[ox] Re: Monopole und Kooperation
- From: Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net>
- Date: Thu, 23 Aug 2001 06:26:10 +0200
Hi, Stefan, Matthias und alle anderen!
On Wednesday, 22. August 2001 22:17, Stefan Merten wrote:
Und der Grund liegt ja eigentlich auch auf der Hand: Während
M$ ein Interesse an Profitmaximierung und also kein Interesse
an guter Software hat - erst recht nicht mehr, wenn die
Monopolstellung erreicht ist -
Hmmm... da scheint es wohl zwei Stufen von Monopol zu geben:
Der Kunde kann vergleichen, wieviel Geld ein Block
Schreibpapier, ein Liter Benzin, ein Megabyte Festplatte oder
ein Exemplar von Goethes Faust bei verschiedenen Anbietern
kostet. Für welchen er sich schließlich entscheidet, istr egal:
die Produkte sind untereinander 100% kompatibel, wenn nicht
sogar vom Aufbau identisch. Sowas ist ganz klar Konkurrenz.
Wenn es nur einen einzigen Anbieter von Bahnreisen,
Telefonanschlüssen bzw. Briefsendungen gibt, welcher den Preis
seines Angebots ohne Konkurrenzdruck festlegen kann, dann ist
das ein ziemlich offensichtliches Monopol.
Eine Zwischenform ist die, bei der die Produkte nicht zu 100%
kompatibel sind, z.B. MS-DOS und DR-DOS, Betacam und VHS.
Solange man *irgendein* Betriebssystem oder Videorekorder haben
will, ist Konkurrenz erkennbar. In dem Moment aber, wo man eine
Kassette aus der Videothek abspielen oder Windows 3.1
installieren will, muß ein ganz bestimmtes System gekauft
werden. Der Kunde hat dann nicht mehr die Wahl, und damit liegt
ein Monopol vor: Canon hat zwar kein Monopol auf
Tintenstrahldrucker im allgemeinen, wohl aber auf
Canon-Tintenstrahldrucker. Wenn einer noch 100 Patronen
rumzuliegen hat, kauft er sich wieder einen Canon-Drucker,
unabhängig vom Preis-Leistungsverhältnis.
Eigentlich gibt es ja gegen Monopole ein Kartellamt; daß es
dennoch Monopole gibt, ist nur dadurch zu erklären, daß sie vom
Gesetzgeber gewollt sind:
Das Monopol von Post, Bahn und Telekom ist gesetzlich
herbeigeführt, klar... Die Inkompatiblitätsmonopole sind aber
ebenso gesetzlich gewollt: Urheberrecht und
Geschmacksmusterschutz geben ein Monopol auf eine
Implementation, Patentrecht und Gebrauchsmusterschutz sogar auf
sämtliche Implementationen einer Spezifikation. Gäbe es diese
Monopolsrechte nicht, gäbe es Windows-CDs für 5,-- DEM bei
LinISO und anderen Herstellern, alle Drucker und Autos wären
jeweils Ersatzteilkompatibel, und der GEM-Desktop wäre die
Standard-Benutzeroberfläche auf allen Rechnern.
BTW: Die Beispiele aus der freien Software sind natürlich
*keine* Beispiele für Monopole, schließlich gibt es unzählige
Hersteller, sondern eher dafür, daß die *Abwesenheit* von
Monopolen unzertrennlich verknüpft ist mit Standards.
Ich hab hier noch eine andere (bis gerade eben noch nicht ganz
fertig-gewesene) Mail von vorgestern aus meinen Drafts, die hier
thematisch gut hinpaßt, aber leider den Thread zerrupft:
Re: [ox] Schnipsel aus der Fabber Community
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On Tuesday, 14. August 2001 21:39, Matthias Wirwall wrote:
Hi Technikfreaks,
Die Schipsel sind wirklich interessant und haben diese
Technikgläubigkeit und -optimismus, der mich immer wieder
überrascht. Aber gut.
Auch das man keine Mechanismen einbauen kann ist (noch ?) ein
Problem. Es dauert also noch einige Jahr(zehnt)e, bis wir
einen Replikator haben.
Was deine technischen Einschätzungen zum Fabber angeht, teile
ich diese voll. Dennoch halte ich die Überlegungen für sinnvoll.
Was man aber neutral festhalten kann, ist, daß *wenn* eines
Tages die Technologie bereitstehen sollte, beliebige materielle
Objekte digital zu kopieren, dies eine Möglichkeit wäre, einige
praktische Prinzipien der Entwicklung freier Software auf
materielle Produkte auf eine sehr direkte Art zu übertragen.
Ebenso wichtig ist aber auch die Feststellung, daß es in *der*
Einfachheit mit heutiger Technik nicht geht. Was in 100 Jahren
technisch möglich sein wird, kann für mich kein Anlaß zu
Optimismus sein. Vermutlich gucke ich mir nämlich dann bereits
die Radischenfabber von innen an. ;o)
Was mit heutiger Technik aber durchaus möglich sein sollte,
sind freie Baupläne. Die entscheidende Frage ist dabei weniger,
ob es technisch möglich ist, diese z.B. *source-forge-artig* zu
entwickeln (sf gab es zur GNU-Anfangszeit auch noch nicht),
sondern vielmehr, wie man die Pläne copyleftet, damit sie auch
frei bleiben.
In einer Wirtschaft, in welcher dann die Pläne aller
Produktionsmittel und Produkte gecopyleftet sind, sehe ich die
Chance, den heutigen *Monopolkapitalismus* (geistige
"Eigentums"-Rechte sind nichts anderes als gesetzlich geschützte
Monopole!) in einen klassischen Kapitalismus zurückzuverwandeln.
Eine weitere Gelegenheit, gesetzlich geschützte Monopole zu
erlangen, wird es nicht geben -- schließlich wurden Urheber- und
Patentrecht nicht um des Monopolseinswillen eingeführt, sondern
ursprünglich, um die Wissenschaft und Kultur zu fördern und
somit der Allgemeinheit etwas Gutes anzutun.
Ein solcher Kapitalismus wäre natürlich nicht an sich gut;
insbesondere die Sockelarbeitslosigkeit, die durch die
Abwesenheit einer vernünftigen sozialen Absicherung heute ein
Problem darstellt, würde in die Höhe schnellen. Eine solche
Absicherung wäre auch eine vernünftigere Forderung als die nach
Rückkehr zur Vollbeschäftigung mit Kohlenofen-Dampftechnik.
Ein solcher Kapitalismus könnte die Vorstufe zur GPL-Gesellschaft
sein, indem nach und nach immer mehr von den Dingen eintreten,
die Stefan im Meilenstein als GPL-Gesellschaft beschrieben hat,
bis schließlich kein Kapitalismus mehr erkennbar ist.
Wir sollten also sowohl darüber nachdenken, wie die Prinzipien
freier Software selbst Grundlage einer neuen Gesellschaft sein
können als auch, wie die Prinzipien freier Software Grundlagen
einer neuen Gesellschaft schaffen können: ersteres betrifft vor
allem die technischen Möglichkeiten (z.B. Fabber, komponieren
über CVS usw.) und zielt auf das Fernziel, die GPL-Gesellschaft;
letzteres hingegen betrifft vor allem die rechtlichen Belange
(Definition von "frei", Copyleft usw.) und zielt auf die
Übergangsphase. Als dritten Punkt fände ich noch interessant,
würden wir hier kritisch hinterfragen, warum der letzte
Großversuch, eine neue Gesellschaftsordnung zu schaffen
gescheitert ist, und warum das bei unseren Überlegungen gerade
anders sein sollte. Die Sache mit der freiwilligen Arbeit ist da
nur ein Teil.
Tschüß,
Thomas
}:o{#
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