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Re: [ox] Verteilungsproblem, Geld



Hi Thomas,

thomas co-buero.de schrieb:
 > ( Eigentumsrecht : die Möglichkeit zur gesellschaftlich sanktionierten
 >   künstlichen_Verknappung nach Wahl des Eigentümers )

 Das hört sich so an, als ob es ein beliebig willkürlicher Akt wäre. Auch
 diese personalisierende Vorstellung eines raffgierigen bösen
 Kapitalisten ist ein ungutes Erbe der alten Arbeiterbewegung. Marx
 stellt aber klar, dass der Kapitalist als solcher nur "personifiziertes
 Kapital" ist, also eine notwendige Funktion ausführt.

Dies habe ich nicht gedacht als ich obiges geschrieben habe.
Ich lese gerade "Marx lesen" von Kurz und würde meine Denkweise
in Analogie dazu als esoterisch ansehen: Ich habe mehr oder
weniger alle Menschen als mehr oder weniger besitzend gedacht,
eher als automatische Subjekte.

Der Begriff "automatisches Subjekt" bei Marx und bei Kurz bezieht sich
auf den rückgekoppelten, end- und masslosen Prozess der Wertverwertung:
"Das automatische Subjekt ist keine aparte Wesenheit, die für sich
irgendwo dort draußen hockt, sondern es ist der gesellschaftliche Bann,
unter dem die Menschen irh eigenes Handeln dem Automatismus des
kapitalisierten Geldes unterwerfen. Wer aber handelt, das sind immer die
Individuen selbst. Konkurrenz, künstlich erzeugter Überlebenskampf,
Krisen usw. treiben die Potenz der Barbarei hervor, aber praktisch
vollstreckt werden muß diese Barbarei von den handelnden Menschen, also
auch durch ihr Bewußtsein hindurch. Und deshalb sind die Individuen auch
subjektiv verantwortlich für ihr Tun, der häßliche Manager und der
schmutzige Politiker ebenso wie andererseits der rassistische
Arbeitslose und die antisemitische alleinerziehende Mutter." (Kurz, Marx
lesen, S. 233).

Ich denke immer noch, dass
es ein willkürlicher Akt ist, wenn auch zumeist unbewußt oder
zumeist nicht vollständig reflektiert, aber dennoch und leider
die gängige Methode sich der Zukunft zu versichern, möglichst
viele ZukunftsManipulierOptionen (Geld) anzusammeln.

"ZukunftsManipulierOptionen" ist sehr "neutral" formuliert....

 > Der Zwang, das Äquivalent herzuschaffen und zu tauschen, ist doch
 > gerade durch diese Eigentumsrechte gegeben.

 Diese Funktion - die Verwertung des Werts zu organisieren - ist nicht
 ursächlich Folge des Eigentumsrechts, sondern dieses sanktioniert den
 Prozess der Wertverwertung in der Konkurrenz.

Ohne Eigentumsrecht wäre der Zwang nicht da. Also ist dieses Bedingung für
den Zwang.

Bedingung, aber nicht Ursache. Aus "Marx lesen", S. 149:
"Das Privateigentum ergibt sich also durch Analyse aus dem Begriff der
entäußerten Arbeit [Arbeit und Produkt, die dem Arbeiter "äußerlich"
sind, S.M.], d.i. des entäußerten Menschen, der entfremdeten Arbeit, des
entfremdeten Lebens, des entfremdeten Menschen.
Wir haben allerdings den Begriff der entäußerten Arbeit (des entäußerten
Lebens) aus der Nationalökonomie als Resultat aus der Bewegung des
Privateigentums gewonnen. Aber es zeigt sich bei der Analyse dieses
Begriffs, daß, wenn das Privateigentum als Grund, als Ursache der
entäußerten Arbeit erscheint, es vielmehr eine Konsequenz derselben ist,
wie auch die Götter ursprünglich nicht die Ursache, sondern die Wirkung
der menschlichen Verstandesverwirrung sind. Später schlägt dieses
Verhältnis in Wechselwirkung um." (aus: Marx, Ökonomisch-philosphische
Manuskripte, 1844)

Diese "Wechselwirkung" haben wir heute. Daraus wieder einen einseitigen
Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zu machen, wird dem Problem der
"Selbstreproduktivität" des "automatischen Subjekts" (oder
"kybernetischen Maschine" wie ich es gerne nenne) nicht gerecht.
Ausgangspunkt war ja deine Frage, warum es sich nicht um ein
Verteilungsproblem handelt. Die Antwort liegt nun IMHO auf der Hand:
Weil es überhaupt nichts am Charakter der kybernetischen Maschine
ändert, wenn man qua anderer Verfügung (etwa aufgrund von
"Staatseigentum") eine andere Verteilung der warenproduzierten Resultate
vornimmt. Es war und ist also eine Fehleinschätzung, dass nur eine
andere "Eigentumsverfügung" her müsse, um die Verhältnisse zu ändern.
Das haben die vergeblichen Versuche der Staatssozis
(sozialdemokratischer oder kommunistischer Art) gezeigt.

Daraus folgt für mich: Nicht die Eigentumsform schafft die
Produktionsweise, sondern umgekehrt. Und das spannende an der FS ist
gerade, dass sie an der Produktionsweise ansetzt.

 > Ich könnte mir doch ansonsten einfach das nehmen,
 > was mir fehlt. Es liegt zumeist nicht in der _persönlichen_
 > Macht des Besitzenden, es mir zu verwehren.

 Richtig. Doch der Gegensatz zu "persönlichen Macht", die etwa die
 vorbürgerlichen feudalen Verhältnisse kennzeichnete, ist die "abstrakte,
 entfremdete Macht" des selbstreferenziellen masslosen Prozesses der
 Wertverwertung. Dieser "Macht" müssen sich alle stellen, und diese
 "Macht" wird durch das Eigentumsrecht befestigt.

Ja. Aber die "abstrakte, entfremdete Macht" ensteht durch die persönliche
Wahl vieler, sich an diesem System zu beteiligen. Sicher ist diese
gesellschaftlich konditioniert, jedoch auch diese Konditionierung ist
individuell durch Umgang verschieder einzelner Menschen (Famillie, Lehrer ...
Fromm nenn diese die "Agenten der Gesellschaft") entstanden.

"Wahl" aber in dem Sinne wie es Robert Kurz beschreibt. Letztlich kann
ich aus dem Systemzusammenhang nicht rausspringen, dennoch bin ich für
meine Handlungen voll verantwortlich und habe immer
Handlungsmöglichkeiten. Diesen doppelten Zusammenhang darf man IMHO
nicht nach einer Seite hin "vereinfachen" (wahlweise "die
Individuen/Gesellschaft ist schuld"). Es ist also auch nicht richtig,
die "Konditionierung" als Entstehungs_ursache_ anzunehmen - gleichwohl
findet sie natürlich statt.

 > Der Zwang wird also bedingt durch das nichtverhandelbarsein einer bestimmten
 > Verteilung (von Eigentumsrechten). Freie_Kooperation (nach Spehr) würde genau
 > diese hinterfragen.

 Aufgrund des nichtpersonalen Charakters der "abstrakt-entfremdete Macht"
 und weil die Freie Kooperation nur die Ebene der unmittelbaren (und
 nicht der gesamtgesellschaftlichen) Kooperation betrifft, kann die Freie
 Kooperation die "abstrakt-entfremdete Macht" eben gerade nicht in Frage
 stellen. Sie hinterfragt sie auch noch nicht mal.

Habe ich hier die Freie_Kooperation falsch verstanden ? Recht ist nur innerhalb
einer Kooperation denkbar. Jede Kooperation kann den Kriterien der Freien_Kooperation
genügen oder nicht, wird somit hinterfragbar. Bitte erkläre dies.

Vielleicht hast du die Freie Kooperation schon richtig verstanden - nur
ich kritisiere sie (an diesem Punkt). Ich kann nur explizite
Vereinbarungen/Regeln hinterfragen, und solche gibt es nur in
unmittelbaren Kooperationen. Die gesamtgesellschaftliche Kooperation
nach Maßgaben der Wertvergesellschaftung wurde von niemandem
"vereinbart". Gleichwohl läuft sie nach Regeln und tausend kleinen
"Vereinbarungen" ab (jeder Ver/Kauf), doch das eben blind, als
Gesamtzusammenhang hinter unserem Rücken. Das ist je gerade der Witz des
Fetischismus: Ein sachlicher Zusammenhang konstituiert den sozialen.
Nicht wir haben etwas vereinbart, sondern die kybernetische Maschine
tritt uns als den sozialen Zusammenhang konstituierender Mechanismus als
Gegebenes und sich selbst Reproduzierendes gegenüber: "Es vereinbart
sich". Dieser blind-wirkende Zusammenhang ist mit der Theorie der Freien
Kooperation einfach nicht abbildbar/denkbar, es ist einfach nicht
Gegenstand der Theorie (obwohl es irgendwo auch heisst, man könne das
Muster der Freien Kooperation auch gesamtgesellschaftlich betreiben -
nee, das is nich).

Ciao,
Stefan

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