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[ox] Wie steht es mit der Uebertragbarkeit?



Hi again!

Die Frage, die in Weimar kam war: Wie steht es denn eigentlich jetzt
genau mit der Übertragbarkeit der Prinzipien Freier
Software-Entwicklung auf andere Güter - auch auf Informationsgüter?

Konkret festgemacht wurde die Frage am Beispiel Indymedia: Welchen
konkreten, individuellen Gewinn hat die Person, die für Indymedia
journalistische Arbeit macht? Wir haben versucht, daß an diesem
Beispiel zu diskutieren, sind aber (für mich) nicht befriedigend damit
fertig geworden und ich würde das gerne hier nochmal ausführlicher
reflektieren.

Der konkrete Gewinn bei der Herstellung eines Stücks Freier Software
besteht ja mindestens zum Teil auch darin, daß die AutorIn selbst
bessere Software hat - das war die Ausgangsthese. Dies wäre aber bei
der Indymedia-AutorIn nicht der Fall. Sie hat erst mal keinen
konkreten, direkten Nutzen von je ihrem Beitrag. Den Nutzen von
Indymedia an sich hat die AutorIn natürlich schon - aber nur, weil
andere das Gleiche tun wie sie. So gesehen ist ihre konkrete Handlung
erstmal ein altruistischer Akt, von dem sie (bestenfalls) vermittelt
etwas hat.

Bei nochmaligem Durchdenken ist vielleicht aber die Ausgangsthese
schon falsch. Viel Entwicklung bei Freier Software wird ja nicht nur
aufgrund einer konkreten Notwendigkeit eineR je EinzelneN getan,
sondern vieles wird ja auch aus purer Lust (weiter)entwickelt. Da wäre
dann die Frage, wie sich das auf die genannte journalistische
Tätigkeit überträgt. Mir ist es ja eigentlich immer wichtig, daß die
pure Lust an einer Tätigkeit schon Grund genug ist bzw. sein muß (ja
Ralf, genau das, dessen Möglichkeit du bezweifelst :-) ). Das wäre
dann wieder das, was ich kürzlich für die IngenieurInnen gesagt hatte:
Die Lust an der Herausforderung ist Grund genug, ist Selbstentfaltung
der Tätigen.

Ich weiß es nicht. Vielleicht sollten wir das nochmal genauer
durchdenken. Altruismus ist ja an sich auch eine legitime Motivation
und wo ich hier so sitze und überlege, frage ich mich, warum ich
eigentlich diese Mail hier schreibe - oder viel mehr noch die letzte
mit eher berichtendem Charakter. Nun, weil ich es wichtig fand. Weil
ich im Prozeß des Aufschreibens für Euch auch selbst vieles nochmal
reflektiert und sortiert habe. Vielleicht brauchen wir mehr eine
Kultur des "Was habe ich eigentlich davon?" - nicht im
Tausch-/Wert-Sinne von "Kriege ich auch genug (zurück)?" sondern im
individuellen Sinne: Was bringt *mir* diese Tätigkeit als Person. Oh
je, ein weites Feld...

Nun aber noch zu dem anderen Strang, der mir in Weimar begegnet ist:
Die Übertragbarkeit auf die Kunst. Nun ist der Kunstbereich für mich
mehr oder weniger Terra incognita und ich kann da im fachlichen Detail
nichts dazu sagen, aber schon die Anfänge dieser Diskussion
beschäftigen mich ziemlich - auch wenn im Moment noch alles ziemlich
kraus ist.

Nach längerem Überlegen hat sich bei mir der Begriff des Werks
eingeschlichen und dessen Unterschiede bei Software und in der Kunst.
Bei Software - ein Programm aber auch Datenbanken, etc. - ist ein Werk
ja eigentlich nie fertig. Auch wenn die Informatik (früher?) da gerne
davon ausgegangen ist, daß ein Programm geschrieben, getestet und dann
fertig ist, ist das in der Praxis wohl eher die große Ausnahme. Freie
Software erhebt diese starke Versionierung / Evolution von Software
quasi zum Prinzip: "Release often, release early" bringt diesen
Paradigmenwechsel in der Software-Produktion gut auf den Punkt.

An diesem Aspekt der "stofflichen" Organisation der Produktion von
Software scheint mir vieles von dem zu hängen, was den Prinzipien der
Entwicklung Freier Software dann letztendlich zugrundeliegt. Wenn das
aber so ist, dann müßte bzgl. Übertragbarkeit dieser Prinzipien
geklärt werden, ob das in anderen Fällen / für andere Produkte ähnlich
ist oder ähnlich zu machen ist. Ich war bisher mal - mehr oder weniger
stillschweigend - davon ausgegangen, daß das bei Informationsprodukten
immer der Fall ist. Stimmt das wirklich? Sind alle
Informationsprodukte evolutionär entwickelbar? Auf der Basis eines
Werkes wie das bei Software der Fall ist? Was müßte ggf. beachtet
werden? Wie ist das z.B. mit OpenTheory? Können wir da schon was
sehen?

Aber es ging ja um Kunst. Ich bin da wie gesagt blutiger Laie, aber
ich habe in der Kunst den Eindruck, daß viele Werke nicht so entstehen
wie Software, sondern daß diese noch stärker individuelle Werke
Einzelner sind. Da ist dann also nichts mit Selbstorganisation,
internationaler Kooperation und so.

Andererseits schweben auch Kunstwerke ja nicht in einem luftleeren
Raum, sondern die Bezüge auf andere Werke und somit wieder auf ein
Kollektiv sind ja wohl praktisch nicht wegzudenken. Auch das Lernen
von anderen ist da ja mit drin, das in der Freien Software ja auch
eine erhebliche Rolle spielt. Ist das dann als ein Prozeß zu verstehen
ähnlich der Entwicklung Freier Software? Nur auf einer anderen Ebene
dann?

Ich bin gespannt auf eure Ideen.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Organisation: projekt oekonux.de


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