Re: Gewalt (was:Re: Franzre: [ox] Umsetzung)
- From: Gabriel Pickard <werg demokratica.de>
- Date: Sun, 12 Aug 2001 16:23:27 +0200
Christoph Reuss wrote:
> ... also z.B. das (Quasi-)Monopol von M$. ("Gewalt" im strukturellen,
> nicht-physischen Sinne.) Das Raubkopieren [für den Eigenbedarf] könnte
> man auch als Akt der Selbstverteidigung gegen die Gewalt von M$
auffassen.
ja, würde ich auch sagen.
> Dein Problem der "Gewalt" (gegen M$) bleibt freilich auch dabei bestehen.
> In diesem (kleinen, nicht-physischen) Ausmass ist Gewalt aber wohl
> prinzipiell _UNvermeidbar_, denn so gesehen ist _jede_ Kauf-/Nichtkauf-
> Entscheidung ein Akt der Gewalt (gegen die jeweils nicht berücksichtigten
> Hersteller). That's life... also kein Grund, spezifisch M$-Boykotteure
> als "Menschen, die Gewalt als einen Teil ihres Lebensstiles akzeptieren"
> abzustempeln.
Ach, Quatsch ;-}
Wieso soll eine Nichtkaufentscheidung Gewalt sein? Ich meine doch,
Schweigen wird im allgem. als Zustimmung interpretiert.
> (Machen wir uns nichts vor: Indem wir leben, essen etc., akzeptieren
> wir alle sogar physische Gewalt als einen Teil unseres Lebensstils !
> Sogar Vegetarier leben auf Kosten von Kleinstlebewesen... [das soll
> jetzt keine Kritik an Veg's sein -- bin ja selber einer ;-} ]
> In der real existierenden Welt (und sogar in der virtuellen ;-})
> kann _niemand_ Gewalt völlig vermeiden... nur versuchen zu minimieren.)
Ich find hier die Begriffsdefinition ein bisschen Problematisch. Ich
bräuchte ein anderes Wort neben 'Gewalt' für eine Aktion, die z.B.
physikalische Schmerzen verursachen kann. Ein Vegetarier, der
Kleinstlebewesen verspeist ist doch nicht gewalttätig! Weil es in meinem
Sinne auch keine Aktion gegen das Kleintierchen ist, wenn es sozusagen
nebenbei gegessen wird.
KXX4493553 aol.com wrote:
aber für mich ist die sog. "strukturelle Gewalt" die interessanteste. Wenn
man will, kann man alle anderen Gewaltbegriffe dieser struktuellen Gewalt
unterordnen. Der Begriff "strukturelle Gewalt" stammt von dem schwedischen
Sozial- und Friedensforscher Johan Galtung, in den 70ern eine prominente
Gestalt, heute nahezu in Vergessenheit geraten: strukturelle Gewalt ist die
Differenz zwischen den potenziellen und den realen
Verwirklichungsmöglichkeiten von Menschen, die Differenz zwischen dem, was
Menschen an Selbstentfaltung möglich ist, und dem, was für sie möglich sein
könnte, würden sie durch gesellschaftliche (Gewalt-)Strukturen nicht daran
gehindert. Icn glaube, darüber könnte man fruchbarer weiterdiskutieren als
darüber, ob Raubkopieren Gewalt ist oder nicht. Für Viele ist das wohl eher
eine Notwehrmaßnahme.
... und Notwehr ist auf jeden auch Gewalt...
Aber nun zu der "strukturellen Gewalt". Die Definition von Galtung, so
wie ich sie hier herauslesen kann, ist die eine Seite von dem, was ich
als StrukturGewalt mir ausgemalt hatte. Die StrukturGewalt kan IMHO auch
von dem Menschen selbst aus - und nicht nur von der Struktur auf den
Menschen ausgeübt werden. Wieso sollte mensch andere Gewaltformen der
strukturellen unterorden? Ich meine, wenn jemensch gefoltert wird, dann
ist das schlimmer, als wenn jemensch z.B. durch die Struktur in
Schuldknechtschaft gerät. Übrigens geht mir der Leidensaspekt etwas
Verloren in der Galtungschen Definition. Dass die Selbstentfaltung
eingeschränkt wird stimmt zwar schon, aber die unmittelbare und fatal
wichtige Auswirkung ist Leiden -- und leidenden Menschen geht es viel
eher um das Abschütteln des Leides, als um Selbstentfaltung.
Alles Gute! Gabriel
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