freie 
Software-Lager wäre deswegen schlecht beraten, sich zurückzulehnen und 
dem Gesetzgeber die Verantwortung für die Beseitigung der restlichen 
Unstimmigkeiten zu zuschieben. 
 
 Auf der Seite der Free Software Foundation findet sich seit kürzerer 
Zeit die  Ankündigung [4], man werde in Zukunft die Erstellung von 
speziellen Versionen der GNU General Public License, die auf die 
Bedürfnisse eines Landes zugeschnitten sind, unterstützen. Diese 
Lizenzen sollen in der jeweiligen Landessprache eine behutsame 
Anpassung der Lizenzvorschriften an die Regelungen des jeweiligen 
nationalen Rechts mit sich bringen. Die Initiative ist wichtig, ließen 
sich doch durch eine bindende deutschsprachige Version mit einigen, 
unvermeidlichen Anpassungen an das hiesige Recht die bestehenden 
Reibungen weitgehend beseitigen. 
 
 Die  Free Software Foundation Europe [5] hat in Frankreich mit den 
Arbeiten an einer solchen Lizenz bereits begonnen. Am 4. Juli findet in 
Bordeaux ein  Treffen [6] französischer und amerikanischer 
"Copyleft"-Juristen statt, um über den gegenwärtigen Stand der Arbeiten 
zu verhandeln. 
 
 
 
  
 
 Links 
 
 [0] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/7777/1.html
 [1] http://www.bmj.bund.de/inhalt.htm
 [2] http://www.ifross.de/ifross_html/urhebervertragsrecht.pdf
 [3] http://www.ifross.de
 [4] http://www.fsf.org/copyleft/gpl-faq.html#GPLTranslations
 [5] http://www.fsfeurope.org
 [6] http://france.fsfeurope.org/press/pr-gpl-lsm.en.html
 
 Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/7947/1.html 
 
 
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