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[ox] Re: Monopole und Kooperation




Hi, Stefan, Matthias und alle anderen!

On Wednesday, 22. August 2001 22:17, Stefan Merten wrote:

Und der Grund liegt ja eigentlich auch auf der Hand: Während
M$ ein Interesse an Profitmaximierung und also kein Interesse
an guter Software hat - erst recht nicht mehr, wenn die
Monopolstellung erreicht ist -

Hmmm... da scheint es wohl zwei Stufen von Monopol zu geben:

Der Kunde kann vergleichen, wieviel Geld ein Block 
Schreibpapier, ein Liter Benzin, ein Megabyte Festplatte oder 
ein Exemplar von Goethes Faust bei verschiedenen Anbietern 
kostet. Für welchen er sich schließlich entscheidet, istr egal: 
die Produkte sind untereinander 100% kompatibel, wenn nicht 
sogar vom Aufbau identisch. Sowas ist ganz klar Konkurrenz.

Wenn es nur einen einzigen Anbieter von Bahnreisen, 
Telefonanschlüssen bzw. Briefsendungen gibt, welcher den Preis 
seines Angebots ohne Konkurrenzdruck festlegen kann, dann ist 
das ein ziemlich offensichtliches Monopol.

Eine Zwischenform ist die, bei der die Produkte nicht zu 100% 
kompatibel sind, z.B. MS-DOS und DR-DOS, Betacam und VHS. 
Solange man *irgendein* Betriebssystem oder Videorekorder haben 
will, ist Konkurrenz erkennbar. In dem Moment aber, wo man eine 
Kassette aus der Videothek abspielen oder Windows 3.1 
installieren will, muß ein ganz bestimmtes System gekauft 
werden. Der Kunde hat dann nicht mehr die Wahl, und damit liegt 
ein Monopol vor: Canon hat zwar kein Monopol auf 
Tintenstrahldrucker im allgemeinen, wohl aber auf 
Canon-Tintenstrahldrucker. Wenn einer noch 100 Patronen 
rumzuliegen hat, kauft er sich wieder einen Canon-Drucker, 
unabhängig vom Preis-Leistungsverhältnis. 

Eigentlich gibt es ja gegen Monopole ein Kartellamt; daß es 
dennoch Monopole gibt, ist nur dadurch zu erklären, daß sie vom 
Gesetzgeber gewollt sind: 

Das Monopol von Post, Bahn und Telekom ist gesetzlich 
herbeigeführt, klar... Die Inkompatiblitätsmonopole sind aber 
ebenso gesetzlich gewollt: Urheberrecht und 
Geschmacksmusterschutz geben ein Monopol auf eine 
Implementation, Patentrecht und Gebrauchsmusterschutz sogar auf 
sämtliche Implementationen einer Spezifikation. Gäbe es diese 
Monopolsrechte nicht, gäbe es Windows-CDs für 5,-- DEM bei 
LinISO und anderen Herstellern, alle Drucker und Autos wären 
jeweils Ersatzteilkompatibel, und der GEM-Desktop wäre die 
Standard-Benutzeroberfläche auf allen Rechnern. 

BTW: Die Beispiele aus der freien Software sind natürlich 
*keine* Beispiele für Monopole, schließlich gibt es unzählige 
Hersteller, sondern eher dafür, daß die *Abwesenheit* von 
Monopolen unzertrennlich verknüpft ist mit Standards.

Ich hab hier noch eine andere (bis gerade eben noch nicht ganz 
fertig-gewesene) Mail von vorgestern aus meinen Drafts, die hier 
thematisch gut hinpaßt, aber leider den Thread zerrupft:

Re: [ox] Schnipsel aus der Fabber Community
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On Tuesday, 14. August 2001 21:39, Matthias Wirwall wrote:
Hi Technikfreaks,

Die Schipsel sind wirklich interessant und haben diese
Technikgläubigkeit und -optimismus, der mich immer wieder
überrascht. Aber gut.

Auch das man keine Mechanismen einbauen kann ist (noch ?) ein
Problem. Es dauert also noch einige Jahr(zehnt)e, bis wir
einen Replikator haben.

Was deine technischen Einschätzungen zum Fabber angeht, teile 
ich diese voll. Dennoch halte ich die Überlegungen für sinnvoll.
Was man aber neutral festhalten kann, ist, daß *wenn* eines 
Tages die Technologie bereitstehen sollte, beliebige materielle 
Objekte digital zu kopieren, dies eine Möglichkeit wäre, einige 
praktische Prinzipien der Entwicklung freier Software auf 
materielle Produkte auf eine sehr direkte Art zu übertragen.
Ebenso wichtig ist aber auch die Feststellung, daß es in *der* 
Einfachheit mit heutiger Technik nicht geht. Was in 100 Jahren 
technisch möglich sein wird, kann für mich kein Anlaß zu 
Optimismus sein. Vermutlich gucke ich mir nämlich dann bereits 
die Radischenfabber von innen an. ;o)

Was mit heutiger Technik aber durchaus möglich sein sollte, 
sind freie Baupläne. Die entscheidende Frage ist dabei weniger, 
ob es technisch möglich ist, diese z.B. *source-forge-artig* zu 
entwickeln (sf gab es zur GNU-Anfangszeit auch noch nicht), 
sondern vielmehr, wie man die Pläne copyleftet, damit sie auch 
frei bleiben. 

In einer Wirtschaft, in welcher dann die Pläne aller 
Produktionsmittel und Produkte gecopyleftet sind, sehe ich die 
Chance, den heutigen *Monopolkapitalismus* (geistige 
"Eigentums"-Rechte sind nichts anderes als gesetzlich geschützte 
Monopole!) in einen klassischen Kapitalismus zurückzuverwandeln. 
Eine weitere Gelegenheit, gesetzlich geschützte Monopole zu 
erlangen, wird es nicht geben -- schließlich wurden Urheber- und 
Patentrecht nicht um des Monopolseinswillen eingeführt, sondern 
ursprünglich, um die Wissenschaft und Kultur zu fördern und 
somit der Allgemeinheit etwas Gutes anzutun.

Ein solcher Kapitalismus wäre natürlich nicht an sich gut; 
insbesondere die Sockelarbeitslosigkeit, die durch die 
Abwesenheit einer vernünftigen sozialen Absicherung heute ein 
Problem darstellt, würde in die Höhe schnellen. Eine solche 
Absicherung wäre auch eine vernünftigere Forderung als die nach 
Rückkehr zur Vollbeschäftigung mit Kohlenofen-Dampftechnik.

Ein solcher Kapitalismus könnte die Vorstufe zur GPL-Gesellschaft
sein, indem nach und nach immer mehr von den Dingen eintreten, 
die Stefan im Meilenstein als GPL-Gesellschaft beschrieben hat, 
bis schließlich kein Kapitalismus mehr erkennbar ist.

Wir sollten also sowohl darüber nachdenken, wie die Prinzipien 
freier Software selbst Grundlage einer neuen Gesellschaft sein 
können als auch, wie die Prinzipien freier Software Grundlagen 
einer neuen Gesellschaft schaffen können: ersteres betrifft vor 
allem die technischen Möglichkeiten (z.B. Fabber, komponieren 
über CVS usw.) und zielt auf das Fernziel, die GPL-Gesellschaft; 
letzteres hingegen betrifft vor allem die rechtlichen Belange 
(Definition von "frei", Copyleft usw.) und zielt auf die 
Übergangsphase. Als dritten Punkt fände ich noch interessant, 
würden wir hier kritisch hinterfragen, warum der letzte 
Großversuch, eine neue Gesellschaftsordnung zu schaffen 
gescheitert ist, und warum das bei unseren Überlegungen gerade 
anders sein sollte. Die Sache mit der freiwilligen Arbeit ist da 
nur ein Teil.

Tschüß,
Thomas
 }:o{#

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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